Buxtehuder Schüler mit Bestsellerautorin im Gespräch über Alltagsrassismus

Die Autorin und Pädagogin Florence Brokowski-Shekete nach Lesung und Gespräch mit Zehntklässlern in der Realschule Süd . Foto: Richter
Die Welt verändert sich“, sagt Florence Brokowski-Shekete, als sie erklärt, weshalb das N-Wort heute nicht mehr gesagt werden sollte. Sie spricht vor Schülern ihrer früheren Schule – bei einer von drei Lesungen in Buxtehude.
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Ob sie damals, in ihrer Schulzeit, einen starken Charakter hatte, möchte eine Zehntklässlerin von Florence Brokowski-Shekete wissen. „Ich habe mit der Zeit gelernt, mit dem fertig zu werden, was mir begegnete“, sagt die Autorin. Ihre Autobiografie „Mist, die versteht mich ja“ (Orlanda-Verlag, Berlin 2020) hielt sich wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Schülerleben mit vielen Sorgen
Ihr Leben als Schülerin, erst an der Realschule Süd, später an der Halepaghen-Schule, war nicht sorglos: Brokowski-Sheketes leibliche Eltern lebten wieder in Nigeria. Sie selbst war, krank vor Heimweh, alleine zu Irmgard Brokowski, ihrer Pflegemutter, ihrer eigentlichen „Mama“, nach Buxtehude zurückgekehrt. Doch zum einen hing ihr Bleiberecht in Deutschland davon ab, dass sie die Schule gut schaffte und studieren konnte, was sie unter starken Leistungsdruck setzte. Zum anderen war Brokowski-Shekete schwarz. „Meine ganze Umgebung war weiß, ich hatte überhaupt keine Spiegelbilder, jedenfalls nicht im Alltag“, erklärt sie den etwa 50 Schülern der zehnten Klasse der Realschule Süd, die sich zur Lesung und zum Gespräch über Alltagsrassismus angemeldet hatten.
Butterkuchen weckt Erinnerungen
Die Veranstaltung in der Schule ist eine von drei Lesungen, die die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) für diesen Tag in Buxtehude auf die Beine gestellt hat. Der Kontakt kam über ihren ehemaligen Deutschlehrer Joachim Lübbecke zustande, bei dem sie später, bereits in der pädagogischen Ausbildung, auch ein Praktikum absolvierte. Inzwischen ist Florence Brokowski-Shekete in Buxtehude ziemlich bekannt. Auf der Straße sei sie, kaum aus dem Zug gestiegen, von vielen Leuten erkannt und gegrüßt worden. In dem Café, wo Florence Brokowski-Shekete das erzählt, hat sie sich allerdings schon vorher angemeldet – um zu fragen, ob es dort Butterkuchen gibt. Gab es. Ausnahmsweise, ganz frisch aus dem Ofen des Cafés Baham im Buxtehude Museum, extra gebacken für die bekannte Autorin.
Der Butterkuchen von Bäcker Behnken im Buxtehuder Süden, wo sie aufgewachsen ist, gehört für sie bis heute zu den schönen Erinnerungen an die Stadt ihrer Jugend. Wie immer hat ihr erster Gang sie samt Koffer direkt vom Bahnhof aus auf den Friedhof in der Ferdinandstraße geführt, zum Grab ihrer „Mama“, Irmgard Brokowski, die sie später auch adoptierte. Bis zu ihrem Tod war Buxtehude für Brokowski-Shekete Heimat. „Danach war weg, was mich mit Buxtehude verband.“ Auch sie selbst sei nicht mehr die „Flori“ von damals, die brav und angepasst war und immer Röckchen und kurze Haare trug.
Buch als Befreiungsschlag
„Damals war ich zwar immer dabei, aber ich fühlte mich nie zugehörig“, erinnert sie sich. Ihre Pflegemutter zog sie als alleinerziehende Schneiderin groß, die Teilnahme an vielen Aktivitäten war schon finanziell nicht möglich. Als alleinstehende weiße Frau ein schwarzes Kind großzuziehen, war nicht selbstverständlich, und die Frage, was die anderen Leute denken, habe in ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt: „Mama hat immer gesagt: Wenn du schon auffällst, dann positiv.“ Brokowski-Shekete sagt, sie habe immer das Gefühl gehabt, sich einordnen, sich unsichtbar machen zu müssen, auch später als Staatsbeamtin. Sie wurde Lehrerin, Mutter eines 27-jährigen Sohns und Deutschlands erste schwarze Schulamtsdirektorin. Aber ihr eigentlicher Befreiungsschlag kam vor zwei Jahren: „Was meine Hautfarbe angeht, ist dieses Buch ein Outing – früher wollte ich das nie thematisieren.“
Heute, sagt sie, wachsen Jugendliche mit mehr Vielfalt auf. Sie sehe viele selbstbewusste schwarze junge Mädchen. Zu sich zu stehen, sich im Umgang miteinander aber stets auf Respekt, Wertschätzung und Achtung zu besinnen – das ist eine Einsicht, die sie den Schülern ihrer früheren Schule mitgibt. Es ist auch ein roter Faden im Buch, aus dem sie noch zwei Mal vor jeweils 100 Gästen in der St.-Paulus-Gemeinde las. Ein roter Faden, kündigt sie an, soll sich auch im zweiten Buch fortsetzen, an dem sie zurzeit arbeitet. Im September 2022 soll es erscheinen: „Mehr wird noch nicht verraten.“