Mit wem Hugo Egon Balder gerne zusammenarbeitet – und mit wem nicht
Hugo Egon Balder sieht seine Zukunft eher auf der Theaterbühne als im TV. Foto: Gehm
Als er die Bühne betritt, setzt tosender Applaus ein. Noch bis Sonntag spielt Hugo Egon Balder die Hauptrolle in dem Theaterstück „Komplexe Väter“ von René Heinersdorff in der Komödie Winterhuder Fährhaus. Für seine Fans hat er einen Überraschungscoup geplant.
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TAGEBLATT: Warum sind Sie nach 30 Jahren in Köln vor knapp zwei Jahren auf einmal zum Hamburger geworden?
Hugo Egon Balder: In meinem früheren Leben muss ich wohl eine Möwe gewesen sein, so sehr hat es mich immer nach Hamburg gezogen. Ich musste mit dem Umzug aber warten, bis meine Kinder aus dem Haus sind. Zu Hamburg habe ich eine lange Beziehung. Zum ersten Mal war ich 1966 hier, als ich mit meiner Band Birth Control im Top Ten gespielt habe. Ich habe ja auch immer noch meine Kiezkneipe Zwick.
Sind die Norddeutschen in Sachen Humor eher mühsamer aus der Reserve zu locken?
Nicht mühsamer – anders. Ich finde den norddeutschen Humor englischer als anderswo in Deutschland. Ein bisschen cooler. Ich mag ihn, weil er im Gegensatz zum Kölner Humor so ruhig ist.
Haben Sie Probleme mit dem Älterwerden?
Überhaupt nicht, null. Mein Alter ist mir völlig wurscht. Solange es mir gut geht und ich gesund bin, ist alles in Ordnung. Ich tue ja auch viel, um gesund zu bleiben: Ich mache keinen Sport, ich rauche (lacht).
Hat sich Ihr Humor im Laufe der Zeit geändert?
Ja natürlich. Früher war man alberner und hat sich über jeden Unsinn totgelacht. So wie bei Heinz Erhardt. Das fehlt mir. Wir sind nicht mehr albern. Das liegt aber an der Gesellschaft, die sich verändert hat, nicht nur bei uns. Aber ich würde im Fernsehen den Humor, den ich vor 30 Jahren verbreitet habe, heute nicht mehr verbreiten. Weil ich den einfach nicht mehr so gut finde.
Ist Ihnen „Tutti Frutti“ im Rückblick peinlich?
Nee. Überhaupt nicht. Gegenüber dem, was man heute so sieht, war „Tutti Frutti“ ja wie von der katholischen Kirche. Was gab es denn schon zu sehen? Eine nackte Brust gesehen, die hat man damals aber schon überall gesehen. Im Film, an jedem Strand, an jedem Kiosk. Deswegen hat es mich auch gewundert, dass das so einen Riesenaufschrei gab.
Mit wem aus der TV/Comedy-Branche konnten Sie besonders gut – und mit wem eher nicht?
Wenn man mit jemandem so eng zusammenarbeitet wie ich zum Beispiel seit über 30 Jahren mit Hella von Sinnen, dann kennt man sich in- und auswendig, dann ist man auch irgendwie befreundet. Wenn wir nicht gerade zusammenarbeiten, dann sehen und hören wir uns aber ein Dreivierteljahr nicht. Ansonsten gibt es in dieser Branche wenige Freundschaften. Das sind alles Kolleginnen und Kollegen, die man entweder gut findet oder mit denen man nicht so kann. Aber ich bin ein Teamplayer und hasse Auseinandersetzungen.
Als Sie 2014 in der Pastewka-Comedy eine Todesszene spielen mussten, sagten Sie, dass Sie Ihr Testament schon gemacht haben, Ihnen der Nachruf aber völlig egal sei. Stehen Sie heute noch immer dazu?
Ja, der Nachruf ist mir völlig wurscht, weil ich ihn ja eh nicht mitkriege. Es ist mir wirklich völlig egal.
Apropos Beerdigung – Sie haben 2021 nach 18 Jahren auch die Sendung „Genial daneben“ beerdigt. Weil nach Ihren Aussagen SAT.1 sich „permanent in die Grütze fährt“. Wie übel wurde Ihnen das genommen?
Zwei Tage später hatte ich mit Geschäftsführer Daniel Rosemann ein langes Telefonat – sehr nett und freundlich, er hat mich verstanden, ich habe ihn verstanden. Wir machen ja mit „Genial daneben“ weiter, es wird als Highlight 2023 bei RTL Zwei zurückkommen.
Wie tief tauchen Sie im Theater in eine Rolle ein, wie sehr identifizieren Sie sich mit dem jeweiligen Charakter?
Das fällt mir nicht schwer. Es sind ja immer Rollen gewesen, die im Prinzip so waren, wie ich bin. Und jetzt bei „Komplexe Väter“ ist es ganz offensichtlich, weil Regisseur René Heinersdorff es Jochen Busse und mir es ja richtig auf den Leib geschrieben hat. Da muss sich weder Jochen verstellen, noch muss ich mich verstellen. Ich mache ja nur Komödie. Das ist was anderes als Klassiker und Drama. Man muss sich bei Komödie nicht stundenlang überlegen, wie man in die Rolle reinkommt.
Leiden Sie unter Lampenfieber?
Gar nicht, null. Es war mir von Anfang an bewusst, dass Fernsehen oder Theater eine Dienstleistung ist, nichts anderes. Wenn ich auf der Bühne mal einen Text vergesse, ist es menschlich, und die Leute lachen. Ich hätte Lampenfieber, wenn ich Herzchirurg wäre und eine wahnsinnig komplizierte OP durchführen müsste. Weil die Verantwortung groß ist. Doch wir unterhalten Leute. Da muss ich doch kein Lampenfieber haben. Und wenn ich einen Texthänger habe, lachen sie sich tot unten und finden es menschlich.
Haben Sie Probleme damit, lange Text auswendig zu lernen?
Nein, das geht ziemlich schnell. Ich lerne nur bei den Proben. Sobald ich die Probe verlassen habe, gucke ich nicht mehr in das Buch. Ich bin bei den ersten beiden Proben auch immer der einzige, der seinen Text noch nicht kann. Aber auch der einzige, der am Schluss allen Text kann.
Wie sehr nervt es Sie, wenn Sie ständig auf Ihre fünf Ehen angesprochen werden, zum Beispiel jetzt?
Es ist ja eine Tatsache, warum soll es mich nerven? Ich bin ja selbst schuld daran (lacht). Wenn etwas nicht funktioniert, funktioniert’s nicht. Von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, hört man immer: „Jetzt ist es endgültig. Das ist die Liebe meines Lebens.“ Ich würde da mal den Ball flach halten. Vielleicht konfrontiert man dich fünf Jahre später mit dieser Aussage. Nach meiner vierten Ehe hatte ich gedacht: Naja, jetzt reicht’s. Dann habe ich Elena kennengelernt und zum ersten Mal im Leben das Gefühl gehabt – ja, das ist es aber nun wirklich.
Wie eng ist Ihr Kontakt zu Ihrer Tochter Saliha (22) und Ihrem Sohn Canel (21)?
Obwohl sie beide in Köln leben, sehen wir uns häufig, telefonieren jeden Tag, machen auch Urlaub zusammen und besuchen uns gegenseitig. Alles wunderbar.
Sehen Sie Ihre Zukunft generell jetzt eher auf der Theaterbühne als im TV?
Eher im Theater. Fernsehen vielleicht noch ein bisschen. Ich bin jetzt 72. Wenn ich dann mit 80 noch irgendwelche komischen Sendungen moderiere, ist das ja sehr nervend. Da ich kein ernsthafter Mensch bin, kann ich mit 80 ja keine ernsthaften Talkshows machen. Theater kann ich auch noch spielen, wenn ich 90 bin, solange ich gesund bin.
Was ist die besondere Herausforderung am Theater?
Erstens ist es jeden Abend neu. Weil jeden Abend neues Publikum dort sitzt. Und es macht einen Heidenspaß, weil es ja in dem Moment passiert. Man kann es nicht wiederholen, und man hat ein direktes Feedback von den Leuten. Es gibt ja nichts Schöneres, als Leute zum Lachen zu bringen.
Wo verbringen Sie außer im Zwick gern Ihre Freizeit?
Freizeit habe ich ja aktuell fast gar nicht mehr, weil wir wegen Corona jetzt sämtliche Theatervorstellungen, die wegen der Pandemie abgesagt wurden, nachholen müssen. Wenn ich am Wochenende Zeit habe und in Hamburg bin, setze ich mich im Zwick ans Keyboard und mache Musik. Mit Piano habe ich angefangen, Schlagzeug ist mir inzwischen zu anstrengend, da tut mir der Rücken weh. Wenn ich mal viel Stress habe, setze ich mich zu Hause ans Piano.
Leben Sie auch den jüdischen Teil Ihrer Familie?
Ich bin zwar jüdisch, weil meine Mutter es war, aber ich lebe es nicht. Sogar meine Oma hat sich nicht koscher ernährt. Aber zu ihren Lebzeiten musste ich jeden Freitag in die Synagoge. Danach nicht mehr. Ich bin Heide in allen Religionen. Es ist mir auch völlig egal, welche Religion jemand hat oder welche Hautfarbe. Das Einzige, was mich interessiert, ist der Mensch, und das ist alles. So bin ich erzogen worden.
Bitte ergänzen Sie ...
Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich gern ... Pilot werden
An Hamburg gefällt mir am besten ... alles
An Hamburg gefällt mir am wenigsten ... nichts
Während Corona habe ich versäumt ... Gitarre zu lernen
Mein größtes Laster ist ... Rauchen
Meine größte Leidenschaft ... sind Autos. Ich war schon immer ein Autonarr und habe in meinem Leben unfassbar viele besessen. Jetzt fahre ich einen alten Porsche, einen Rover und einen Smart für die Stadt – ich werde langsam normal.
Zur Person
Hugo Egon Balder wurde am 22. März 1950 als Egon Hugo Balder in Berlin geboren, lebte später 30 Jahre in Köln. Als Schlagzeuger gehörte er ab 1967 zu den Gründungsmitgliedern der Krautrockband Birth Control. Von 1973 bis 1976 besuchte er die Schauspielschule von Else Bongers in Berlin und belegte ein Kunst- und Grafikstudium. Bekannt wurde der TV-Moderator, TV-Produzent, Musiker, Schauspieler und Kabarettist vor allem als Moderator der Sendungen „Alles Nichts Oder?“, „Tutti Frutti“ (beide RTL), „Die Hit-Giganten“ und der Quizsendung „Genial daneben“ (beide SAT.1). Als Schauspieler war er in verschiedenen TV-Serien und in
mehreren Tatort-Folgen zu sehen. Seit einigen Jahren spielt er Rollen im Theater, wie in „Komplexe Väter“ von René Heinersdorff. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, wie die Goldene Kamera, den Deutschen Fernsehpreis und den Deutschen Comedypreis. Ehrenamtlich engagiert sich Balder für die Knochenmarkspenderdatei. Seit 2010 ist das Multitalent Teilhaber der Kneipe Zwick am Millerntor. Balder hat zwei erwachsene Kinder und wohnt seit fast zwei Jahren mit seiner fünften Ehefrau Elena in Hamburg-
Blankenese.