Multimillionär Jürgen Hunke: „Wenn etwas machbar ist, muss man es immer wieder versuchen“

Der Multimillionär Jürgen Hunke verfolgt noch jeden Tag, was beim HSV so passiert. Foto: Mikado-Asistica
Gerade erst ist Jürgen Hunke mit Ehefrau und Tochter für ein Jahr nach Thailand übergesiedelt. Das Interview mit TAGEBLATT-Mitarbeiter Markus Lorenz möchte der Unternehmer, Galerist, Theaterbesitzer, Buddha-Sammler und Ex-HSV-Präsident trotzdem gern führen.
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Mit Blick auf Palmen spricht der 79-Jährige am Telefon über sein bewegtes Leben und das, was er seinen wahren Reichtum nennt.
TAGEBLATT: Herr Hunke, Sie nehmen sich ein Jahr Auszeit in Thailand. Warum?
Jürgen Hunke: Das ist ein Geschenk, das ich mir selber gemacht habe. Quasi vorweg zu meinem 80. Geburtstag im nächsten Jahr. Ich fliege seit vielen Jahren nach Koh Samui, habe eine große Affinität zu Asien, zu der Art der Menschen, zum Essen und zu vielem mehr. Unsere Tochter ist jetzt 14 Jahre alt und wechselt für ein Jahr auf die Internationale Schule von Koh Samui. Ich nutze die Gelegenheit, um sie für einen längeren Zeitraum ganz intensiv erleben zu können. Als 80-Jähriger komme ich aber auf jeden Fall zurück nach Deutschland.
Sind Sie ein Typ, der abschalten kann – Handy zur Seite und keine Mails?
Das kann ich nicht. Ich habe mein ganzes Leben vier bis fünf Zeitungen am Tag gelesen, und ich bin ein sehr kommunikativer Mensch. Ich habe in unserem Haus hier alle technischen Finessen installieren lassen, um eine gute Verbindung in die Welt zu haben. Aber: Wir haben einen schönen Tagesablauf. Wir machen jeden Morgen gemeinsam unseren Sport, zum Beispiel Thai-Boxen.
Sind Sie noch Unternehmer oder schon Privatier?
Irgendetwas dazwischen. Von meinen geschäftlichen Beteiligungen habe ich mich weitgehend getrennt und arbeite derzeit noch ehrenamtlich. Solche Engagements ziehen sich durch mein Leben. Deshalb hab‘ ich auch gar nicht gemerkt, dass ich älter geworden bin (lacht). Ich kann jedem nur empfehlen, sich ehrenamtlich zu betätigen. Es geht nämlich nicht immer nur ums Geld.
Was hat Sie im Leben angetrieben?
Das frage ich mich selber manchmal. Das Geheimnis liegt wohl darin, dass ich mit allem früh begonnen habe. Ich habe kein Abitur gemacht, sondern eine Ausbildung. Mit 20 war ich verheiratet, hatte mit 22 zwei Kinder. Mit 26 hab‘ ich mein erstes Haus gebaut, und zwar aus eigenen Mitteln. Ich musste Gas geben, um die Familie zu ernähren.
Sind Sie besonders begabt?
Nein. Ich habe auch viel Glück gehabt im Leben und bin kein ungewöhnlicher Mensch. Ich bin aber fleißig, immer verlässlich und habe gehalten, was ich versprochen habe. Das sind ganz, ganz wichtige Werte.
Was bedeutet Ihnen Geld?
So ein richtiges Verhältnis zum Geld hatte ich nie. Ich habe immer viel mehr gegeben als genommen. Geld bedeutet für mich eigentlich nur Unabhängigkeit. Mein wahrer Reichtum sind meine Gesundheit, meine tolle Familie und tolle Freunde.
Sind Sie reich im monetären Sinne?
Nein, ich bin wohlhabend. Und zwar auch nur, weil ich nie mehr Geld ausgegeben habe als eingenommen. Ich habe nie etwas gekauft, was ich nicht bezahlen konnte. An mir haben die Banken nichts verdient, weil ich nie Kredite aufgenommen habe.
Sie sind bekannt für Ihre roten Schuhe. Ein Spleen?
Ich hatte mir vor 30 Jahren in Hongkong aus Spaß einmal rote Schuhe gekauft. Als ich mit denen in den Übersee-Club in Hamburg ging, sagte mir jemand an der Tür: Es ist nicht hanseatisch, rote Schuhe zu tragen. Von da an habe ich rote Schuhe regelrecht gesammelt und hatte 200 Paar davon.
Klingt nach einem ausgeprägten Individualisten…?
Ich bin der totale Individualist. In vielen Dingen habe ich einfach einen seltsamen und etwas anderen Geschmack und habe damit einige Trends in Hamburg gesetzt. Zum Beispiel war ich der Erste, der zur Trachtenjacke Jeans trug. Ein paar Monate später haben das viele andere auch getan. Ich finde, dieses tolle Deutschland mit seinen vielen Freiheiten und Möglichkeiten zwingt uns doch geradezu, Individualisten zu sein.
Wie gehen Sie mit Anfeindungen um?
Angefeindet worden bin ich nur von Leuten, die mich für etwas gewinnen wollten, was ich abgelehnt habe. Davon lasse ich mich überhaupt nicht beeindrucken. Justus Frantz hat mal gesagt: Neid ist die deutsche Form von Anerkennung.
Wie wurde der Werbekaufmann für Anlagen und Finanzen, Jürgen Hunke, Besitzer der Hamburger Kammerspiele?
Dem Theater drohte 1994 der dritte Konkurs, Kultursenatorin Christina Weiss bat mich um Hilfe. Ich hatte keine große Verbindung zum Theater, aber ich wohnte in der Hartungstraße, in der die Kammerspiele liegen. Ich wollte nicht, dass dieses wunderschöne Haus abgerissen wird, und so habe ich mich engagiert. Es ist mir gelungen, die Kammerspiele seit nun 27 Jahren als eines der letzten Privattheater in Deutschland am Leben zu erhalten. Ich glaube, das ist meine größte persönliche Leistung.
Theaterbesitzer aus Pflichtgefühl?
Naja, so edel bin ich nun auch wieder nicht. Aber mittlerweile liebe ich die Kammerspiele. Ich habe erkannt, dass nur Theater das Denken und die Sprache über die Generationen hinweg vermitteln können. Das schaffen Zeitungen und Fernsehen nicht.
Sie waren und sind so vieles: Unternehmer, Galerist, Verleger, Theaterbesitzer, Politiker, Autor, HSV-Präsident. Was hat am meisten Spaß gemacht?
Natürlich Fußball und der HSV. Ich war immer extrem sportbegeistert, habe selbst Fußball gespielt, auch Tennis, war Rollschuhmeister und vieles mehr.
Wenn Jürgen Hunke heute HSV-Präsident wäre, hätte er die 120 Millionen Euro von Klaus-Michael Kühne angenommen?
Auf keinen Fall. Es ist ja bekannt, dass ich der natürliche Gegner von Herrn Kühne bin. Sein Angebot ist gegenüber dem Verein und den 90.000 Mitgliedern unanständig. Herr Kühne soll in der Schweiz bleiben und den HSV in Ruhe lassen, Ehrenbürger von Hamburg wird er sowieso nicht. Vielleicht sollte er auch mal für ein Jahr nach Asien gehen und darüber nachdenken, was er so verzapft.
Haben Sie noch persönliche Ambitionen beim HSV?
Nein. Aber ich verfolge jeden Tag, was passiert, weil mir der HSV wichtig ist. Der Verein hat schon zwei Weltkriege überlebt. Er wird auch Kühne überleben.
Sie haben einen Wohnsitz in Timmendorfer Strand. Was schätzen Sie an dem Ort?
Alles. Timmendorf ist für mich (überlegt länger)… einfach deutsch. Wenn ich dahin komme, atme ich durch, genieße die wunderbare Ostsee. Als ich dort vor 30 Jahren mein erstes Grundstück gekauft habe, haben mich übrigens viele Freunde bemitleidet.
Warum?
Sie haben gesagt: Was willst du denn da? Du musst doch auf die Insel - also nach Sylt. Ich habe geantwortet: Sylt ist nicht meine Welt. Meine Welt ist Timmendorf.
Dabei haben die Timmendorfer Ihre Pläne für eine asiatische Galerie auf der Seebrücke durchkreuzt. Und das, obwohl Sie dort für eine Million Euro ein Teehaus gebaut und es der Gemeinde geschenkt haben. Sie müssen doch sauer sein…?
Nein, damit habe ich meinen Frieden gemacht. Ich bin schon traurig, denn ich wollte dort eine Galerie von europäischem Stellenwert schaffen. Das ist leider nicht gelungen. Dennoch bin ich zufrieden, weil ich mir das Urheberrecht gesichert habe. Das heißt, es bleibt immer ein Mikado-Teehaus, das nicht verändert werden und an dem es keine Werbung geben darf. Das Teehaus wird mich weit überleben. Im Übrigen: Man lernt aus Niederlagen mehr als aus Siegen.
Was bedeutet Hamburg für Sie?
Eine Stadt, in der man toll leben kann. Die aber früher ziemlich spießig war. Als ich zum Beispiel das Dachgeschoss meines Hauses in der Hartungstraße ausbauen wollte, so wie in Paris oder Wien, haben die Behörden gesagt: Das geht alles nicht. Daraufhin habe ich den Oberbaudirektor gefragt: Sind wir eine Pifferstadt oder eine Weltstadt? Plötzlich ging’s und ist ganz toll geworden. Diese Haltung hat Hamburg glücklicherweise in der Zeit von Ole von Beust überwunden, der eine liberale Großzügigkeit in die Stadt gebracht hat.
Sie sind der größte Sammler von Buddha-Statuen in Deutschland. Wie viele sind’s denn?
Etwa 2200. Das ist ein wunderschönes Hobby, aber kein Geschäft. Ich bin kein Buddhist, sondern lutherischer Protestant, aber ich bin ein Anhänger der buddhistischen Philosophie. Buddhismus und evangelische Religion passen sehr gut zusammen.
Gibt es noch unerfüllte Träume, wenn die Auszeit vorüber ist?
Nach der Auszeit geht’s auf jeden Fall weiter. Ich würde gern erleben, dass der HSV vor Bayern München steht (lacht). Im Ernst: Ich bin ein realistischer Optimist. Wenn etwas machbar ist, muss man es immer wieder versuchen.
Bitte ergänzen Sie...
Wenn ich meinen Kindern einen Rat geben sollte, wäre das… Bildung, Bildung, Bildung.
Geld macht nicht glücklich, weil… es keine Probleme löst.
Dem Bundeskanzler würde ich sagen… er möge ein einheitliches Schulsystem schaffen und unsere digitalen Probleme lösen, damit wir Vorbild für die ganze Welt sind.
In Hamburg fehlt mir am meisten… ein Erstliga-Club.
Der Vorteil am Älterwerden ist… das Gefühl, dass man nichts mehr verpassen wird.
Jürgen Hunke in drei Worten… offen, geradlinig - manchmal etwas schwierig.
Zur Person
Jürgen Hunke (79) ist in Gütersloh geboren. Mit Anfang 20 machte sich der gelernte Verkaufs- und Werbekaufmann selbstständig und führte von Hamburg aus eine Handelsvertretung. Mit der Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen kam der Uhrenliebhaber zu Reichtum, war aber auch auf etlichen anderen Feldern aktiv. Von 1990 bis 1993 führte er als Präsident den HSV, in dessen Aufsichtsrat er bis 2009 saß. Er war Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der Statt Partei, kaufte 1994 die Hamburger Kammerspiele. Asien-Fan Hunke hat vier Kinder aus zwei Ehen sowie sechs Enkelkinder. Anfang des Jahres hat er seinen ersten Wohnsitz von Hamburg nach Timmendorfer Strand verlegt.