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Straßenverkehr

EU regelt das Autofahren neu – Das soll kommen

Die EU überarbeitet derzeit seine Führerscheinrichtlinie. Diese soll künftig für alle Mitgliedsländer bindend sein. Foto: dpa

Die EU überarbeitet derzeit seine Führerscheinrichtlinie. Diese soll künftig für alle Mitgliedsländer bindend sein. Foto: dpa

Es wirkt wie Hohn: Während in Deutschland derzeit massenhaft Führerscheine getauscht werden müssen, soll die Plastikkarte bald ganz verschwinden. Auch für Verkehrssünder und Senioren hat die EU Pläne.

Donnerstag, 02.03.2023, 05:00 Uhr

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Von Sophie Brössler

Führerschein auf dem Handy, früher hinters Steuer, umweltschonend fahren: Die EU-Kommission will Europas Straßen mit neuen Gesetzesvorschlägen für einheitliche Regeln sicherer machen. Gleichzeitig präsentierte die Brüsseler Behörde am Mittwoch auch Maßnahmen, um Verkehrsvergehen grenzüberschreitend besser zu ahnden.

„Sicheres Fahren ist entscheidend für unsere Bemühungen, die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 zu halbieren“, sagte die zuständige EU-Kommissarin Adina Valean. Im vergangenen Jahr kamen in der EU mehr als 20 000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Über die neuen Vorschläge müssen die EU-Staaten und das Europaparlament nun verhandeln. Darum geht es:

Führerschein auf dem Handy anstatt im Portemonnaie

Unter anderem läutet die EU-Kommission das Ende des Führerscheins als Scheckkarte ein. So sollen Autofahrer ihren Führerschein bei Verkehrskontrollen oder der Autovermietung künftig auf dem Handy vorzeigen können. „In nicht allzu ferner Zukunft wird Ihr Führerschein auf Ihrem Handy oder einem anderen digitalen Gerät gespeichert sein“, sagte Valean. Damit werde „das kleine Stück Plastik der Vergangenheit angehören“. Man werde jedoch weiterhin eine physische Version beantragen können. Ziel ist es unter anderem, Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Digitale Führerscheine sollen demnach einfacher ersetzt, erneuert oder umgetauscht werden können.

Grünes Fahren: Ergänzungen auf dem Fahrschul-Stundenplan

In der Ausbildung von Fahranfängern soll klimaschonendes Fahren künftig mehr Raum einnehmen. Um besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer besser zu schützen, sollen Fahrschüler künftig zudem dafür sensibilisiert werden, dass es vermehrt neuere Fahrzeuge wie E-Scooter oder E-Bikes gibt.

Größere Wohnmobile auch mit gewöhnlichem Führerschein fahren

Mit dem herkömmlichen Pkw-Führerschein der Klasse B sollen laut Kommission künftig auch Fahrzeuge bis zu 4,25 Tonnen Gewicht wie größere Wohnmobile gesteuert werden dürfen - vorausgesetzt, dass es sich um emissionsfreie Fahrzeuge handelt. Bisher liegt die Gewichtsgrenze für diese Klasse in Deutschland bei 3,5 Tonnen. Batteriebetriebene Autos seien schwerer, begründet die Kommission ihren Vorschlag.

Führerschein mit 17 EU-weit - auch für Lkw

Was in Deutschland schon lange Praxis ist, soll nach dem Willen der Kommission bald in der gesamten EU kommen: Junge Menschen sollen bereits mit 17 Jahren den Führerschein machen und Erfahrungen durch begleitetes Fahren sammeln können. Ab 18 dürften sie dann alleine fahren. Um mehr Lkw-Nachwuchsfahrer zu finden, sollen diese Regeln künftig auch für Führerscheine der Klasse C gelten.

Verkehrssünder im EU-Ausland besser ahnden

Wer im EU-Ausland zu schnell gefahren ist oder falsch geparkt hat, soll künftig seltener glimpflich davonkommen: Mehr als 40 Prozent der grenzüberschreitenden Verkehrsdelikte in der EU würden ohne Strafe eingestellt, sagte Verkehrskommissarin Valean. Dabei dürfe es nicht bleiben. Deshalb soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden erleichtert werden. Verursacher von besonders schweren Delikten sollen ihren Führerschein nicht nur in einem Land verlieren, sondern in der gesamten EU. Zu solchen Delikten zählen Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 50 Stundenkilometern oder Unfälle mit Toten und Verletzten.

Neue Regeln für die medizinische Fahrtauglichkeit

Um die Verkehrssicherheit zu erhöhen, will die Kommission zudem die Regeln für die körperliche und geistige Eignung von Fahranwärtern und Fahrern ändern. Das Alter spiele dabei zwar weiterhin eine Rolle, jedoch sei der Einbezug von bestimmten Krankheiten noch wichtiger, hieß es. Die Altersgrenze für mehr ärztliche Untersuchungen sollte von 50 auf 70 Jahre angehoben werden. Die Fahrer sollen laut dem Vorschlag zudem ermutigt werden, ihre „fahrerischen Fähigkeiten und Kenntnisse zu aktualisieren, um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten“.

Deutscher Widerstand könnte Verbrenner-Aus in EU blockieren

Das geplante Ende für die Zulassung von Verbrennern in der EU könnte kurz vor dem Abschluss an der deutschen Blockade scheitern. Ungeachtet von Widerständen aus der Bundesregierung soll am kommenden Dienstag über das Zulassungsverbot neuer Benzin- und Dieselautos ab 2035 abgestimmt werden, wie ein Sprecher des schwedischen Vorsitzes des Ministerrates am Mittwoch mitteilte. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte zuletzt gedroht, dass Deutschland bei der geplanten Abstimmung nicht zustimmen könne. In diesem Fall könnte die notwendige Mehrheit kippen.

Nötig ist ein Votum von mindestens 15 Ländern, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Abstimmungen wie die am Dienstag sind im Regelfall eine Formalie.

Wissing begründete seinen Widerstand damit, dass die EU-Kommission bislang noch keinen Vorschlag dazu vorgelegt habe, wie nach 2035 nur mit klimafreundlichen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können. Dies war Teil der Einigung im Rat der EU-Staaten im Juni 2022, mit der die FDP zu einer Zustimmung innerhalb der Bundesregierung bewegt werden konnte.

„Wir brauchen E-Fuels, denn es gibt ja gar keine Alternative dazu, um unsere Bestandsflotte klimaneutral zu betreiben”, sagte Wissing am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin”. Wer es ernst meine mit klimaneutraler Mobilität, der müsse alle technologischen Optionen offenhalten. Dazu zählten auch Verbrenner, die E-Fuels tanken.

Kritik aus den Reihen der Grünen

Die Bundesregierung teilte am Mittwoch mit, bisher noch keine einheitliche Haltung in der Frage gefunden zu haben. Die Gespräche dazu liefen noch, sagte ein Sprecher des grün geführten Bundesumweltministeriums. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, in der Frage zum Einsatz von E-Fuels müsse die Kommission nun schnell aktiv werden.

Aus den Reihen der Grünen wurde Kritik an Wissings Haltung laut. Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Autolobby treibe Wissing und die FDP vor sich her. Es gebe ein Kompromisspapier der Bundesregierung mit einem Prüfauftrag für E-Fuels. Wissing habe kein Mandat für die Ankündigung, dass Deutschland einem Verbrenner-Aus nicht zustimmen könnte.

„Die Debatte um einen Einsatz von E-Fuels in Pkw ist angesichts der Energieintensität bei deren Herstellung bei aller Technikgläubigkeit reines Wunschdenken von Verbrennerfetischisten”, so Schaefer. „Dass die FDP auf diese Wählerklientel abzielt, zeigt, dass ihr der Kampf gegen die Klimakrise angesichts schwindender Wählerstimmen immer weniger wichtig ist.”

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) stärkte Wissing hingegen den Rücken. „Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen”, sagte VDA-Chefin Hildegard Müller. Weil E-Fuels gerade für die Klimabilanz bereits zugelassener Verbrenner wichtig seien, müsse die Debatte erneut geführt werden. Nun sei die Kommission am Zug. (dpa)

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