Große Bäume gefällt: Dollerner ärgern sich über „Kahlschlag“

Die alten Baracken auf dem Gelände der ehemaligen Sandgrube am Sandbarg werden abgerissen. Auch viele Bäume wurden abgeholzt. Foto: Lohmann
Große Straßenbäume an der Altländer Straße in Dollern wurden gefällt, unten auf dem Gelände der ehemaligen Kiesgrube Sandbarg sind Bagger dabei, Bäume und Gebüsch zu entfernen und die Ruinen abzureißen. Hier soll ein Wohngebiet entstehen.
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Seit einer Woche sind Mitarbeiter des Abbruchunternehmens Meybohm im Einsatz in der stillgelegten Sand- und Kiesgrube im Norden Dollerns. Zunächst wurden die Bäume gefällt, jetzt sind die Gewerbe-Ruinen dran. Die Altgebäude des Betonwerks werden abgerissen, auch die Betonplatten sollen entfernt werden. Mit insgesamt vier Arbeitswochen rechnet Baggerfahrer Hans-Dieter Alpers.
Bürger ärgern sich über Baumfällungen
Über das Fällen der großen Bäume am Straßenrand regen sich Bürger auf. Von einem „Kahlschlag“ spricht ein Anwohner angesichts der vielen Baumstümpfe. Dass für ein neues Baugebiet großflächig abgeholzt wird, stört einen anderen. Das Ortsbild sei massiv zerstört, kritisiert ein Bürger. „Buntspechte und Fledermäuse werden vertrieben, gesunde Bäume weichen. Aber wofür?“
„Noch ist nichts spruchreif“, sagt der Eigentümer, der Landwirt Henrik Ehlers. Das sei eine forstwirtschaftliche Maßnahme. Zurzeit werde aufgeräumt, viel Wildmüll sei weggefahren worden; immer wieder sei Müll in der ehemaligen Sandgrube abgeladen worden. „Das muss ein Ende haben.“ Auch die Baracken sollen verschwinden, sie seien vermüllt und einsturzgefährdet. Mittelfristig plant der Eigentümer hier zusammen mit einem Investor ein Wohngebiet.
„Wir reden jetzt nur über die Fläche direkt an der Altländer Straße, auf der die alten Baracken und die Rampe sind“, sagt Henrik Ehlers. „Das Landschaftsschutzgebiet liegt dahinter.“ Die Kiesgrube bei Agathenburg wurde nach Beendigung der Abbauarbeiten nicht rekultiviert, sondern dem Naturschutz zur Verfügung gestellt und gehört zum Landschaftsschutzgebiet „Geestrand von Stade bis Horneburg“ mit dem Schutzzweck „Erhaltung des Geestrandes mit Nebentälern und seinem artenreichen Bewuchs“.
Naturschutzbund betreut Kiesgrube
Im Landschaftsplan der Samtgemeinde Horneburg ist die Fläche der „ehemaligen Kiesgrube Mußfeld nördlich Dollern“ als „mit einer erhöhten Bedeutung für Arten und Biotope“ ausgewiesen. Seit 1985 wird die Kiesgrube vom Naturschutzbund Stade (Nabu) betreut. Die abgeholzte Fläche Sandbarg dagegen gehört laut Landschaftsrahmenplan nicht zum Landschaftsschutzgebiet „Geestrand von Stade bis Horneburg“ – anders auch als der jenseits der Altländer Straße liegende Wald mit den Buschteichen. Eine Biotopverbindung wäre wünschenswert, sagt Wolfgang Ebbinghaus vom Nabu.
Wie Bauamtsleiter Roger Courtault auf Nachfrage sagt, dürfen die Bäume am Sandbarg im Rahmen der Forstbewirtschaftung gefällt werden. Die Rodung der Bäume, so „radikal“ sie auch sein mag, sei zulässig. Im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Horneburg ist die Sandgrube am Sandbarg als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen. Die Kreis-Naturschutzbehörde hat ebenfalls keine Einwände. Nach dem Waldgesetz dürfe der Eigentümer Pflegearbeiten durchführen, sagt Sprecher Christian Schmidt. Für eine Waldumwandlung müsse er einen Antrag stellen.
Landschaftlich reizvoll
Schon einmal war die zentral gelegene, ehemalige Sandabbaufläche für die Entwicklung eines landschaftlich reizvollen Neubaugebiets im Gespräch: 2012, als die Änderung des F-Plans anstand und Flächen für Wohnen ausgewiesen werden sollten. Ein Wohngebiet in der hügeligen Landschaft anstelle der verfallenen Gebäude der ehemaligen Betonfabrik würde das Ortsbild städtebaulich abrunden, hieß es anfangs. 2014 wurde der F-Plan aber ohne die Sandkuhle beschlossen. Nach Gesprächen mit dem Landkreis wurde die Fläche wegen naturschutzfachlicher Bedenken herausgenommen. Ob die Sandkuhle eine besondere Bedeutung für Natur und Landschaft hat, müsse noch untersucht werden, wurde damals gesagt. Zudem konnte sich die Eigentümer nicht mit einem möglichen Erschließungsträger einigen.
2020 wurde ein Scoping-Verfahren durchgeführt, wie Courtault berichtet. Bei sensiblen Bereichen werden damit die Behörden frühzeitig beteiligt, um mögliche umweltrelevante Sachverhalte, die sich auf die Planung auswirken könnten, vorab abzufragen und zu klären. Mehrere Ortstermine folgten, der letzte war im Oktober 2021. Die Folge: Das Plangebiet ist heute deutlich kleiner, es betrifft nun nur noch die mit einer dicken Betonplatte versiegelte Fläche samt Häuserruinen. „Gespräche haben stattgefunden“, bestätigt Kreis-Sprecher Schmidt.
Noch gibt es keinen Bebauungsplan für das Gebiet. Als nächsten Schritt für die Entwicklung des Wohngebietes müsste der Gemeinderat Dollern das Verfahren mit einem Aufstellungsbeschluss einleiten. In einem Parallelverfahren müsste die Samtgemeinde Horneburg den Flächennutzungsplan (F-Plan) entsprechend ändern: Die bisher landwirtschaftliche Fläche müsste als Wohngebiet ausgewiesen werden.
Wird hier ein neues Wohngebiet entwickelt, werden alle verbrauchten Naturflächen ausgeglichen, betont Eigentümer Henrik Ehlers. Schon jetzt sei aber durch die Betonplatte so viel versiegelt, dass es in der Summe vermutlich nicht viel mehr werde. Wird aus dem Projekt nichts, werde er die Fläche wieder aufforsten.

Die stillgelegte Sandabbaufläche soll Wohnbaugebiet werden.
