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„Wir sind Kirche“

Drei Jahrzehnte Kampf für Reformen in der Kirche

Mehr Laienbeteiligung gehört zum Forderungskatalog von reformorientierten Katholiken. (Archivbild)

Mehr Laienbeteiligung gehört zum Forderungskatalog von reformorientierten Katholiken. (Archivbild) Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Frauen ins Priesteramt, weniger Fixierung auf Sexualmoral: Seit dreißig Jahren ruft „Wir sind Kirche“ nach Reformen in der katholischen Kirche. Aber verändert hat sich wenig. Oder doch?

Von Kathrin Zeilmann, dpa Mittwoch, 05.11.2025, 05:05 Uhr

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Nürnberg. Reformen in der katholischen Kirche? Dazu haben längst nicht nur Katholikinnen und Katholiken eine Meinung, gilt die Kirche doch als Global Player mit 2000 Jahren Geschichte auf dem Buckel. Die einen finden die Institution starr, verstaubt, männerdominiert. Die anderen meinen, es darf ruhig alles so bleiben wie es ist, vielleicht sogar wieder ein bisschen strenger werden. Wofür die Organisation „Wir sind Kirche“ seit 30 Jahren kämpft, ist klar: keine Pflicht zur Ehelosigkeit für Priester, Frauen im Priesteramt, weniger Hierarchie, mehr Mitbestimmung, keine Fixierung auf die Sexualmoral. Es ist ein Reformpaket, das an den Grundfesten der Institution rüttelt.

Aber was hat es gebracht, das Drängen auf Veränderungen, die Demos, die offenen Briefe, die Unterschriften, die Interviews seit nun schon drei Jahrzehnten? Kirchenrechtlich sei bislang keine der formulierten Grundforderungen umgesetzt, räumt Christian Weisner aus dem Bundesteam der Organisation ein. 

Es wird geredet - immerhin

Vor dem Jubiläumstreffen von diesem Freitag (7. November) an in Nürnberg weist er aber auch darauf hin, dass geredet werde. Man habe allemal erreicht, dass eine intensive Diskussion begonnen habe über seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) „längst überfällige“ Reformen. Freilich - dazu habe es das Jahr 2010 gebraucht, als die Kirche vom Missbrauchsskandal erschüttert wurde. 

Der Synodale Weg soll in Deutschland Reformen in der katholischen Kirche ermöglichen. (Archivbild)

Der Synodale Weg soll in Deutschland Reformen in der katholischen Kirche ermöglichen. (Archivbild) Foto: Arne Dedert/dpa

„Seit Ende 2019 werden endlich, wenn auch viel zu spät, genau unsere Reformthemen auf dem Synodalen Weg in Deutschland, den die Bischöfe gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gestartet haben, intensiv beraten“, sagt Weisner. „Der Synodale Weg hat viele wegweisende Beschlüsse gefasst, diese müssen jetzt endlich umgesetzt werden.“

So sieht die Bischofskonferenz „Wir sind Kirche“

Und tatsächlich - „Wir sind Kirche“ wird ernst genommen inzwischen, das zeigen auch die Worte des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, zum Jubiläum: „30 Jahre „Wir sind Kirche“ bedeutet 30 Jahre kritische Wegbegleitung der Kirche in Deutschland und insbesondere der Bischofskonferenz. Einfach war dieser Weg nicht, aber er war stets konstruktiv. Und es ist ein Weg des Dialogs und der Wertschätzung.“ Die Organisation sei drangeblieben an den Themen - bis heute. „Dem gebührt Respekt.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bätzing, findet, „Wir sind Kirche“ begleite konstruktiv. (Archivbild)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bätzing, findet, „Wir sind Kirche“ begleite konstruktiv. (Archivbild) Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken in Deutschland (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagt, sie freue sich, dass es das Engagement von „Wir sind Kirche“ gebe: „Schon früh kamen von dort wichtige Impulse, die weiterhin ihrer Umsetzung in der Kirche harren.“

Aufwind durch Franziskus

Gerade unter Papst Franziskus sahen sich Reformkräfte zunächst im Aufwind - dass er sich für Geflüchtete und Arme einsetzte und zum Schutz der Umwelt aufrief, entsprach genau dem, was auch „Wir sind Kirche“ forderte: „Anstelle der lähmenden Fixierung auf die Sexualmoral“ sollten andere Themen stärker betont werden wie soziale Gerechtigkeit oder Bewahrung der Schöpfung. 

Aber was ist mit all den anderen Themen? Franziskus berief zwar eine Weltsynode ein, doch konkrete Auswirkungen auf den Alltag in der katholischen Kirche blieben aus. Der Weg ins Priesteramt führt immer noch über die Ehelosigkeit, Frauen dürfen weiterhin nicht einmal Diakoninnen werden. Mitbestimmungsrechte für die Gläubigen gibt es höchstens bei der Anzahl der Torten fürs Gemeindefest. 

Und was macht Papst Leo?

Derweil sinkt die Mitgliederzahl weiter, die Zahl der Neupriester ebenso. Zugleich sind die Fronten zwischen Bewahrern und Reformern verhärtet. Und wohin der Kurs des im Mai gewählten Papstes Leo XIV. führt, ist noch weitgehend unklar. 

Die Hoffnung aber gibt man nicht auf bei „Wir sind Kirche“ - im Gegenteil: Immer mehr Bischöfe sprächen sich für die Aufhebung des Pflichtzölibats aus und setzten sich für den Zugang von Frauen zu Weiheämtern ein, sagt Weisner. Vor allem mit der Wahl von Franziskus 2013 sei ein Ende von Denk- und Redeverboten angebrochen. Und: Der neue Papst habe sich von Anfang an zum Reformprozess von Franziskus bekannt, „sodass wir guter Hoffnung sind, dass jetzt Schritt für Schritt auch kirchenrechtliche Umsetzungen erfolgen“.

Neue Reformgruppen im Land

Die Stimme von „Wir sind Kirche“ werde gehört, sagt der Theologe und emeritierte Professor der Uni Dortmund, Norbert Mette. Das geistige und geistliche Klima in der katholischen Kirche habe sich in den vergangenen 30 Jahren erheblich verändert. Es könne nun freier und offener über Themen diskutiert werden, bei denen man früher noch Sanktionen fürchten musste.

Wie viele Unterstützerinnen und Unterstützer „Wir sind Kirche“ in Deutschland hat, erfasst die Bewegung nicht. Nach eigenen Angaben nutzt man bewusst keine Vereinsstrukturen, um dem ZdK keine Konkurrenz zu machen. In Deutschland seien mittlerweile viele andere Reformgruppen entstanden, sagt Sigrid Grabmeier aus Deggendorf. Auch sie ist seit vielen Jahren engagiert bei „Wir sind Kirche“. Man sei eng vernetzt - auch international.

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