„Seit ich schreibe, habe ich den Platz gefunden, an dem ich glücklich bin“

Krimi-Bestsellerautorin Sophie Bonnet schreibt zurzeit an einer Biografie über die Hamburger Kaufmannsfamilie Otto Lagerfeld. Foto: Marco Grundt
Sophie Bonnet heißt im wahren Leben Heike Koschyk. 2015 erfand sie Sophie Bonnet und schrieb sich mit ihren provenzalischen Krimis regelmäßig in die Bestsellerlisten. Warum ein Pseudonym wichtig sein kann und sie eine Vielschreiberin ist, erzählt sie im Interview.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Ihr Schreibbüro ist wieder aufgeräumt, als die Autorin Sophie Bonnet TAGEBLATT-Mitarbeiter Manfred Ertel zum Gespräch empfängt. Ihr provenzalischer Ermittler hat Urlaub, sie schreibt an einer Biografie über die Kaufmannsfamilie Otto Lagerfeld – und das mal wieder unter ihrem echten Namen.
TAGEBLATT: Finden Sie Hamburg eigentlich langweilig?
Sophie Bonnet: Überhaupt nicht. Hamburg ist wunderschön, das ist die Stadt, in der ich wahnsinnig gern lebe.
Warum spielen Ihre Krimi-Bestseller dann in der Provence?
Weil das meine Seelen-Heimat ist. Wenn ich dort ankomme, blühe ich auf und kann augenblicklich entschleunigen.
Brauchten Sie solch gute Gründe, immer wieder nach Südfrankreich zu fahren, oder was war der Grund, Ihre Krimis dort anzusiedeln?
(lacht) Nein, ich kann auch in Hamburg entschleunigen. Die Provence bereise ich schon seit mehr als 25 Jahren, und von Beginn an hatte ich den Gedanken, darüber schreiben zu wollen. Diese Region ist so unglaublich vielseitig, so weit und groß, dass ich immer wieder neue Orte und Landschaften entdecke. Das ist das, was mich fasziniert. Ausgangspunkt meiner Krimis ist der Luberon mit einem fiktiven Dorf namens Sainte-Valérie, das in einer Gebirgskette liegt. Aber immer, wenn mein Ermittler das Dorf verlässt, befinden wir uns in der realen Welt. Und weil die Provence so groß und so vielfältig ist, stelle ich in jedem Buch einen anderen Teil dieser Region vor.
Ihrem Kommissar Pierre Durand sind gute Küche und guter Wein genauso wichtig wie die Ermittlungsarbeit. Was ist für Sie wichtiger: der Plot oder die Landeskunde?
Ich möchte meine Leserinnen und Leser in eine Welt mitnehmen, in der sie die Provence mit allen Sinnen genießen können. Deswegen ist beides wichtig: ein guter Krimiplot, aber genauso die Sinnlichkeit der Provence mit all ihren Gerüchen und Farben, mit dem guten Essen und der wunderschönen Landschaft. Im Grunde transportiere ich in meinen Krimis das, was ich empfinde, wenn ich in der Provence bin.
Bevor Sie anfingen zu schreiben, waren Sie in ganz anderen und unterschiedlichen Branchen unterwegs. Sind Sie ein rastloser Mensch?
Eher ein suchender. Lange Zeit hatte ich das Gefühl, meinen Platz finden zu müssen. Denn ich habe unglaublich viele Interessen und es hat mir gefallen, immer wieder neue Sachen auszuprobieren. Dabei habe ich spannende Berufe kennengelernt und ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen. Aber erst, seitdem ich schreibe, habe ich den Platz gefunden, an dem ich rundum glücklich und zufrieden bin.
Was hat Sie angetrieben, Romane zu schreiben und warum Kriminalromane?
Schon als Kind habe ich am liebsten Detektivgeschichten gelesen. Die „Fünf Freunde“ von Enid Blyton zum Beispiel. Damals habe ich schon kleine Geschichten geschrieben und davon geträumt, Schriftstellerin zu werden. Manche haben zwar gesagt, ich hätte Talent, aber ich habe es mir dann doch nicht so recht zugetraut.
Waren Ihre ersten Spannungsromane nicht erfolgreich genug, oder warum haben Sie sich als Sophie Bonnet neu erfunden?
Ich finde, dass mein richtiger Name etwas sperrig klingt. Für den Alltag ist er wunderbar, aber für ein Buch, das in der Provence spielt und diese besondere Atmosphäre transportieren soll, braucht es auch einen entsprechenden Autorennamen. Mit meinen Provence-Krimis möchte ich eine Welt erschaffen, in die die Leserinnen und Leser eintauchen können, und da passt der Name Sophie Bonnet wesentlich besser.
Ihre Krimis wären bei gleicher Qualität nur unter einem anderen Namen weniger erfolgreich?
Ich bin sicher, dass der Name Sophie Bonnet einen großen Anteil am Erfolg hat. Tatsächlich hatte ich vor vielen Jahren einen Thriller unter meinem richtigen Namen geschrieben, der in der Provence spielt. Der ist aber relativ schnell wieder aus den Regalen verschwunden. Vielleicht war es nicht der richtige Zeitpunkt. Und natürlich hat sich in den Jahren auch die Schreibqualität verbessert. Schreiben ist ja ein Handwerk. Je länger man diesen Beruf ausübt, desto besser wird man.
Was ist der Sinn eines Pseudonyms, wenn Sie doch aus Ihrer Person im wahren Leben kein Geheimnis machen?
Es geht um den ersten Griff zum Buch, da ist der Name Programm. Wie die Autorin dann mit richtigem Namen heißt, ist erst einmal uninteressant.
Warum haben Sie 2017 unter einem anderen Pseudonym, als Emma Garnier, einen Thriller geschrieben?
Von Sophie Bonnet erwartet man einen provenzalischen Krimi. Das „Grandhotel Angst“ ist ein vollkommen anderes Genre. Es ist ein historischer Thriller, fast schon ein Schauerroman, der an der ligurischen Küste spielt. Ich bin in mehreren Welten zu Hause, mich interessieren so viele verschiedene Themen, das kann ich beim Schreiben ausleben. Aber dafür braucht man unterschiedliche Namen, um niemanden zu verwirren.
Ihre Krimis landen regelmäßig in den „Spiegel“-Bestsellerlisten, und trotzdem segeln Sie in den Feuilletons und Talkshows ein bisschen unter dem Radar. Warum?
Die Krimis sind nicht literarisch genug. Ich habe trotzdem eine gute mediale Aufmerksamkeit. Vom Journalismus ist das Interesse da, aber für das Feuilleton bin ich überhaupt nicht die Richtige. Dieses hat andere Erwartungen an die Sprache und an die Inhalte, und das ist auch in Ordnung so.
Werden Krimis trotz ihrer riesigen Leserschaft unter Wert gehandelt?
Es gibt genügend Plattformen, auf denen Krimis präsentiert werden. Und wenn ein Krimiautor besonders eloquent und witzig ist, dann kommt er auch in Talkshows. Sebastian Fitzek zum Beispiel ist unglaublich sympathisch, und man muss Hochachtung davor haben, was der geleistet hat und wie viele seine Bücher lesen. Er ist seinen Büchern längst entwachsen, die Menschen nehmen ihn inzwischen auch als mediale Persönlichkeit wahr.
Ärgert Sie Ignoranz des Feuilletons oder der Talkshows trotzdem manchmal ein bisschen?
Nein, das stört mich überhaupt nicht, und ich empfinde es auch nicht als ignorant. Die Talkshows haben eben ihre eigenen Regeln. Und das große Feuilleton hat Leserinnen und Leser, die sich nicht so sehr für Krimi-Literatur interessieren. Ebenso, wie viele, die Kriminalromane lieben, kein Feuilleton lesen. Wenn manche Belletristen vielleicht nachher nicht so verkauft werden wie Krimis, sollen sie doch zumindest im Feuilleton ihre Bühne haben.
Warum sind französische Krimis seit Kommissar Maigret eigentlich so beliebt, und warum werden die erfolgreichsten ausgerechnet von Ausländern geschrieben?
Es ist eine andere Art der Betrachtung. Wir werden nicht erleben, dass französische Autoren unter deutschem Pseudonym Stuttgart-Krimis schreiben. Das ist eine typisch deutsche Eigenart, ihre Sehnsuchtsregion kriminalistisch zu verarbeiten. Im Moment ist es Frankreich. Aber nach Maigret kamen erst mal die Schweden-Krimis. Die haben vieles bei uns angestoßen, wobei die meisten düsterer und blutrünstiger sind. Mankell fand ich richtig gut, weil der mit seinem Ermittler auch eine menschliche Seite reingebracht hat.
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann auch mal Hamburg-Krimis zu schreiben?
Ich kann mir sehr viel vorstellen. Ich glaube jedoch nicht, dass ich das Krimi-Genre mit Hamburg verbinde, weil ich dabei gern sehnsuchtsgetrieben schreibe. Da passen historische Themen besser. Ich schreibe ja bereits über Hamburg und übrigens unter meinem echten Namen. In der zweibändigen Romanbiografie geht es um die Geschichte der Familie Otto Lagerfeld, bei der ich auf bislang unveröffentlichte Quellen aus dem Familienarchiv zugreifen durfte.
Ist Ihre Familie eigentlich genauso verliebt in die Provence oder erduldet die Ihren Spleen?
Zum Glück ist mein Mann genauso begeistert von der Provence wie ich. Die Kinder hatten ja am Anfang keine Chance (lacht). Irgendwann haben sie rebelliert, weil sie auch mal etwas anderes sehen wollten. Aber inzwischen fühlen sie sich dort wie zu Hause. Jetzt sind sie in dem Alter, wo sie eigentlich die Welt erobern sollten, was unter Corona ja leider nicht geht.
Wann ziehen Sie ganz in die Provence?
Am Anfang hatte ich tatsächlich die Idee, mir dort irgendwann mal ein kleines Häuschen zu kaufen. Aber in dem Moment, wenn ich dorthin ziehe, habe ich den Garten zu bestellen, das Haus zu putzen und Blumen zu wässern, den ganzen Alltag zu leben. Ich finde es viel schöner, wenn ich die Zeit dafür verwenden kann, auf Märkten zu bummeln, mich in Restaurants zu setzen und es mir einfach gutgehen zu lassen. Oder durch die Gegend zu fahren, um für den nächsten Krimi zu recherchieren. Außerdem bin ich auch ein totales Nordlicht und liebe Hamburg über alles. Diese Balance zwischen Norden und sehnsuchtsvollem Süden ist genau das, was zu meinem Leben passt.
Bitte ergänzen Sie...
In Hamburg vermisse ich aus der Provence ... die Leichtigkeit und das Licht.
In der Provence fehlt mir aus Hamburg ... die Verlässlichkeit.
Französische Küche an der Elbe finde ich ... großartig, warum nicht?
Mein Lieblingsplatz in Hamburg ist ... bestimmt an der Alster, es gib so viele.
Wenn ich nicht an einem neuen Roman schreibe ... dann schreibe ich an einem neuen Roman (lacht). Momentan arbeite ich wirklich zu viel. Darüber hinaus verbringe ich gerne Zeit mit der Familie. Und ich habe Spaß an Farben und Stoffen und an schönen Dingen, mit denen ich unsere Wohnung immer wieder neu gestalte.
Zeit für Hobbys bleibt mir ... wenig. Ich wünschte mir mehr Zeit, um das Fotografieren zu intensivieren. Das liebe ich sehr. Ich habe bis auf zwei Coverfotos sämtliche Bilder in meinem provenzalischen Kochbuch selber gemacht.
Zur Person
Sophie Bonnet heißt im wahren Leben Heike Koschyk. Geboren ist die Autorin 1967 in New York, wohin es ihre Eltern in jungen Jahren, unabhängig voneinander, verschlagen hatte. Als sie ein Jahr alt war, siedelte sie mit ihren Eltern zurück nach Hamburg und dann nach Travemünde. Nach dem Abitur war es ihr dort schnell zu eng. „Das war jetzt nicht der Nabel der Welt, für Jugendliche war das damals ein bisschen traurig“, sagt sie. Deshalb ging sie nach München und studierte Germanistik und Sinologie.
Beruflich war sie vielseitig. Eigentlich wollte sie mal Auslandskorrespondentin in China werden. Stattdessen führte sie 15 Jahre lang eine Modeagentur für „Young Fashion“-Unternehmen. Mitte der Neunziger kam sie nach Hamburg und betrieb hier viele Jahre eine Praxis für Naturheilkunde. Schreiben war jedoch immer ihr Wunsch. Die ersten Romane, Thriller und Biografien erschienen ab 2002 noch unter ihrem eigenen Namen. 2015 erfand sie Sophie Bonnet und schrieb sich mit ihren provenzalischen Krimis regelmäßig in die Bestsellerlisten. Ihr neuester, zugleich Band 8, erschien im Mai: „Provenzalischer Sturm“.
Zu Hause ist Koschyk im Hamburger Stadtteil Groß Borstel, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kindern im Teenager-Alter lebt.