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Lieferengpässe

Diese Krebsmedikamente sind weiter knapp

Tamoxifen soll nach einer Erkrankung an Brustkrebs einen Rückfall verhindern. Die Tabletten werden bis zu zehn Jahre lang nach der Therapie eingenommen. Foto: Hanschke/dpa

Tamoxifen soll nach einer Erkrankung an Brustkrebs einen Rückfall verhindern. Die Tabletten werden bis zu zehn Jahre lang nach der Therapie eingenommen. Foto: Hanschke/dpa

Die Zahl der Lieferengpässe bei Krebsmedikamenten hat im vergangenen Jahr massiv zugenommen. Der Mangel hat Auswirkungen auf Therapien. Die Sorgen wachsen.

Montag, 09.01.2023, 13:31 Uhr

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Die Zahl der Arzneimittelenpässe in der Krebstherapie ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das teilte die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) am Montag mit. „Die Arzneimittelengpässe bestehen bereits seit Jahren, nehmen derzeit aber sicher deutlich zu“, sagte Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO.

Die Ursachen seien vielfältig. Es gebe Probleme bei der Herstellung und durch die Abhängigkeit von Lieferketten im Ausland, aber auch einen erhöhten Bedarf. In einzelnen Fällen bestehe das Problem, dass Medikamente aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen würden.

Engpass bei Brustkrebs-Medikament Tamoxifen

Betroffen sind demnach vor allem Medikamente, die seit Jahren in der Krebstherapie eingesetzt werden. Laut DGHO sind das zum Beispiel das Brustkrebs-Mittel Tamoxifen und Nab-Paclitaxel, das ebenfalls bei Brustkrebs sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Lungenkrebs zur Anwendung kommen. Auch unterstützende Arzneimittel für Krebspatienten wie Antibiotika und Harnsäuresenker seien von Lieferengpässen betroffen.

Engpässe gebe es vor allem bei „Standardmedikamenten“, sagte Matthias Beckmann von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Alternativen seien nicht immer gleichwertig. Es könne etwa stärkere Nebenwirkungen geben. „Die Frauen brechen einfach die Therapie ab, wenn die Nebenwirkungen zu hoch sind.“ Zudem wirke sich die Situation auch auf die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten aus. „Unser Vertrauensverhältnis mit den Patientinnen und Patienten ist nachhaltig gestört durch die Lieferengpässe.“

Maßnahmen gegen Engpass bei Krebsmedikamenten

Im vergangenen Jahr hätten von etwa 200 in Deutschland zugelassenen Krebsmedikamenten etwa zehn „kritisch gefehlt“, sagte Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. Die Sorge sei, dass ein nicht kompensierter Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass werde. „Und eben dann auch, das ist für uns der Horror, dass es in der Tat zu einer Verschlechterung der Prognose kommt.“

Bereits in den vergangenen Jahren sei ein Register für Lieferengpässe aufgebaut worden. Wörmann forderte, langfristig mehr Produktionsstätten in Europa aufzubauen. Nach Ansicht von Thomas Seufferlein, Mitglied im Vorstand der Deutschen Krebsgesellschaft, muss vor allem das Monitoring ausgebaut werden. „Wir brauchen wirklich ein präventives Frühwarnsystem und entsprechende Möglichkeiten, um ein gegebenenfalls entstehendes Versorgungsdefizit rechtzeitig abzuwenden.“

Knappes Brustkrebs-Mittel: Patientinnen fürchten um ihre Gesundheit

Tamoxifen ist ein sogenannter selektiver Östrogenrezeptor-Modulator. Das sind Arzneimittel, die ihre Wirkung über die Rezeptoren für das Hormon Östrogen vermitteln. Der Wirkstoff dockt an die Tumorzelle an und blockiert den Einfluss der Östrogene auf das Wachstum der Tumorzelle. So sorgt es dafür, dass Tumorzellen nicht weiterwachsen.

Tamoxifen wird in der Nachsorge eingesetzt - Ziel ist es, langfristig die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu senken. „Es ist unverzichtbarer Bestandteil der Therapie von Patient*innen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom“, heißt es in einer Stellungnahme, mit der fünf Fachgesellschaften gemeinsam auf die Situation reagiert haben.

Die Betroffenen nehmen in der Regel 20 Milligramm täglich - und zwar fünf bis zehn Jahre lang. In den Jahren 2019 bis 2021 wurden laut GKV-Arzneimittelindex 27 bis 28 Millionen Tagesdosen verschrieben. Darauf basieren Schätzungen, dass 120.000 bis 130.000 Patientinnen - aber auch einige männliche Patienten - von dem Tamoxifen-Engpass betroffen sein könnten.

Ob es Sinn macht, zur Überbrückung des Engpasses auch kurzfristig das Präparat zu wechseln, hänge vom Einzelfall ab, sagt Bernhard Wörmann von der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Berliner Charité. Auch eine kurzfristige Unterbrechung von einigen Tagen sei medizinisch möglich. Er betont aber: „Die Unterbrechung der Therapie ist keine Lösung dieser Versorgungskrise.“ (dpa)

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