Bau des neuen Hamburger Elbtunnels wird vorbereitet – Fernwärme statt Stau

Von der Elbhalbinsel Dradenau wird parallel ein Fernwärme-Elbtunnel bis nach Blankenese gebaut. Foto: Christian Charisius/dpa
Wärme aus dem Hafen soll einmal Zehntausende Wohnungen im Hamburger Westen heizen, wenn das alte Kohlekraftwerk in Wedel vom Netz gegangen ist. Doch dafür muss die Fernwärme erst einmal vom einen Ufer der Elbe an das andere kommen.
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Von Martin Fischer
Auch ein weiterer „Alter Schwede“ könnte den Bau des Fernwärme-Elbtunnels im Hamburger Westen nicht stoppen. Zwar lasse sich nicht gänzlich ausschließen, dass im Flussbett noch ein weiterer Findling liegt, sagt Kirsten Fust, Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke - gebe es doch die alte Weisheit: „Vor der Hacke ist es dunkel.“ Aufgrund der geologischen Untersuchungen könne man aber relativ sicher davon ausgehen, dass man beim Bohren des neuen Elbtunnels, durch den einmal Wärme aus dem Hafen ins Fernwärmenetz der Stadt fließen soll, auf keinen weiteren steinernen Koloss stößt.
Der „Alte Schwede“, der 1999 beim Ausbaggern der Elbe gefunden wurde und nun als Naturdenkmal am Strand von Övelgönne liegt, hat immerhin einen Umfang von knapp 20 Metern und wiegt 217 Tonnen.
Und selbst wenn es noch einen gäbe, lasse die Tunnelbohrmaschine es zu, Steine zu bergen, sagt Fust. Die könnten dann durch den bis dahin vorangetriebenen Tunnel herausgeholt werden. „Wir wünschen uns das natürlich nicht, aber es wäre tatsächlich möglich.“ Es würde jedoch Zeit und Geld kosten.
Energiepark soll 2025 in Betrieb gehen
Zeit, die man eigentlich auf dem Weg zur Wärmewende nicht hat. Denn schon 2025 soll der Energiepark im Hafen mit seinem hochmodernen Gas- und Dampf-Kraftwerk fertig sein und das alte Kohleheizkraftwerk in Wedel ersetzen. Der Anteil der klimaneutralen Wärme soll dort dann bei 55 Prozent liegen. Das funktioniere, weil es die Wärme, die man nutzen wolle, im Hafen schon gebe, sagt Fust.
„Wir wollen spätestens bis zum Jahr 2030 in Hamburg komplett aus der Kohle ausgestiegen sein, nach Möglichkeit schon im Jahr 2028“, hatte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) beim Baustart des Tunnels gesagt. Bis dahin soll auch das letzte verbliebene Kohlekraftwerk Tiefstack vom Netz gehen. 2045 soll die Dekarbonisierung nach den Plänen des rot-grünen Senats dann endgültig geschafft sein.
Auf der Dradenau laufen die Leitungen für die industrielle Abwärme aus Betrieben wie dem Stahlwerk von ArcelorMittal, der Müllverwertungsanlage am Rugenberger Damm und aus dem Klärwerk Dradenau zusammen. Von dort aus geht es dann durch den knapp 1,2 Kilometer langen begehbaren Tunnel rund 30 Meter unter der Elbe in den Hamburger Westen.
Tunnelbauer sollen in diesem Jahr loslegen
Der Startschacht für den Tunnelbau am Südufer der Elbe nahe dem Lotsenhaus Seemanshöft ist so gut wie fertig. „Unten auf 30 Meter Tiefe ist eine 2,50 Meter dicke Betonschicht gegossen worden“, sagt Fust. Die liege unter Wasser und härte jetzt aus. „Wenn sie ausgehärtet ist, pumpen wir das Wasser ab und haben dort den Einstieg in den Tunnel.“
Im Herbst sollen die Bohrarbeiten beginnen. Mitte/Ende September will man mit den Vorbereitungen fertig sein. Unter anderem müsse die Tunnelbohrmaschine noch in Einzelteilen angeliefert werden. „Und dann wird die Tunnelbohrmaschine in Einzelteilen angeliefert und auf 280 Meter zusammengebaut. Die 47 Einzelteile lagern derzeit noch im Hafen.“
Auf der gegenüberliegenden Elbseite im Hindenburgpark in Othmarschen, wo der Bohrer in einem knappen Jahr ankommen soll, wird gerade der zweite Schacht gebaut. Spezielle Bagger und Kräne versenken dort stählerne Schlitzwände, die mit Beton gefüllt werden, um dem Schacht einen stabilen Rahmen zu geben.
Was wurde aus der Kritik der Elbchaussee-Anwohner?
Mit den Nachbarn der Baustelle an der noblen Elbchaussee habe man sich nach anfänglicher Kritik gut arrangiert. „Ich glaube, dass die Anwohner auch ein bisschen stolz sind, dass wir die Wärmewende hier beginnen.“ Kommunikation sei wichtig. „Und was den Park angeht: Wir haben mit dem Bezirk Altona vereinbart, dass wir ihn in Anlehnung an die Ursprünge vor 100 Jahren wieder herstellen – so wie er einst von Hamburgs erstem Gartenbaudirektor auch geplant wurde.“
Auf der anderen Seite der Elbchaussee in der Parkstraße werden schon die Fernwärmerohre verlegt, die die Wärme aus dem Hafen schließlich an der Notkestraße in Bahrenfeld an den großen Weststrang des Fernwärmenetzes anschließen sollen. „Das sind große 800er Rohre mit 80 Zentimeter Durchmesser plus Isolierung.“ Jeweils zwei davon würden verlegt für Hin- und Rücklauf, erklärt Fust.
Da derzeit parallel an sechs Leitungsbauabschnitten gearbeitet werde, seien die Bautätigkeiten im Westen Hamburgs gut zu beobachten - was auch einen weiteren Effekt habe. „Es gibt viele Anfragen von Anwohnern nach einem Fernwärmeanschluss“, sagt Fust. Das sei derzeit aber noch nicht möglich, da die Energie genutzt werden solle, um Wedel abschalten zu können. „Wir bauen hier sozusagen eine Autobahn. Und auf einer Autobahn kann es leider nicht für jeden Anwohner eine einzelne Abfahrt geben.“