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Justiz

Mehr psychisch kranke Straftäter: Hamburg muss Kliniken ausbauen

Das Direktoriumsgebäude der Asklepios Klinik Nord / Ochsenzoll. In Hamburg hat sich die Zahl der untergebrachten psychisch kranken Straftäter in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Fast alle sind in der Asklepios Klinik Nord / Ochsenzoll untergebracht. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Das Direktoriumsgebäude der Asklepios Klinik Nord / Ochsenzoll. In Hamburg hat sich die Zahl der untergebrachten psychisch kranken Straftäter in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Fast alle sind in der Asklepios Klinik Nord / Ochsenzoll untergebracht. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Sie begehen schwere Verbrechen, sind aber schuldunfähig: Immer häufiger weisen Gerichte psychisch kranke Straftäter in Kliniken ein. Trotz knapper Kapazitäten können in Hamburg alle Patienten untergebracht werden - nur machen manche „therapeutischen Urlaub“.

Samstag, 11.03.2023, 16:00 Uhr

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Die Zahl der psychisch kranken Straftäter im Hamburger Maßregelvollzug hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Im Februar waren nach Angaben der Sozialbehörde 350 Patienten untergebracht. Ende 2002 hatte die Zahl der Insassen im Maßregelvollzug 116 betragen. Vor zehn Jahren, Anfang 2013, war die Zahl der untergebrachten Personen bereits auf 270 gestiegen. Der Senat rechnet mit einer weiteren Zunahme und plant den Ausbau der Klinikkapazitäten.

In den vergangenen drei Jahren hätten alle Straftäter, die von Gerichten in ein psychiatrisches Krankenhaus oder eine Entziehungsanstalt eingewiesen wurden, in den Hamburger Maßregelvollzug aufgenommen werden können, erklärte ein Sprecher der Sozialbehörde. In Berlin war Anfang Februar ein nach einem Geldtransporter-Überfall verurteiltes Clan-Mitglied wegen Platzmangels im Maßregelvollzug aus der Haft entlassen worden.

U-Haft statt Klinik

Auch in der Hansestadt gibt es erhebliche Kapazitätsprobleme. Menschen, die als Verdächtige einer schweren Straftat nur einstweilig vom Gericht in eine Klinik eingewiesen werden, müssen in Hamburg häufig im Untersuchungsgefängnis sitzen. Zwischen Anfang 2022 und Ende Februar 2023 wurden 58 Personen auf diese Weise „in Amtshilfe“ untergebracht, wie der Senat auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Cansu Özdemir mitteilte. Sie verbrachten zwischen drei und 132 Tagen im Untersuchungsgefängnis, obwohl sie eigentlich in einer Klinik behandelt werden sollten.

Juristen halten diese Praxis für fragwürdig. Seit 2020 ordnete das Hanseatische Oberlandesgericht in zwölf Fällen an, dass die Betroffenen in eine psychiatrische Klinik verlegt werden müssen, wie aus einer anderen Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker hervorgeht.

Kliniken werden erweitert

Hamburg verfügt zurzeit über 335 Unterbringungsplätze im Maßregelvollzug, davon 325 in der Asklepios Klinik Nord/Ochsenzoll und 10 auf einer neuen Station im Zentralkrankenhaus des Hamburger Justizvollzugs in der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis. In diesem Jahr sollen in Ochsenzoll 40 Plätze hinzukommen, im nächsten Jahr zehn. Auch im Zentralkrankenhaus sollte eine weitere Station mit acht Plätzen eingerichtet werden, doch fehlt dafür das Personal.

Auch in den kommenden Jahren will Hamburg die Kliniken erweitern. „Da für Hamburg wie auch bundesweit eine Trendumkehr in der Belegungssteigerung im Maßregelvollzug (...) derzeit nicht absehbar ist, geht die zuständige Behörde vom Erfordernis weiterer Kapazitäten für den Maßregelvollzug bis zum Jahr 2030 aus“, hieß es in der Senatsantwort auf die Linken-Anfrage.

Die Gesamtzahl der Patienten übersteigt seit mindestens Anfang 2021 deutlich die Kapazitäten. Doch wie aus der Antwort auf die CDU-Anfrage weiter hervorgeht, befanden sich zu den Stichtagen immer 40 bis 50 Patienten in einem „therapeutischen Urlaub“. (dpa)

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