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Fundstücke

Seltene Einschläge: Ist der Norden eine Meteoriten-Hochburg?

Wilfried Labusch aus Elmshorn hält vor seinem Haus einen kleinen Meteoriten, der niedergegangen ist.

Wilfried Labusch aus Elmshorn hält vor seinem Haus einen kleinen Meteoriten, der niedergegangen ist. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Gleich drei Meteoriteneinschläge wurden in Schleswig-Holstein seit 1962 beobachtet. Nur Zufall? Oder aber auch eine Gefahr? Die Antworten.

Von André Klohn, dpa Sonntag, 21.04.2024, 18:05 Uhr

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Hamburg. Bruchstücke von Meteoriten haben gleich zwei Hausdächer im schleswig-holsteinischen Elmshorn am 25. April vergangenen Jahres getroffen. Ein weiterer, knapp 3,5 Kilogramm schwerer Brocken schlug auf einer Rasenfläche ein. Die Ereignisse nordwestlich von Hamburg machten bundesweit Schlagzeilen. „Der Fund war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich“, sagte der Meteoritenexperte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Dieter Heinlein. „Normalerweise beobachten, filmen oder fotografieren wir solche Feuerkugeln und müssen die Meteoriten hinterher mühsam suchen.“ Das kann Wochen dauern.

An jenem Tag vor einem Jahr leuchtete gegen 14.00 Uhr eine Feuerkugel über Schleswig-Holstein auf. Kurz darauf entdeckten Einwohner Einschläge auf Dächern und in Gärten und fanden Meteoritenstücke von einigen Hundert Gramm bis mehrere Kilogramm Gewicht. Einige Fundstücke stellten Finder Wissenschaftlern zur Untersuchung zur Verfügung. Es war nicht das erste Mal, dass in Schleswig-Holstein ein Meteoriteneinschlag beobachtet wurde.

Meteoriten-Einschläge: Wie häufig es Gebäude trifft

Gebäudetreffer seien selten, sagte Heinlein. „Man kann es nur als Zufall bezeichnen, dass 1962 auch im April in Kiel ein Meteorit ebenfalls in ein Hausdach eingeschlagen hat.“ Das Blechdach habe dieser damals gewaltig deformiert. „Alle 50 Jahre kann so was schon mal passieren.“ In ganz Deutschland habe es in den vergangenen Jahrhunderten 33 beobachtete Meteoriteneinschläge gegeben. Hinzu seien etwa 20 Zufallsfunde von Meteoriten gekommen. „Es ist überschaubar, was aus dem Himmel auf die Erde fällt und dann in Deutschland landet.“

Fundstücke aus Elmshorn untersucht das Institut für Planetologie der Universität Münster. Die dortigen Wissenschaftler gelangten bereits vergangenes Jahr zu der Erkenntnis, dass es sich um einen Gesteinsbrocken aus dem All, genauer einen gewöhnlichen Chondriten des Typen H handelt, wie Planetologe Markus Patzek sagte. „Mittlerweile hat sich das Bild verfestigt.“ Diese Gruppe der Meteoriten habe einen höheren Anteil an Metall als andere sogenannte gewöhnliche Chondrite. Er habe jedoch verschiedene Bestandteile. Der Elmshorner Meteorit weise eine sogenannte Brekziierung auf. Das bedeute, er sei nach vorherigen Kollisionen mechanisch mit anderen Bestandteilen vermischt worden.

Sensationsfund ist 4,5 Milliarden Jahre alt

Der Meteorit stammt aus der Frühzeit des Sonnensystems vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. „Der zwischen Mars und Jupiter verlaufende Asteroidengürtel und vor allem die Meteoriten aus diesem Bereich könnte man als eine Art Zeitkapsel bezeichnen, die uns die Möglichkeit gibt, Zustände aus den Anfängen des Sonnensystems zu studieren“, sagte Patzek. Der Elmshorner Meteorit bestehe aus übrig gebliebenen Teilen jener Masse, aus der sich später die Planeten gebildet hätten. Aus wissenschaftlicher Sicht sei der Fund interessant, weil der Meteorit einige Eigenschaften aufweise, die in den bisher bekannten Meteoritengruppen nicht so häufig zu beobachten seien.

Wissenschaftlich noch interessanter ist aber ein Fund weiter nördlich. Am 12. September 2019 versetzte ein Feuerball am Himmel, begleitet von einem Knall, Menschen in Flensburg in Staunen. Bei Eintritt in die Erdatmosphäre verglühte ein Meteorit teilweise. Einen Tag später entdeckte ein Flensburger jedoch einen 24,5 Gramm schweren schwarzen Stein auf dem Rasen seines Gartens. Der liegt mittlerweile im Institut in Münster.

„Es handelt sich um den bislang wissenschaftlich bedeutsamsten Fund in Deutschland“, sagte Forscher Patzek. „Dieser Meteorit gehört zu keiner Gruppe, das macht ihn so besonders.“ Er sei bereits etwa 2,6 Millionen Jahre nach Beginn des Sonnensystems entstanden und sehr wasserhaltig. Früheren Angaben der Hochschule zufolge handelte es sich um den ersten Meteoriteneinschlag in Deutschland, der bewies, dass im frühen Sonnensystem bereits kleine Körper existiert haben müssen, auf denen es flüssiges Wasser gab.

Auch vom Kieler Meteoriten von 1962 sind kleinere Stücke an Forschungsinstitute gegangen. Den Meteoriten können sich Interessierte im Museum der dortigen Christian-Albrechts-Universität ansehen. Und die Funde aus Elmshorn? Der Finder des größten Gesteinsbrockens aus dem All erhielt später nach Medienberichten von Sammlern Angebote im sechsstelligen Euro-Bereich und verhandelte mit einem Hamburger Museum.

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