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Mission „Cosmic Kiss“

Astronaut Matthias Maurer trägt im All ein Shirt aus Harburg

Der deutsche Astronaut Matthias Maurer ist in der Nacht zu Freitag an der internationalen Raumstation ISS angekommen. An einem der Experimente im All ist auch die TU Hamburg beteiligt. Foto: ESA/NASA/Robert Markowitz

Der deutsche Astronaut Matthias Maurer ist in der Nacht zu Freitag an der internationalen Raumstation ISS angekommen. An einem der Experimente im All ist auch die TU Hamburg beteiligt. Foto: ESA/NASA/Robert Markowitz

Innovation aus Harburg im All: Der deutsche Astronaut Matthias Maurer trägt auf der ISS ein Smart-Shirt, das von TUHH-Professor Ulf Kulau entwickelt wurde und vielleicht irgendwann auch bei Expeditionen zum Mars eine Rolle spielen könnte.

Von Sabine Lepél Samstag, 13.11.2021, 14:00 Uhr

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In der Nacht zu Freitag ist der deutsche Astronaut Matthias Maurer als Mitglied der Weltraummission „Cosmic Kiss“ bei der internationalen Weltraumstation ISS angekommen – und nach der über 20 Stunden währenden Reise durchs Weltall steht nun für die Astronauten die eigentliche Arbeit an. Schließlich sollen Wissenschaft und Wirtschaft von ihrer Expedition ins All profitieren.

An einem der Experimente auf der ISS ist auch Junior-Professor Ulf Kulau von der Technischen Universität Hamburg (TUHH) in Harburg beteiligt. Er hat Sensoren für ein smartes Shirt des deutschen Astronauten entwickelt, das minimale, durch den Herzschlag bedingte, Brustkorbbewegungen misst.

Folgen des Muskelabbaus in der Schwerelosigkeit beobachten

Matthias Maurer wird das Shirt während seines Aufenthalts im All tragen und die daraus gewonnen Daten anschließend zur Erde schicken. An der TUHH werden diese dann von Kulau und dem gesamten Team – dazu gehören DSI Aerospace Technologie GmbH, DLR Bremen und die Uni Bielefeld – ausgewertet und analysiert. Ziel der Wissenschaftler ist es herauszufinden, ob die Methode geeignet ist, Maurers Herz während dessen sechsmonatigen Aufenthalts auf der ISS zu beobachten. Außerdem soll erforscht werden, wie die Signalverarbeitung auch unter Raumfahrtbedingungen noch weiter in den Sensor integriert werden kann.

Das Smart Shirt ist mit zwei daumengroßen Sensoren ausgestattet, die am Herzen und an der Halsschlagader des Astronauten kleinste Bewegungen wahrnehmen können. Aus diesen sollen wichtige Herzparameter wie der relative Blutdruck ebenso wie die Öffnungs- und Schließzeiten der Herzklappen berechnet werden können. „Mit dieser Methode könnten wir zukünftig mit kleinster Technologie tiefere Einblicke in die Physiologie eines Astronauten bekommen und so zum Beispiel die Folgen des Muskelabbaus in der Schwerelosigkeit beobachten“, erklärt Kulau. Um auch Erfahrungen mit der Methode am Körper einer Frau zu erlangen, findet das Experiment anschließend mit der italienischen Astronautin Samantha Cristoforetti statt, die im Frühjahr 2022 die nächste Mission auf der ISS leitet.

Astronaut Matthias Maurer noch auf der Erde mit Junior-Professor Ulf Kulau (rechts) von der Technischen Universität. Foto: TU-Institut Smart Sensors

Astronaut Matthias Maurer noch auf der Erde mit Junior-Professor Ulf Kulau (rechts) von der Technischen Universität. Foto: TU-Institut Smart Sensors

Auch auf der Erde kann die Technologie eingesetzt werden

Die Ergebnisse des Experiments sind vor allem mit Blick auf künftige Gesundheitsüberwachungssysteme im Weltraum interessant. Kulaus Vision geht aber noch darüber hinaus. Künftig könne er sich vorstellen, dass alle Weltraumreisenden mit Sensoren ausgestattet würden, um eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln. „Vor allem bei Außeneinsätzen stehen Astronauten unter enormem Stress und erkennen im Notfall ihre eigenen körperlichen Grenzen nicht“, sagt der Junior-Professor der TUHH. „Die Sensoren könnten Veränderungen im Herzschlag frühzeitig feststellen und dem Astronauten signalisieren: Mach mal eine Pause.“ Neben dem Einsatz seiner Technologie auf der ISS hat Kulau auch schon Expeditionen in Richtung Mond und Mars im Kopf.

Insbesondere bei Langzeitmissionen zu weiter entfernten Zielen ergebe sich die Herausforderung, eine umfangreiche Gesundheitsüberwachung der Astronautinnen und Astronauten zu ermöglichen, weiß der TUHH-Professor: „Neben der langen Zeit in der Schwerelosigkeit wird eine Betreuung durch die Bodencrew auch aufgrund einer zeitlich verzögerten Kommunikation erschwert“, so Kulau. „Die Lösung könnten auch hier smarte Sensoren sein.“ Doch auch auf der Erde finden sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten der Technologie aus Harburg: Zum Beispiel, um das Herz kranker Patienten dauerhaft zu beobachten.

Die ISS und Maurers Mission

Die internationale Raumstation ISS ist bereits seit 2001 im All und gilt als größtes Labor in der Schwerelosigkeit, in dem Forschung zu Astrophysik, Psychologie und Medizin stattfindet. Gleichzeitig ist die Raumstation ein Innovationsmotor für neue Technologien wie Laserkommunikation, Robotik oder Sensorik – wie das Smart Shirt. Matthias Maurer ist der vierte deutsche Astronaut, der zur ISS fliegt. Die Crew der Mission „Cosmic Kiss“ soll etwa sechs Monate lang auf der Raumstation bleiben, um dort Experimente durchzuführen und Außeneinsätze zu absolvieren.

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