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Baugerüst eingekracht: Vier tote Bulgaren in Hamburg – Schwierige Bergung

Die Großbaustelle im Überseequartier wurde evakuiert.

Die Großbaustelle im Überseequartier wurde evakuiert. Foto: Bodo Marks/dpa

Dramatischer Unfall in der Hamburger Hafencity: Ein Gerüst in einem Fahrstuhlschacht bricht zusammen und fällt acht Stockwerke in die Tiefe. Erste Erkenntnisse zum Unglück liegen vor.

Von Redaktion Montag, 30.10.2023, 15:35 Uhr

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Update: 15 Uhr, vier Tote

Die Feuerwehr hat die Zahl der Toten bei dem Einsturz eines Baugerüsts in der Hamburger Hafencity auf vier nach oben korrigiert. Beim Abtragen der Gerüststangen sei am Montagnachmittag ein weiterer Toter entdeckt worden, sagte ein Feuerwehrsprecher. Zunächst waren drei Tote und ein lebensbedrohlich verletzter Bauarbeiter festgestellt worden. Vermisst werde nun niemand mehr.

Bei den Opfern handelt es sich um Bulgaren. Das teilte die Stadtentwicklungsbehördemit.

Bisherigen Erkenntnissen zufolge war das in einem Fahrstuhlschacht errichtete Baugerüst am Morgen aus bislang ungeklärter Ursache im achten Stock kollabiert und in die Tiefe gerauscht. Die Trümmer stapelten sich anschließend vom Untergeschoss bis in den zweiten Stock.

Senatorin Karen Pein und Feuerwehrsprecher Philipp Baumann an der Unglücksstelle.

Senatorin Karen Pein und Feuerwehrsprecher Philipp Baumann an der Unglücksstelle. Foto: Ulrich Perrey/dpa

Trümmer stapeln sich bis in den zweiten Stock

Nach Angaben der Feuerwehr sah die Unfallstelle wie ein Riesen-Mikado aus. Die Gerüststangen seien kreuz und quer in dem Schacht verkantet gewesen und hätten einzeln gesichert und geborgen werden müssen - weshalb die Feuerwehr zunächst über Stunden nicht an die Opfer herangekommen sei. Bis zum frühen Nachmittag waren erst zwei Tote geborgen.

„Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass wir hier viele Gerüstteile haben, die gesichert werden müssen, und wir uns hier Stockwerk für Stockwerk erst mal an die Einsatzstelle bis nach unten hin rantasten müssen“, erklärte der Feuerwehrsprecher.

Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr stehen vor einem eingerüsteten Hochhaus.

Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr stehen vor einem eingerüsteten Hochhaus. Foto: Bodo Marks/dpa

Insgesamt waren rund 150 Rettungskräfte im Einsatz, darunter Höhenretter und ein Technischer Zug der Freiwilligen Feuerwehr. Auf der Baustelle hatten den Angaben zufolge zur Zeit des Unglücks rund 700 Menschen gearbeitet. Die Baustelle sei nach dem Unglück gesperrt worden.

Tödlicher Unfall auf Hamburger Baustelle: Großalarm

Spezialisten des Landeskriminalamts haben erste Ermittlungen vor Ort aufgenommen. „Für eine Einschätzung zur Unfallursache ist es aber noch zu früh“, sagte ein Polizeisprecher am Mittag.

Zur Betreuung der Einsatzkräfte und Augenzeugen wurden Notfallseelsorger hinzugerufen. Auch ein Kriseninterventionsteam war im Einsatz. Innensenator Andy Grote (SPD) sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. „Mein Beileid und meine aufrichtige Anteilnahme gelten allen Angehörigen der Opfer“, schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter). Gleichzeitig dankte er den Einsatzkräften, „die seit Stunden alles tun, um die Verletzten des schrecklichen Arbeitsunfalls in der Hafencity schnell zu bergen“.

Augenzeugen des tödlichen Dramas mussten seelsorgerisch betreut werden.

Augenzeugen des tödlichen Dramas mussten seelsorgerisch betreut werden. Foto: Bodo Marks/dpa

Nach dem Unglück wurde das Gebäude gesperrt, alle dort Beschäftigten mussten den Bereich verlassen. Auf der Straße standen mehrere Hundert Bauarbeiter in leuchtend gelben Westen und mit Helmen auf dem Kopf. Trotz der strahlenden Herbstsonne sahen sie bedrückt aus. „Es hat einen Unfall gegeben“, sagte ein 40-jähriger Arbeiter aus Rumänien. „Wir sollen alle nach Hause gehen.“

Bauarbeiten auf 14-Hektar-Areal im Überseequartier

Das Überseequartier ist Teil der Hafencity, die als Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsvorhaben gilt. Auf dem 14 Hektar umfassenden Gelände an der Elbe entstehen ein großes Einkaufszentrum mit vielen Geschäften, Gastronomie, Entertainment, Büros, ein Kreuzfahrtterminal, Hotels und mehr als 1000 Wohnungen. Der nördliche Teil ist bereits seit 2019 fertig, im südlichen Teil laufen die Arbeiten.

Über 1300 Bauarbeiter sollen am Montag vor Ort gewesen sein.

Über 1300 Bauarbeiter sollen am Montag vor Ort gewesen sein. Foto: Steven Hutchings/dpa

Das Überseequartier ist Teil der Hafencity, die als Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsvorhaben gilt. Das Projekt direkt an der Elbe wurde Anfang der 1990er Jahre vom damaligen Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) angeschoben und umfasst nach Angaben der HafenCity Hamburg GmbH eine Fläche von rund 157 Hektar. Das Überseequartier gilt dabei als das großstädtischste und zugleich publikumsintensivste Quartier.

Auf dem 14 Hektar umfassenden Gelände entstehen Geschäfte, Gastronomie, Entertainment, Büros, ein Kreuzfahrtterminal, ein unterirdischer Busbahnhof, Hotels mit rund 1150 Zimmern sowie mehr als 1000 Wohnungen. Der nördliche Teil ist bereits seit 2019 fertig, im südlichen Teil laufen die Arbeiten. Das Immobilienunternehmen Unibail-Rodamco-Westfield investiert dabei den Angaben zufolge mehr als eine Milliarde Euro in die insgesamt rund 260.000 Quadratmeter entstehende oberirdische Bruttogrundfläche.

Schwere Arbeitsunfälle in Hamburg

Erst am 2. September waren vier Arbeiter bei einem ähnlichen Unfall an einer Baustelle an den Hamburger Elbbrücken - unweit der HafenCity - teils lebensbedrohlich verletzt worden. Ein Baugerüst knickte ein und riss die Arbeiter etwa fünf Meter in die Tiefe, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Männer seien aus einer Höhe von etwa fünf Metern abgestürzt. Drei Bauarbeiter im Alter von 27, 35 und 53 Jahren wurden schwer verletzt. Ein 21-Jähriger erlitt lebensbedrohliche Verletzungen.

Die Bauarbeiter sollen damit beschäftigt gewesen sein, an der Eisenbahnbrücke ein Baugerüst zu demontieren. Da zum Unfallzeitpunkt gerade Ebbe herrschte und der Fluss kein Wasser führte, fielen die Bauarbeiter auf das steinige Flussbett.

Am vergangenen 9. Juni waren bei einem Brand auf einer anderen Baustelle im Überseequartier mehrere Gasflaschen explodiert. Von dem zehnstöckigen Rohbau zog eine große Rauchwolke in Richtung Innenstadt. Das Feuer war laut Polizei auf dem Dach des geplanten Einkaufszentrums ausgebrochen - vermutlich beim Verschweißen einer Dachpappe. Beim Versuch, das Feuer zu löschen, wurde ein Kranführer leicht verletzt.

Am 6. April 2020 waren zwei Bauarbeiter auf einer Baustelle an der Zweibrückenstraße in der HafenCity von herabfallenden Bauteilen schwer verletzt worden. Ein Paket aus 20 bis 30 Schalbrettern, die von einem Kran versetzt wurden, seien vom Haken abgerissen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Sie haben einen Bauarbeiter unter sich begraben und einen weiteren seitlich getroffen und schwer verletzt. (dpa)