Was die Kartenlegerin über die Zukunft weiß

Sylvie Kollin legt seit 40 Jahren Menschen die Karten. Foto: Michael Matthey/dpa
Sylvie Kollin gibt eigentlich keine Prognosen zum Weltgeschehen ab, stattdessen blickt sie in die persönliche Zukunft ihrer Kunden. Doch für 2025 hat sie eine Vision.
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Hannover. Wie die Bundestagswahl im Februar ausgehen könnte oder ob der FC Bayern München mal wieder Deutscher Meister wird, kann Sylvie Kollin nicht sagen. Die Kartenlegerin aus Hannover sieht sich für allgemeine Prognosen und Fußballfragen nicht zuständig. „Ich bin keine Wahrsagerin“, betont die 75-Jährige, die rund um den Jahreswechsel stets viele Anfragen bekommt.
Auch konkrete Entscheidungen möchte sie ihren Kundinnen und Kunden nicht abnehmen. Ihre Tätigkeit versteht Sylvie Kollin vielmehr als Hilfestellung: Anhand der Karten, die der Ratsuchende zieht und Kollin aufdeckt, analysiert sie die aktuelle Situation der fragenden Person, blickt in ihre Zukunft und macht Lösungsvorschläge. Dabei nutzt die Kartenlegerin sogenannte Kipperkarten mit Symbolen wie „Gute Dame“ oder „Eine Reise“ sowie ein normales Skatspiel.
„Wie das Schicksal in die Karten kommt, weiß ich bis heute nicht“, sagt die Frau mit der warmen, tiefen Stimme und den leuchtend orange-roten Haaren. „Ist mir auch völlig egal, ich bin eine Anwenderin.“ Vor rund 40 Jahren hat Kollin das Kartenlegen zu ihrem Beruf gemacht; von Anfang an trat sie auch zum Beispiel auf Firmenveranstaltungen und in den Medien auf. Aktuell hat sie eine Show im Bürgersender h1 - Fernsehen aus Hannover sowie einen Podcast.

Sylvie Kollin benutzt Symbolkarten und ein normales Skatspiel bei ihren Sitzungen. Foto: Michael Matthey/dpa
Kartenlegerin fuhr sieben Jahre auf Containerschiff zur See
Die gelernte Hotelfachfrau ist auf der Nordseeinsel Borkum aufgewachsen, ihre Eltern hatten dort ein großes Lokal. Nach deren Trennung wuchs die Jugendliche an verschiedenen Orten auf und ging als 17-Jährige nach New York, rund sieben Jahre fuhr sie in den 70ern auf einem Containerschiff zur See. In den 80ern arbeitete Sylvie Kollin in einem angesagten Restaurant in Hannover, hatte dann auch ein eigenes Lokal.
Nach einer langen Krankheit ließ sich Kollin erstmals die Karten von einer Astrologin legen, die sie als Gast aus ihrem Lokal kannte. „Das habe ich nach einem Jahr gemacht, das für mich nicht so prall war: Freund weg, Fuß chronisch entzündet, fast pleite. Danach sind gleich ein paar Sachen eingetroffen. Das war für mich der Auslöser“, erzählt die Kartenlegerin in ihrer Wohnung.
Wie teuer ihre Sitzungen sind, verrät Kollin auf Anfrage. Sie sind auch online möglich. Zunächst fragt sie ihr Gegenüber stets nach dem Geburtsdatum. Kollin ist überzeugt, dass die Planetenkonstellation bei der Geburt Einfluss auf das Leben hat. „Man verändert sich nicht. Der Mensch besteht aus dieser Geburtskonstellation, aus Genen, aus Erfahrung und Erziehung“, sagt sie.
Psychologie, Fantasie und Intuition notwendig
Das Kartenlegen sei keine Geheimwissenschaft. „Es ist ein Zusammenspiel aus Psychologie und dem Wissen um die Bedeutung der Karten. Und Fantasie und Intuition muss man haben.“
Die Trefferquote bei ihren Aussagen schätzt Kollin auf 70 Prozent. „Wenn nichts eintreffen würde, würde ja auch niemand mehr kommen“, sagt sie. Den Zeitpunkt könne sie allerdings nicht bestimmen. Manches treffe erst nach Jahren ein, besonders wenn Menschen wenig entscheidungsfreudig seien.
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine ernstzunehmenden Anhaltspunkte dafür, dass Wahrsager oder Astrologen in die Zukunft blicken können. Das geht aus den Auswertungen der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) hervor, die jedes Jahr prüft, ob Prophezeiungen für das abgelaufene Jahr eingetroffen sind. Laut deren Jahresbericht wurden wichtige Ereignisse wie die Wiederwahl von Donald Trump selten vorhergesagt.
Kollin bekommt nach eigenen Angaben kaum negatives Feedback. Vor Jahren habe sie allerdings ein Kirchenmann in einer Talkshow scharf kritisiert. „Er hat mir vorgeworfen, dass Leute wie wir den Tod vorhersagen“, erzählt die Kartenlegerin. Sie habe dann gesagt: „Also Herr Pastor, das müssten Sie doch am besten wissen: Wir sterben doch alle. Dann haben alle geklatscht und der war richtig sauer.“ Durch den Auftritt habe sie neue Kunden gewonnen.
Ruhestand derzeit kein Thema für Sylvie Kollin
Kollin ist auch Entertainerin. Wenn sie auf Events Karten legt, geschieht das mit einem Augenzwinkern und Humor. Schlimme Dinge würde sie nie vorhersagen, sagt sie. Die 75-Jährige kann sich derzeit nicht vorstellen, in den Ruhestand zu gehen, obwohl sie seit dem Frühjahr vermehrt mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Dafür hat sie auch eine astrologische Erklärung.
„2024 war Mars-Jahr.“ Eigentlich sei Mars ein guter Planet. „Er steht für Durchsetzungsvermögen, kriegerisch, kämpferisch, also auch im Job und ein gutes Organisationstalent.“ In ihrem Geburtshoroskop habe sie auch Mars und wenn sich das doppele, sei das oft ein schlechtes Jahr für die betroffene Person.
Das astrologische Mars-Jahr ist laut Kollin erst am 20. März 2025 zu Ende, am 21. März beginne das Jahr der Sonne. Die Kartenlegerin wagt jetzt doch noch eine Prognose für das Weltgeschehen: „Vielleicht hört dann auch ein bisschen was in Sachen Krieg auf“, sagt sie.