EU regelt Führerscheine neu – Wirbel um Nachtfahrverbot und Gewichtsgrenze

Die EU überarbeitet derzeit seine Führerscheinrichtlinie. Diese soll künftig für alle Mitgliedsländer bindend sein. Foto: dpa
Diese Vorschläge sorgen für Streit: Die EU will für ihre Mitgliedsstaaten neue Führerscheinregeln. Die Widerstand ist groß. Was geplant und wer betroffen ist.
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Ein Vorschlag für verschärfte EU-Führerscheinregeln hat heftige Debatten im EU-Parlament ausgelöst. Dabei geht es um einen Vorstoß der französischen Grünen-Abgeordneten Karima Delli, wonach es künftig beispielsweise für Fahranfänger ein grundsätzliches Tempolimit von 110 Kilometern pro Stunde für Autos geben soll. Zudem will Delli, dass medizinische Tests verpflichtend werden, um die „körperliche und geistige Tauglichkeit“ von Autofahrern zu gewährleisten.
Bei deutschen EU-Abgeordneten stößt das auf deutliche Kritik - auch von grüner Seite. Noch ist nichts endgültig beschlossen. Zudem sind bestehende Führerscheine - mit Ausnahme der Senioren-Maßnahmen - von den Plänen nicht betroffen.
Das sind die umstrittenen Führerscheinvorschläge der EU
Die Debatte geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission von März zurück. Derzeit lotet das an der Gesetzgebung ebenfalls beteiligte Europaparlament seine Position zu dem Thema aus, aber auch die Regierungen der EU-Staaten müssen neuen Regeln am Ende zustimmen. Nach SPD-Angaben ist vorgesehen, dass im März final im Parlament über neue Regeln abgestimmt werden könnte. Die Vorschläge in der Übersicht:
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Tempolimit für Fahranfänger: Hier soll es eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 90 km/h geben. Diese soll auch auf Autobahnen und Landstraßen gelten.
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Nachtfahrverbot für Fahranfänger: Der Entwurf besagt: „Die Mitgliedstaaten können besondere Vorschriften für Fahranfänger festlegen, um das nächtliche Fahren von Mitternacht bis 6 Uhr zu beschränken.“
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Fahrtauglichkeit bei Senioren: Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, sollen sich die Regeln für die körperliche und geistige Eignung ändern. Laut Entwurf, soll der Führerschein ab dem 60. Lebensjahr nur noch sieben Jahre lang gültig sein; ab dem 70. Lebensjahr fünf Jahre und ab dem 80. Lebensjahr müsste die Fahrerlaubnis alle zwei Jahre auf eigene Kosten aufgefrischt werden.
- Gewichtsgrenze: Für Führerscheine der Klasse B soll eine Gewichtsobergrenze eingeführt werden. Demnach dürften Autofahrer nur noch Fahrzeuge bis 1,8 Tonnen bewegen. Bisher gilt für Klasse B die Grenze von 3,5 Tonnen. Damit soll zum Beispiel das Fahren von schweren SUV-Modellen eigeschränkt werden. Wer größere Autos fahren will, müsste den Führerschein der Klasse B+ machen. Dieser soll jedoch erst ab 21 Jahren möglich sein.
Streit um geplante EU-Führerscheinregeln spitzt sich zu
„Die Vorschläge von Frau Delli sind ein einziges Verbotsprogramm. Sie wettert gegen individuelle Mobilität“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke am Mittwoch. An dem Vorschlag kritisiert er unter anderem, dass es für Fahranfängerinnen und Fahranfänger künftig Nachtfahrverbote geben könnte und sie keine Fahrzeuge von mehr als 1,8 Tonnen lenken dürften. Viele Transporter, die etwa bei Umzügen genutzt werden, wären damit tabu.
„Als CDU und CSU tragen wir einen solchen Unsinn nicht mit“, sagte Gieseke. Der EU-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen (FDP) betonte: „Wir als Freie Demokraten werden alles daransetzen, dass diese unsinnigen Vorschläge nicht in den Gesetzestext kommen.“
Nicht nur von politischen Kontrahenten bekommt Delli Gegenwind. Die deutsche Grünen-Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg kritisierte ihre Parteifreundin ebenfalls. „Wir als deutsche Grüne haben von Anfang an aus deutscher Sicht starke Bedenken angemeldet“, sagte die Verkehrspolitikerin. Dies gelte insbesondere für eine Extraführerschein-Kategorie für Autos ab 1,8 Tonnen, Tempolimits für bestimmte Führerscheinklassen und eine verpflichtende Gesundheitsprüfung. Es sei problematisch, Mängel bei Sicherheitsstandards und in der Klimapolitik über die Führerscheinrichtlinie beheben zu wollen.
Ein Sprecher der Grünen machte deutlich: „Die genannten Ideen spiegeln nicht die Position der deutschen Grünen wider, auch nicht der deutschen Grünen im Europäischen Parlament.“
Verkehrsminister Wissing gegen EU-weites Tempolimit für Fahranfänger
Auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Europaabgeordneten, Thomas Rudner, lässt kaum ein gutes Haar an den Vorschlägen seiner französischen Amtskollegin: Es sei widersprüchlich, die Gewichtsgrenze für Pkw-Führerscheine der Klasse B auf 1,8 Tonnen zu senken, wenn aber gleichzeitig 17-Jährige einen 40-Tonner steuern dürften, weil Lkw-Fahrer fehlten. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn und kann unter Umständen lebensgefährlich sein!“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing kritisierte die vorgestellten Regeln scharf. So sei etwa ein Tempolimit für Fahranfänger nicht tragbar, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch laut einer Mitteilung. Um die Sicherheit von Fahranfängern weiter zu verbessern, setze Deutschland auf den Führerschein ab 17 Jahren und das begleitete Fahren.
Die Einführung verpflichtender Gesundheitstests lehne sein Haus entschieden ab, sagte Wissing. Auch der Vorschlag zu einer Fahrerlaubnisklasse für besonders schwere Personenkraftwagen wäre aus Sicht des Ministers unverhältnismäßig. „Klar ist, Deutschland wird den Vorschlägen in dieser Form nicht zustimmen.“
Was die Unfallzahlen über die Fahrtauglichkeit von Senioren sagen
„Die Grundfrage ist doch: Gibt es überhaupt einen Grund, dass man hier zusätzliche Anforderungen stellt“, sagte Wissing. Von älteren Autofahrerinnen und Autofahrern gingen keine signifikant höheren Unfallzahlen aus, so der Minister.
Inwiefern ältere Menschen im Straßenverkehr ein Risiko darstellen, dazu gibt es unterschiedliche Ansichten: Laut dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat liegt der Anteil von Menschen von 65 oder mehr Jahren an der Gesamtbevölkerung derzeit bei etwa 22 Prozent. Aber nur etwa 14,5 Prozent aller Unfallbeteiligten seien bei Unfällen mit Personenschaden dieser Altersgruppe zuzuordnen.
Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, sagte der dpa: Zwar sage die Statistik in absoluten Zahlen, dass Senioren kein überhöhtes Unfallrisiko hätten. „Senioren fahren aber viel weniger mit dem Auto. Auf die Kilometerfahrleistung bezogen haben Senioren ein höheres Unfallrisiko - ähnlich hoch wie 18- bis 24-Jährige.“
Die Verhandlungen zur EU-Führerscheinrichtlinie befinden sich demnach noch in frühem Stadium. Sein Ministerium werde sich weiter in den EU-Arbeitsgruppen für Änderungen einsetzen, so Wissing.
Angaben aus dem EU-Parlament zufolge soll im Dezember im Verkehrsausschuss über den Bericht abgestimmt werden. Ob die französische Abgeordnete Delli eine Mehrheit für ihre Vorschläge findet, ist fraglich. (dpa/tip)