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Kultur

Regisseur Jürgen Flimm wird in Hamelwörden beigesetzt

Jürgen Flimm.

Jürgen Flimm.

Er war einer der ganz Großen der deutschsprachigen Kulturlandschaft: Jürgen Flimm, Intendant, Regisseur und Schauspieler. Am heutigen Sonnabend wird er in Hamelwörden beigesetzt.

Von Susanne Helfferich Samstag, 18.02.2023, 09:00 Uhr

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Zu seiner Beerdigung in Wischhafen-Hamelwörden in der Samtgemeinde Nordkehdingen werden rund 600 Gäste erwartet.

Am 17. Juli 1941 als Kind einer protestantischen Ärztefamilie in Gießen geboren, wuchs er in Köln auf, wo er auch studierte: Theaterwissenschaft, Germanistik und Soziologie. Seine Regiekarriere startete er 1968 als Assistent bei Fritz Kortner und Claus Peymann an den Münchner Kammerspielen. Als Theaterleiter verdiente er sich in Köln von 1979 bis 1985 Meriten.

Zu Hause war er im Rathshof

1985 bis 2000 war Flimm Intendant des Hamburger Thalia Theaters. Er leitete die Ruhrtriennale und die Salzburger Festspiele, von 2010 bis 2018 die Berliner Staatsoper. Er inszenierte in Wien, an der Mailänder Scala und an der Metropolitan Opera in New York. Aber zu Hause war er im Rathshof, einem denkmalgeschützten Reetdachhaus in Hamelwörden, das er liebevoll sanierte und in dem er seit 1995 mit seiner Frau Susanne Ottersbach-Flimm zunächst die Wochenenden verbrachte und die letzten Jahre fest lebte. „Hier sind meine Bücher, hier ist alles, was zu Hause ausmacht“, erzählte er vor Jahren im Gespräch.

Jürgen Flimm war ein großer Theatermann und blieb doch so nahbar. Er las in der Hamelwördener St.-Dionysius-Kirche, hielt Lobreden auf Freiburger Vereinsmeier oder war Mitglied im örtlichen Turnverein und bei den Treckerfreunden. Er war einer von ihnen in Hamelwörden - und blieb für viele im Landkreis Stade unentdeckt. Vor 14 Tagen starb er mit 81 Jahren in Hamelwörden.

Bundespräsident und -kanzler würdigen Flimm

„Jürgen Flimm war ein Großmeister des Theaters und der Oper, ein bekennender Freund des Publikums, ein leidenschaftlicher Streiter für die Kunst”, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Flimms Witwe Susanne Ottersbach-Flimm. Er habe sein künstlerisches Talent in den Dienst der Menschen gestellt. „Und er hat auch auf der Bühne des öffentlichen Lebens gewirkt. Immer wieder hat er neuen Schwung in die kulturpolitische Debatte unseres Landes gebracht”, so Steinmeier in einem am Sonntag veröffentlichten Kondolenzschreiben. Er sei Flimm freundschaftlich verbunden gewesen und habe ihn sehr verehrt. „Dem großen Theatermann gebührt zum Abschied ein letzter großer Applaus. Wir werden ihn und seine Kunst nicht vergessen.”

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte Flimm. „Ob Theater, Oper, TV oder Kino - Jürgen Flimm hat die Bühnen als Regisseur und Intendant erneuert und geprägt - in Hamburg, dem Ruhrgebiet, Salzburg, Bayreuth, Berlin”, schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. „Sein großes Herz, seine Zuversicht und sein feiner Humor werden nun fehlen.”

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sprach von „ansteckender Begeisterung” Flimms. Der Tod sei „ein großer Verlust für die Theater- und Opernwelt nicht nur im deutschsprachigen Raum”, sagte die Grünen-Politikerin nach Angaben vom Sonntag. „Sein Mut zum kreativ Neuen machten ihn über fünf Jahrzehnte zu einem unserer wichtigsten Botschafter der Opern- und Theaterkunst.” Unter seiner Regie seien viele wunderbare Inszenierungen entstanden, die von Publikum und Kritik im In- und Ausland gefeiert worden seien.

Eine große Liebe zu den Künsten

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst würdigte Flimm als „außergewöhnlichen Meister seines Fachs”. Mit seinem Wirken habe er die Theaterszene in Deutschland und Europa jahrzehntelang nachhaltig geprägt, schrieb der CDU-Politiker auf Twitter. „Seine Intendanz hat den Kölner Bühnen weit über die Landesgrenzen hinaus und bis heute währenden Glanz verliehen.”

Die Nachfolgerin Flimms als Intendantin der Ruhrtriennale 2021 bis 2023, Barbara Frey, sagte: „Jürgen Flimm besaß eine große Liebe zu den Künsten. Für mich stand er für so vieles, vor allem für das ganz große Schauspieler:innentheater.”

Berlins Kultursenator Klaus Lederer schrieb auf Twitter: „Obwohl in der ganzen Welt künstlerisch zuhause und beruflich mit vielen deutschen Bühnen verbunden, strahlte er immer das offene und humorvolle Naturell seiner rheinischen Heimat aus. Gerade sein Humor und seine Offenheit machten Jürgen Flimm in meinen ersten Jahren als Senator zu einem engen Berater und guten Freund.”

Die Festspiele Salzburg, die Flimm 2006 bis 2010 leitete, bezeichneten ihn als einen der maßgeblichsten und erfolgreichsten Regisseure und Theaterleiter. „Als Opern- und Theaterregisseur feierte er Triumphe bei Publikum und Kritik”, schrieb Intendant Markus Hinterhäuser. Als Schauspielchef setzte er Akzente mit konsequenter Nachwuchsförderung, als Intendant mit einem fein gesponnenen thematischen Gesamtkonzept. Als „Zeichen der Trauer und der Dankbarkeit” wehte eine schwarze Fahne am Festspielhaus.

Er war eine „Theaterlegende”

Der Intendant des Hamburger Thalia-Theaters, Joachim Lux, sprach von einem leidenschaftlichen Theatermenschen. „Jürgen Flimm war einer der herausragenden Intendanten der Republik, kunstsinnig, schlitzohrig und publikumsverliebt”, sagte Lux in Hamburg. Flimm stand von 1985 bis 2000 an der Spitze des Hamburger Theaters. „Er hat sich vor sein Thalia geworfen wie ein Löwe, wann immer es notwendig war, und das war nicht selten. In Köln wie in Hamburg ermöglichte er immer wieder Künstler, die seinen eigenen beträchtlichen Ruhm sogar noch überstrahlten - dazu gehört Größe.”

Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda bezeichnete Flimm als Theaterlegende. „Nicht nur das Thalia-Theater hat Jürgen Flimm geprägt. Auch als Präsident des Bühnenvereins und auf vielen Bühnen hat er mit unbändiger Kreativität und hinreißender Erzählfreude bedeutende künstlerische Spuren hinterlassen. Er wird fehlen!”, twitterte der SPD-Politiker. (dpa)

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