Rostocker Blowboys rocken die Stader Shanty-Bühnen

Pünktlich zum Auftritt der Rostocker Blowboys am Sonntag am Stadthafen kamen Sonne und Zuhörer. Foto: Knappe
Trotz höchst wechselhaften Wetters hat das 30. Stader Shanty-Festival sich einmal mehr als Publikumsmagnet für die Altstadt und den Handel bewiesen. Neben bewährter Shanty-Kost gab es auch frische Töne, die selbst Genre-Skeptiker überzeugten.
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Stade. Heike Wiktor aus Wilhelmshaven ist zu Besuch in Stade und geht mit ihrer Freundin an beiden Tagen zum Shantychor-Festival. Der niederländische Piratenchor „Doekegat Piratenkoor Uithuizemeeden“, der bereits am Sonnabend auf der Pferdemarkt-Bühne und am Stadthafen eine glorreiche Stade-Premiere feierte, gefällt Heike Weber besonders: „Die waren wirklich witzig.“
Auch der traditionelle Seemannsgottesdienst am Sonntag in der Cosmae-Kirche kam bei ihr gut an.„Ich bin sonst gar keine Kirchenbesucherin. Aber der Gottesdienst mit den Stader Hafensängern, auch die Predigt - das war gut gemacht.“
Am Sonntag erlebte die Wilhelmshavenerin am Stadthafen einen weiteren Shanty-Chor, der erstmals nach Stade gekommen war und von vielen Musikliebhabern bereits mit Spannung erwartet wurde.
Ein Triumph für Rostocks wilde Shantysänger
Die Blowboys aus Rostock sind der Shantychor mit dem geringsten Durchschnittsalter. Die sieben Männer, die teils auch Musik studiert haben, bringen es da gerade mal auf 35 Jahre - die meisten der insgesamt 16 Chöre liegen bei 60 oder 70 plus.
2015 haben sich die Blowboys zusammengetan: „Max wollte sich ein Boot kaufen und hatte uns Freunde vom Studium gefragt, ob wir mitfinanzieren können.“ Mal einen über den Durst trinken und dazu auf dem Boot was singen - da hatten sie Lust drauf. „Martin hat in der Akkordeon-Kiste seines Opas ein altes Shanty-Liederheft gefunden. So ging das los“, erzählte Blowboy Philipp Wöller.
Die Musikrichtung definierte er als „Punk Shanty“ oder „Modern Shanty“, gemixed mit Irish Folk. Ohne Schiffermützen und Einheitstracht, dafür mit Kontrabass, Klavier, Cachon, Akkordeon und Gitarre sowie vierstimmigen Satzgesang präsentierte die Gruppe traditionelle Shantys und Seemannslieder, irische und schottische Seemannslieder - das ganze verpackt in neuen und eigenen Arrangements, bis hin zum Rap.
„Die sind sehr sehr gut. Wirklich gut! Wahnsinnig sauberer A-capella-Gesang. Die Zwischenspiele: perfekt“, sagte die Staderin Angela Steuer, selbst Musikerin, die die neuen Arrangements der „Blowboys“ spannend fand.
Auch der 73-jährige Werner Wellbrock vom Neustädter Shantychor klatschte am Stadthafen begeistert und würdigte neidlos die Leistung: „Das sind tolle Jungs, die machen das richtig klasse - toll.“
Neue Chöre sollen junges Publikum ansprechen
Manfred Höftmann vom Organisationsteam des Shanty-Festivals war zufrieden mit der Festival-Resonanz, auch wenn Regenschauer zwischendurch immer wieder die Besucher verscheuchten. „Mit der modernen Art neuer Chöre wollen wir ja auch mal junge Leute ansprechen.“ Nach wie vor dominierten indes die traditionell ausgerichteten Shanty-Chöre, die treue und viele Fans haben, aber häufig unter Nachwuchssorgen leiden.
Viele Fans, aber keinen Nachwuchs: Alois Ruland und Lothar Hülsebusch vom Chor aus Timmel. Foto: Knappe
Alois Ruland (73) und Lothar Hülsebusch (70) vom Chor der Königlichen Navigationsschule Timmel in Ostfriesland räumten beide ein: „Mit dem Nachwuchs ist es schwierig, da tun wir uns schon schwer. Diese Woche haben wir unseren letzten echten Seemann im Chor beerdigt. Aber gerade an der Küste, bei Touristen, sind Shantys der absolute Renner“, erzählte Ruland.
Der Himmel weint beim Abschied der Torpids
Einer der Höhepunkte des Festivals: Die Abschiedsvorstellung der legendären Stader Coverband „Torpids“ am Sonnabend auf dem Pferdemarkt. Treue Fans kamen trotz herbstlichen Schietwetters. Aber auch die übrigen können hoffen - denn dass dies wirklich die allerletzte Vorstellung der Torpids war, glaubten wohl die wengisten.
Auf dem Platz am Sande tummelten sich etliche Interessierte - hier präsentierten sechs Autohäuser der Region neue Modelle. „Immer wenn die Sonne da ist, sind auch die Leute wieder da“, sagt Hans-Hermann Vollmers vom gleichnamigen Peugeot-Autohaus.
Die Sänger-Familien shoppen gerne in Stade
In vielen Läden der Altstadt brummte es am verkaufsoffenen Sonntag. Dass Shanty-Festvial beschert traditionell viele zusätzliche Gäste: 16 Chöre haben viele Mitglieder und die bringen in der Regel noch Familie mit.

Shanty-Fans auf dem Pferdemarkt bleiben auch im Regen sitzen - zumal, wenn der Chor aus Bisperode „La Paloma“ singt. Foto: Knappe
Uli Lennartz, Inhaber vom Modehaus Peters, war hochzufrieden, am Sonntagnachmittag war sein Laden voll, die Besucherresonanz sei „heute extrem“, freute er sich. Allerdings finden er wie auch Klaus-Daniel Ney vom Schuhhaus, dass bei den Öffnungszeiten des verkaufsoffenen Sonntags noch mal nachgebessert werden könnte.
Seit geraumer Zeit wird in Stade beim verkaufsoffenen Sonntag bereits um 12 Uhr geöffnet - es gehe aber immer erst ab 13 Uhr oder 13.30 Uhr richtig los, berichteten beide.