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Immer weniger Fahrgäste: Fredenbecker Bürgerbus steht jetzt zum Verkauf

Wieder regulär unterwegs: der Fredenbecker Bürgerbus. Foto: Beneke

Wieder regulär unterwegs: der Fredenbecker Bürgerbus. Foto: Beneke

Die letzte Fahrt des Fredenbecker Bürgerbusses hat Elke Weh vor Silvester selbst übernommen. Sie transportiert eine Stammkundin. Mehr Gäste nehmen das letzte Angebot nicht wahr. Diese Entwicklung ist einer der Gründe für die Einstellung nach sieben Jahren.

Von Jan Bröhan Mittwoch, 05.01.2022, 08:01 Uhr

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Auf die Frage, wie sie sich nach dieser letzten Fahrt mit dem Bürgerbus für die Samtgemeinde Fredenbeck fühle, lächelt Elke Weh sanft und zeigt mit der Hand auf ihre Kleidung. „Ich trage Schwarz“, sagt die Vorsitzende des Bürgerbus-Vereins dazu erklärend. Der Bürgerbus war eine Herzensangelegenheit. 2009 war schon die Vereinsgründung, aber erst 2014 konnten die Initiatoren mit dem Bürgerbus durchstarten. „Es gab anfänglich politische Widerstände“, sagt Initiator und Schatzmeister Uli Schumacher. Der Bürgerbus als zusätzliches Angebot im öffentlichen Nahverkehr sei nicht für notwendig erachtet gewesen.

Erst nach mehreren Jahren Überzeugungsarbeit war es dann soweit und die Politik gab grünes Licht. „Anstoß für mich war meine eigene Mutter“, sagt Uli Schumacher bezüglich der Idee, er musste sie immer zum Einkaufen oder zu Terminen fahren. „Das war die Initialzündung“, sagt Elke Weh, „die Busverbindungen in der Samtgemeinde sind nicht gut, gerade die älteren Menschen in den außen liegenden Dörfern wie Deinste, Schwinge, Aspe haben Probleme.“ Die soziale Komponente lag den Bürgerbus-Mitstreitern dabei immer am Herzen. Bürger fahren für Bürger, das war immer das Motto. „Es sollte auch immer eine Bereicherung für die Fahrer sein“, sagt Elke Weh.

Mit dem Bürgerbus zum Impfen

Als der Bürgerbus 2014 durchstarten darf, stehen 14 Fahrer und drei Fahrerinnen zur Verfügung. Insgesamt hatte der Verein in den vergangenen sieben Jahren 27 Fahrer zur Verfügung. Nun sind es nur noch sechs Fahrer und zwei Fahrerinnen. Das sei zu wenig, neue Aktive seien schwer zu finden, so Elke Weh.

Manfred Schurmann würde am liebsten jeden Tag fahren, er darf aber nicht. Durch eine Dämmerungsschwäche seiner Augen bekommt er den nötigen Personenbeförderungsschein nicht. Schurmann machte zuletzt Sonderfahrten mit dem Bürgerbus zu den Impfstationen. Die Corona-Pandemie hat den Bürgerbus ziemlich ausgebremst. Einer der verbliebenen Fahrer hörte auch deshalb auf. Und auch die Gäste wurden weniger. Vor Corona machte der Bürgerbus vormittags wie nachmittags seine Touren, zuletzt nur noch vormittags. Durch die Sperrung der K1 und die Umleitung konnte der Bürgerbus zwei Haltestellen nicht mehr anfahren, auch dies sei ein Grund für die Entwicklung hin zur jetzigen Einstellung gewesen, sagt Uli Schumacher.

Mehr als 17.000 Fahrgäste in sieben Jahren

Der Bürgerbus war allerdings eine Erfolgsgeschichte. Nachdem die Politik zugestimmt hatte, wurde der Kleintransporter für 86.000 Euro angeschafft, 75 Prozent waren Fördermittel vom Land Niedersachsen, 25 Prozent steuerte die Gemeinde bei. 453.784 Kilometer haben die Fahrer mit dem Bürgerbus abgerissen, darunter auch Sonderfahrten und Ausflüge mit Seniorenheimen. Der fleißigste Fahrer war Heino Buckstöver, der in den vergangenen vier Jahren auf 936 Stunden hinterm Steuer kam, alle Fahrer zusammen kamen auf 14.000 Arbeitsstunden. Insgesamt transportierte der Bürgerbus 17.536 Fahrgäste. Die negative Entwicklung seit Corona erklärt auch die Einstellung des Angebots: Im zweiten Halbjahr 2019 waren es noch 1409 Fahrgäste, 2020 nur noch 1134 und 2021 nur noch 700.

Initiator und Schatzmeister Uli Schumacher mit der Bürgerbus-Vorsitzenden Elke Weh . Fotos: Bröhan

Initiator und Schatzmeister Uli Schumacher mit der Bürgerbus-Vorsitzenden Elke Weh . Fotos: Bröhan

Eine einzige Stammkundin aus Mulsum ist nun noch einmal auf die letzte Fahrt mit Elke Weh gegangen, noch einmal einkaufen in Fredenbeck. Die alte Dame sei „sehr traurig“ gewesen, sagt Weh. Als Dank bekam sie von der Kundin einen Blumenstrauß und warme Worte. Nach dieser letzten Fahrt parkt Elke Weh den Bürgerbus hinter dem Rathaus in Fredenbeck, dort hatte der Bauhof dem Bürgerbus-Verein einen Unterstand zur Verfügung gestellt.

Fast unfallfrei und zwei Blitzerfotos 

Bei Punsch und Glühwein stehen die letzten Aktiven und Vereinsfreunde beisammen. „Es ist auch eine tolle Geschichte, dass wir in all den Jahren mit so vielen verschiedenen Fahrern unfallfrei durchgekommen sind“, sagt Elke Weh. Zwei Mal erwischte es den Außenspiegel. Nicht der Rede wert. Bei einer der ersten Fahrten touchierte der Fahrer beim Rückwärtsfahren mal ein Gemeindefahrzeug. Zwei Platten gab es. Und einen Getriebeschaden. Das war auch das einzige Mal, dass der Bürgerbus-Verein auf die Ausfallbürgschaft von 12.000 Euro von der Samtgemeinde zurückgreifen musste. Den schlimmsten Vorfall erlebte Manfred Vagts als Fahrer, als ihm bei einem Sturm ein Ast auf die Windschutzscheibe schleuderte. „Das war ein kleiner Schock.“ Verunfallt ist er nicht, alle blieben unversehrt. Wie immer in solchen Fällen rief der Fahrer bei Elke Weh an, um um Rat zu fragen. Die war aber gerade in Dänemark. Weh bedankt sich in der Runde auch ganz besonders bei Kfz-Mechaniker Remzi Fazlijaj, der den Bus immer gehegt und gepflegt hat. „Du kennst unseren Bus sicherlich am besten von allen.“

Abschied vom Bürgerbus (von links): Heino Buckstöver, Thomas Derlien, Steffen Rauch, Manfred Vagts, Joachim Magiera, Uli Schumacher, Elke Weh, Reinhard Vagts, Ernst-Wilhelm Cordes, Iris Lütjen, Wolfgang Weh, Manfred Schurmann, Reiner Klintw

Abschied vom Bürgerbus (von links): Heino Buckstöver, Thomas Derlien, Steffen Rauch, Manfred Vagts, Joachim Magiera, Uli Schumacher, Elke Weh, Reinhard Vagts, Ernst-Wilhelm Cordes, Iris Lütjen, Wolfgang Weh, Manfred Schurmann, Reiner Klintw

„Zwei Mal habe ich ein Foto bekommen“, erzählt Elke Weh amüsiert, da wurden die Fahrer geblitzt. Das Einhalten der Fahrpläne sei halt nicht immer einfach gewesen, sagt einer der Fahrer. Ein Kunde hatte den Spitznamen „Edeka“, weil er dort immer hinwollte, obwohl dies keine offizielle Haltestelle war. Aber wenn Bürger für Bürger fahren, werden auch mal Ausnahmen gemacht.

Bus zu verkaufen

Uli Schumacher hebt hervor, dass es ohne die Sponsoren, Spenden und Mitgliedsbeiträge nicht geklappt hätte. Die Buchhaltung sei für ihn als Schatzmeister immer eine kleine Herausforderung gewesen. Die Zusammenarbeit mit Reese, für die der Bürgerbus anfangs fuhr, sei leichter gewesen als nun mit der KVG. „Eine sehr unterschiedliche Unternehmensform“, sagt Schumacher, ein Stichwort sei Bearbeitungsgebühr. Das Positive überwiegt aber beim Abschied. „Einem unserer Fahrer hat es so gut gefallen, dass er sich zum Busfahrer umschulen ließ“, erzählt Schumacher.

Nun soll der Bus verkauft werden. Der Bürgerbus-Verein besteht aber weiter, ohne dass Mitgliedsbeiträge erhoben werden. Das Fahrertreffen an jedem zweiten Donnerstag im Monat soll weiter stattfinden. „So eine Entwöhnungsphase sollte man ja auch nicht unterschätzen“, witzelt Thomas Derlien. „Wir werden gucken, was passiert“, sagt Schumacher. Elke Weh setzt sich zum Beispiel dafür ein, dass es in naher Zukunft wieder eine Bahnverbindung der EVB von Bremervörde nach Stade gibt. Sollte es so kommen, könnte der Bürgerbus-Verein als Zubringer wieder durchstarten.

Interessierte für den Bus-Kauf können sich an Thomas Derlien wenden unter tderlien@gmail.com.

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