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Kunst

So schmeckt Schweden – Ausstellung und Kuchentafel im Schloss Agathenburg

Ein Glas Lebenselixier abzapfen: Konzeptkünstlerin Frenzy Höhne fordert mit ihren Werken immer wieder zur Interaktion auf. Foto: Weselmann

Ein Glas Lebenselixier abzapfen: Konzeptkünstlerin Frenzy Höhne fordert mit ihren Werken immer wieder zur Interaktion auf. Foto: Weselmann

Mit der aktuellen Ausstellung hat das Schloss Agathenburg zeitgenössische Werke rund um das Thema Essen versammelt. Dabei kommt entlarvende Gesellschaftskritik auf den Tisch und Süßigkeiten werden zum Werkstoff transformiert.

Von Fenna Weselmann Freitag, 26.05.2023, 10:30 Uhr

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Wer heute durch die Räume geht, kann sich nur schwer vorstellen, wie das alltägliche Leben auf Schloss Agathenburg in früherer Zeit vonstattengegangen ist. So wird erzählt, dass die letzte Schloss-Besitzerin, Sophie zum Felde, im Untergeschoss immer einen Tisch für mindestens 24 Gäste gedeckt hielt - für den Fall, dass hoher Besuch ins Haus stand. Jenseits dieser Anekdote sind üppige Bankette an langen Tafeln ein Sinnbild für herrschaftliches Schlossleben.

Nicht zuletzt deshalb wurde Frenzy Höhnes gedeckter Tisch zur Initialzündung für die aktuell noch bis einschließlich Pfingsten laufende Ausstellung zeitgenössischer Kunst unter dem Titel „À Table!“. Mit ihrer prunkvollen Tafel serviert sie ein buntes Potpourri an Sinnsprüchen und Lebensweisheiten á la Poesiealbum, die in goldenen Lettern das Porzellan zieren. Wie Gesprächsfäden innerhalb einer Tischgesellschaft treten diese in mehrdeutige Zwiesprache und setzen so einen Austausch von Gedanken in Gang. Die Leipziger Künstlerin nimmt mit ihren Werken auf humorvolle, zuweilen ironische Art Traditionen, Werte und Bedürfnisse unseres gesellschaftlichen Lebens in den Blick und hinterfragt deren Sinnhaftigkeit.

Konzeptkünstlerin fordert zur Interaktion auf

Dabei fordert sie immer wieder zur Interaktion auf. So konnten Gäste der Vernissage, sich bei ihrem an Huxleys Roman „Schöne neue Welt“ angelehnten Werk „Soma Soma“ ganz nach eigenem Belieben ein Glas voll „Vergnügen“, „Lust“, „Ehrgeiz“ oder „Sinn“ abzapfen. Welchem Lebenselixier das Publikum bei der Eröffnung am häufigsten den Vorzug gab, zeigen nun die Füllstände in den jeweiligen Flaschen.

Die gebürtig aus Russland stammende Anna Bart nimmt gerne Alltagsgegenstände - darunter auch Essensverpackungen und -reste - zum Ausgangspunkt ihrer Arbeiten. Neben einem bunten Donut zeigt die in Bremen lebende Künstlerin eine extra für die Ausstellung geschaffene Malerei-Installation. Dafür hat sie lebensgroße Wohnsituationen auf transparenten Architekturpapier-Bahnen visualisiert, die von der Decke hängen und wie Räume durchlaufen werden können. Inspiriert ist ihre Raumkunst von der traditionellen japanischen Malerei auf Schiebetüren, mit der sie sich während ihres Studienaufenthalts in Japan beschäftigt hat. „Mich interessiert die Vergänglichkeit in Bezug auf Stillleben und eben auch ganzes Rauminterieur“, sagt sie. Ihre Arbeit lässt nicht nur den gesamten Malprozess durchscheinen. Sie spiegelt Räume, in denen sie tatsächlich eine Zeit lang gelebt hat, und spielt auf diese Weise auch mit ihrer eigenen Bewegung zwischen verschiedenen Kulturen.

Anneke Kleimann macht Zuckermasse zum skulpturalen Werkstoff und übersetzt erinnerungsträchtige Süßigkeiten in gigantische Ausmaße. Foto: Weselmann

Anneke Kleimann macht Zuckermasse zum skulpturalen Werkstoff und übersetzt erinnerungsträchtige Süßigkeiten in gigantische Ausmaße. Foto: Weselmann

Ebenfalls mitten im Raum hängt Anneke Kleimanns überdimensionale Zuckerkette, die bei vielen Betrachtern sicher sofort Kindheitserinnerungen weckt. Tatsächlich bilden ihre aufgereihten Perlen und auf dem Boden drapierten Marshmallowformen nicht nur in gigantische Ausmaße übersetzte Süßigkeiten ab, sie sind wirklich aus einer Schaumzuckermasse kreiert. Bei der Berliner Künstlerin wird Zucker zum skulpturalen Werkstoff. So hat sie auch kiloweise Lakritzschnecken zu einem Werk gewebt und die Süßigkeit zu etwas ganz Neuem transformiert. Die süßen Sachen bleiben nicht nur in den Köpfen hängen. „Die Zuckermasse bleibt in Form und Aussehen erhalten, das Material wird zum Fossil seiner selbst, obwohl es eigentlich flüchtig ist“, so Kleimann.

Zusammen mit der Installation des israelischen Künstlers Nir N. Alon, der Tisch und Stühle ihrer normalen Standfestigkeit und heimeligen Wirkung enthebt, eröffnet das Schloss einen spannungsvollen Blick in die zeitgenössische Kunst.

Anna Bart hat für das Schloss eine begehbare Malerei-Installation geschaffen, die die Vergänglichkeit von Lebenssituationen sichtbar macht. Foto: Weselmann

Anna Bart hat für das Schloss eine begehbare Malerei-Installation geschaffen, die die Vergänglichkeit von Lebenssituationen sichtbar macht. Foto: Weselmann

Abschlussprogramm der Ausstellung

Zum Abschluss von „À Table!“ lädt das Schloss Agathenburg am Pfingstmontag, 29. Mai, um 15 Uhr zu einer schwedischen Kuchentafel ein. An einem langen Tisch im Freien serviert das Schlossteam fünf landestypische Gebäckspezialitäten. Zu Zimtschnecke, Haferkeks, Schokobollar, Kladdkaka und Mandeltårta vom Café Saltkråkan gibt es Kaffee und Apfelsaft satt. Für das richtige Schwedenfeeling bei der „Fika“ bietet der Kleine Hofladen ein Kränzebinden an.

Mit Schweden verbindet Schloss Agathenburg eine lange Geschichte: Es stammt aus einer Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, während der der Elbe-Weser-Raum siebzig Jahre lang ein Teil Schwedens war. Jeweils zwei Erwachsene und zwei Kinder ab drei Jahren zahlen mit einem Familienticket 60 Euro. Für Kinder unter drei, die sich mit „Schoßplatz“ und „Räuberteller“ begnügen, ist der Eintritt frei. Plätze kosten regulär 24,50 Euro pro Person und für Kinder ab drei Jahren 14,50 Euro. Die Ausstellung ist für alle Tafelgäste exklusiv geöffnet. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung in den Pferdestall verlegt. Wegen des Events bleibt das Schloss mitsamt Museum und Café am Pfingstmontag für alle anderen geschlossen.

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