Mit Taxi zur Schule – Steuerzahlerbund beklagt Verschwendung

Seit drei Jahren werden bis zu 18 Schüler aus dem Neubaugebiet „Heinrich-der-Löwe-Kaserne“ in Braunschweig in die einen Kilometer entfernte Grundschule gebracht. Foto: Bockwoldt/dpa
Teure Fahrradstellplätze, Kostenexplosionen bei Bauvorhaben, Behörden-Irrsinn - der Steuerzahlerbund beleuchtet in seinem Schwarzbuch wieder Fälle, bei denen er Geldverschwendung sieht. Im Norden bekommt auch der HSV einen Rüffel.
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Ein Taxi für Grundschulkinder, ein vergrößertes Landesparlament, doppelt so hohe Kosten für eine Stadthallen-Sanierung: Der Bund der Steuerzahler in Niedersachsen und Bremen spricht von Steuerverschwendung und prangert exemplarisch neun Fälle in den beiden Bundesländern an. Dabei gehe es um Vergeudung in Millionenhöhe, sagte der Vorsitzende Bernhard Zentgraf am Mittwoch bei der Vorlage der 50. Ausgabe des sogenannten Schwarzbuchs in Hannover.
Wachsendes Landesparlament: Die Bremische Bürgerschaft soll nach der Landtagswahl 2023 um drei Sitze größer werden. Das Landesparlament werde somit in der nächsten Legislaturperiode rund 2,2 Millionen Euro teurer, sagte Zentgraf. Die Erhöhung auf 87 Mandate wird vom Land Bremen mit der Bevölkerungsentwicklung begründet: die Stadt Bremen wächst, Bremerhaven schrumpft. Um dem gerecht zu werden, erhält die Stadt Bremen mehr Mandate. Nach Auffassung des Steuerzahlerbunds wäre auch eine Parlamentsverkleinerung möglich.
Mit dem Taxi zur Grundschule: Seit drei Jahren werden bis zu 18 Schüler aus dem Neubaugebiet „Heinrich-der-Löwe-Kaserne“ in Braunschweig in die einen Kilometer entfernte Grundschule gebracht und von dort wieder abgeholt. Der Grund: Die Gehwege sind vom Investor noch nicht gebaut, auf den Baustraßen herrscht Baustellenverkehr. Dadurch ist nach Auffassung der Polizei der Schulweg nicht sicher. Die Stadt gewährt als gesetzlicher Träger der Schülerbeförderung die Taxifahrten. Die Kosten belaufen sich nach Angaben des Steuerzahlerbunds bisher auf knapp 40 000 Euro.
Teure Stadthallen-Sanierung: Statt der einst veranschlagten 19,5 Millionen Euro für die Sanierung der Stadthalle in Göttingen belaufen sich die Kosten fünf Jahre später auf mehr als 40 Millionen Euro. Der Grund: Der bauliche Zustand einiger Gebäudeteile erwies sich als schlechter und die Schadstoffbelastung höher als angenommen. Dazu kamen gestiegene Material- und Lohnkosten. Die Stadtverwaltung schließt weitere Kostensteigerungen nicht aus. Die Planungen der Stadt seien unvollständig gewesen, sagte Zentgraf: „Es rächt sich nun, dass die Stadt einen Neubau nie ernsthaft in Erwägung gezogen hat.“
Abriss statt Trainingszentrum: Nahe der Polizeiakademie Oldenburg hat das Land Niedersachsen vor fünf Jahren ein Industrieareal mit sechs Hallen für rund 11,8 Millionen Euro gekauft, um dort unter anderem ein Trainingszentrum für die Polizei einzurichten. Doch die dafür vorgesehene Halle sei in einem schlechteren baulichen Zustand als angenommen - ihr drohe der Abriss. Zentgraf warf dem Land vor, das Grundstück samt Immobilien gekauft zu haben, ohne die Bausubstanz zu prüfen. „Für die bereits bezahlten Hallen wird der Steuerzahler nochmals zur Kasse gebeten - sei es für eine Sanierung oder einen Abriss“, so Zentgraf.

Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen. Foto: dpa
Poller statt Schranke - Steuerverschwendung in Hamburg
In acht Fällen wirft der Bund der Steuerzahler der Stadt Hamburg verschwenderischen Umgang mit Steuergeldern vor. Sie reichen von reparaturanfälligen automatischen Pollern, mit denen eine einfache Schranke am Eingang des Stadtparks ersetzt wurde, bis hin zu einer laut Steuerzahlerbund millionenteuren, aber nicht benötigten Fahrrinne für Barkassen in der Hafencity.
Auch die anderweitige Verwendung der eigentlich für die Stadionsanierung gedachten Gelder aus dem Verkauf des Volksparkstadion-Grundstücks an die Stadt durch den HSV wird als Beispiel für einen leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern aufgelistet.
Diese Beispiele zeigten einmal mehr, „dass es dem Hamburger Senat beziehungsweise den Verantwortlichen nicht gelingt, solide Kostenschätzungen aufzustellen und diese dann konsequent umzusetzen“, resümierte der Steuerzahlerbund Hamburg. Projekte würden angeschoben, ohne dass die Sinnhaftigkeit vorher geprüft werde. Oft führe überstürztes Handeln zu folgenschweren Fehlentscheidungen. Bei manchen Projekten entstehe zudem der Eindruck, dass es einzig ums Prestige gehe, hieß es.
„Osterfeuer ohne Corona-Hilfen! – Nur dank BdSt-Kritik?“ - unter dieser Überschrift kritisiert der Steuerzahlerbund (BdSt) angebliche Überlegungen von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), das traditionelle Osterfeuer in Blankenese 2022 aus Mitteln der Corona-Hilfe zu unterstützen. Erst auf die öffentliche Kritik des Steuerzahlerbunds hin sei davon Abstand genommen worden. Mittel aus Notfallkrediten seien für den Notfall da „und nicht, um Behörden bei Haushaltsproblemen zu helfen“, kommentierte die Hamburger BdSt-Vorsitzende Petra Ackmann.
„Verschwenderische Bürgerschaft“ - unter dieser Überschrift wird die Anmietung eines leerstehenden Bürogebäudes der Handelskammer durch die Bürgerschaft in coronabedingten Homeoffice-Zeiten gerügt. Die Kosten des 2020 für sechs Jahre geschlossenen Vertrages belaufen sich den Angaben zufolge auf 2,78 Millionen Euro. „Fassungslos macht uns die Tatsache, dass der Vertrag zum 31. Januar 2022 hätte vorzeitig gekündigt werden können“, dies aber nicht erfolgt sei, sagte Ackmann.
Als „Schranken-Posse im Stadtpark!“ wird der Ersatz einer einfachen Schranke an einem Stadtpark-Eingang durch hydraulisch versenkbare Poller beschrieben. Seit ihrer Einrichtung 2014 sei die mehr als 71 000 Euro teure, aber reparaturanfällige Anlage schon insgesamt fast vier Jahre außer Betrieb gewesen. „Eine Poller-Anlage, die die Hälfte der Zeit nicht funktionstüchtig ist und fast 40 000 Euro Reparatur- und Wartungskosten verursacht, erfüllt ihren Zweck nicht“, konstatierte Ackmann.

Im Stadtpark wurde eine einfache Schranke durch die Poller-Anlage ersetzt. Foto: dpa
Ein laut Schwarzbuch „Unnötiges Impfzentrum für Stadt-Mitarbeiter“ für 1,2 Millionen Euro erregte ebenfalls den Unmut des Steuerzahlerbundes. Eigentlich auf eine Kapazität von 16 800 Corona-Impfungen ausgelegt, hätten sich nur 8300 städtische Mitarbeiter impfen lassen. „Die mangelnde Nachfrage dürfte dann auch der Grund dafür gewesen sein, dass das Impfzentrum bereits nach nur sechs Wochen wieder schloss“, heißt es im Schwarzbuch. Zudem hätten rund 1000 Impfdosen wegen des Ablaufdatums vernichtet werden müssen.
Erweiterungsbau für Kanzleramtssitz im Schwarzbuch
Zusätzlich kritisierte der Steuerzahlerbund den geplanten Erweiterungsneubau des Kanzleramts in Berlin, der nach jüngsten Schätzungen 777 Millionen Euro kosten soll - etwa 177 Millionen mehr als gedacht.
"Selbst dieser Preis wird nicht zu halten sein», sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel. Angesichts von Inflation und Fachkräftemangel werde die Summe noch einmal nach oben zu korrigieren sein. «Ich prophezeie, dass wir ganz stark an eine Milliarde rankommen", sagte Holznagel.
Der Bund der Steuerzahler ist ein Lobbyverband, der sich für die Senkung von Steuern sowie die Verringerung von Staatsverschuldung einsetzt. Jedes Jahr werden Projekte angeprangert, bei denen aus seiner Sicht Steuergeld verschwendet wurde. (dpa)