Bittere Wahrheit: 335 Fälle von Gewalt gegen Frauen

Ein Mann droht einer Frau mit der Faust – während der Ausgangsbeschränkungen wird ein Anstieg häuslicher Gewalt befürchtet. Foto: dpa
Etwa jeden dritten Tag gelingt in Deutschland ein Femizid – ein brutaler Mord, der dann oft fast entschuldigend als Familiendrama, Ehrenmord oder Verbrechen aus Leidenschaft bezeichnet wird. Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt will etwas dagegen tun.
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Täter eines Femizids ist meist der frühere oder jetzige Partner der Frau. „Aber auch ansonsten ist Gewalt gegen Frauen leider bitterer Alltag, in vielen Fällen in den eigenen vier Wänden“, sagt Andrea Schrag, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Harburg. „Aber noch immer wird Gewalt gegen Frauen verharmlost, präventive Maßnahmen fehlen.“
Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt lädt daher für Freitag, 26. November, zu einer interdisziplinären Tagung zum Thema Femizid ein. Sie findet von 9.30 bis 14 Uhr als sogenannte Hybridveranstaltung statt: Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort im Kreishaus B in Winsen (Schlossplatz 6, Raum B-013) stehen 20 Plätze zur Verfügung, ansonsten besteht die Möglichkeit, online teilzunehmen.
Unterschiedliche Kurse zum Thema Femizid
Bei der Tagung wird das Thema Femizid aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet: Auf die Berichterstattung in den Medien geht Dr. Christine E. Meltzer von der Uni Mainz ein. Die soziologische Blickrichtung „Gewalt und Geschlecht: Erkenntnis, Wissen, Intervention“ beleuchtet Ksenia Meshkova vom Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin. Eine rechtliche Einordnung: „Strafverfolgung, angemessene Bestrafung und Sanktionierung“ will Lena Gumnior, Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes, geben. Ihre Schwerpunkte sind Gewaltschutz, Femizide und die Istanbul-Konvention. Aber auch auf die Täter soll der Blick gerichtet werden. Dazu berichtet Roland Hertel von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterorientierung über die Arbeit mit Tätern.
Anmeldungen zur Tagung sind bis Mittwoch, 24. November, bei der Beratungsstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen, Diakonisches Werk, E-Mail bmf@diakonie-hittfeld-winsen.de, möglich. Hintergrund: Die Zahl der Femizide in Deutschland ist erschreckend hoch, jeden dritten Tag wird eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner umgebracht. Allein 2020 starben 139 Frauen durch die Hand ihrer Partner oder Ex-Partner. Pro Jahr kommen mehr als 120 000 Fälle häuslicher Gewalt bundesweit zur Anzeige.
335 Betroffene in Harburg melden sich bei Beratungsstelle
Im Landkreis Harburg hatte die Beratungsstelle BISS im Jahr 2020 zu 335 Betroffenen Kontakt. Dort findet eine Erstberatung statt, für weitergehende umfassende Unterstützung und als Ansprechpartnerin gibt es seit November 2019 eine Beratungsstelle für alle Mädchen und Frauen, unabhängig vom Zeitpunkt und der Art der erlebten Gewalt. Diese Einrichtung verzeichnete laut Kreisverwaltung im vergangenen Jahr 141 Fälle. Im Frauenhaus wurden 34 Frauen aufgenommen, die dorthin mit 41 Kindern vor ihrem gewalttätigen Partner geflüchtet sind.

Die Frauen im Blick: Andrea Schrag .
Hilfe finden Betroffene im Kreis Harburg unter anderem bei folgenden Einrichtungen: Die Beratungsstelle BISS ist unter Telefon 0 41 81/2 19 79 21 zu erreichen, das Frauenhaus im Landkreis unter 0 41 81/21 71 51, das bundesweite Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen unter Telefon 08000/11 60 16, die Beratungsstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen unter Telefon 0 41 71/ 6 00 88 50. Die Krankenhäuser Buchholz und Winsen sind Netzwerkpartner im Projekt ProBeweis der Medizinischen Hochschule in Hannover. Das Hilfsangebot richtet sich an Opfer von häuslicher und/oder sexueller Gewalt, die noch keine Anzeige erstatten wollen.
In den beiden Krankenhäusern des Landkreises besteht die Möglichkeit, unmittelbar nach der Gewalterfahrung Verletzungen dokumentieren und Spuren professionell sichern zu lassen. Die Betroffenen können ohne Termin oder Anruf einfach in die Kliniken kommen.