St. Pauli hilft mit Schützenfest dem HSV

Kollektiver Jubel: Das 5:1 wirkte beim FC St. Pauli wie ein Befreiungsschlag. Foto: dpa
Der FC St. Pauli verhindert beim 5:1 den Sprung von Holstein Kiel vor den Hamburger Stadtrivalen. HSV-Vorstand Jonas Boldt holt nach dem 1:2 in Elversberg zum Rundumschlag aus.
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(Update um 18 Uhr)
Der FC St. Pauli hat sich aus der zweiten Reihe aus seiner heimischen Torkrise in der 2. Fußball-Bundesliga geschossen. Beim 5:1 (3:1) gegen Holstein Kiel trafen die Hamburger viermal traumhaft. Connor Metcalfe (4.) mit einem Schuss aus mehr als 25 Metern in den Winkel und Eric Smith (7.) mit einem Freistoß aus etwa der gleichen Entfernung ebenfalls in den Winkel sorgten schon früh für eine klare Führung vor 29.546 Zuschauern.
Lars Ritzka (70.) und Marcel Hartel (90.+4) legten später ebenfalls noch aus größerer Distanz nach. Nur Oladapo Afolayan (38.) stand im Strafraum, als er zum 3:0 traf. Der Kieler Treffer durch Lewis Holtby (50.) war nur ein Schönheitsfehler in der St. Pauli-Bilanz eines spektakulären Sonntagnachmittags.
FC St. Pauli beendet Flaute
"Bis auf Connor kamen alle frei zum Schuss. Und da traue ich meinen Jungs zu, dass sie aus 16, 18, 20 Metern treffen. Das haben sie sehr, sehr gut gemacht", sagte Trainer Fabian Hürzeler, ein Freund des gepflegten Offensiv- und Kombinationsspiels bis in den gegnerischen Strafraum. "Wenn sie die Tore so schießen, nehme ich sie auch. Sobald es ein Tor ist, bin ich mit ihnen zufrieden und nörgel nicht", sagte der 30-Jährige schmunzelnd.
Mit dem Fernschuss-Festival beendeten die Hamburger auch ihre Flaute am Millerntor. Zweimal hatten sie in dieser Saison im heimischen Stadion 0:0 gespielt. Beim dritten Versuch brachen sie nun endlich den Bann. "Wir haben heute eine Effizient gezeigt, die wir in den ersten Spielen haben vermissen lassen", meinte Hürzeler.
"Das war ein Brustlöser", sagte der Ex-Kieler Hauke Wahl erleichtert. Marcel Hartel stellte zufrieden fest: "Wir wollten zeigen, dass wir auch gewinnen mit dem guten Fußball, den wir spielen können." Nebenbei gehört die Serie von vier Remis nacheinander nun der Statistik-Geschichte an.
Kiezkicker stehen auf dem sechsten Tabellenplatz
Der FC St. Pauli schaffte mit dem zweiten Saisonerfolg auch den Anschluss an die obere Tabellenregion und ist mit zehn Punkten Sechster. Gegen die Kieler war der Ausfall des noch längere Zeit verletzten Kapitäns Jackson Irvine kaum zu spüren. Sein australischer Landsmann Connor Metcalfe ersetzte ihn im Mittelfeld bestens.
Insgesamt waren die Gastgeber vor 29.456 Zuschauer den Kielern in fast allen Belangen überlegen. Holstein hätte mit einem Sieg auf dem Kiez die Tabellenführung holen können. Nach acht Minuten war das aber so gut wie hinfällig. "Ich glaube, es ist keine neue Weisheit, dass Tore einem Spiel eine gewisse Richtung geben", meinte Kiels Trainer Marcel Rapp. "Das Spiel geht los. Und nach acht Minuten hat Pauli zweimal aufs Tor geschossen und zweimal ist der Ball im Winkel."
Es sei schwer gewesen, dem Gegner Paroli zu bieten, räumte er. "Wir müssen mit uns kritisch sein. Warum sind die Räume dazwischen so frei? Warum sind wir im Ballbesitz gerade zu Beginn nicht so gut? Warum kommen wir aus dem Gegendruck nicht raus?", sagte er. Das seien die Dinge, die von Montag an besprochen und besser gemacht werden müssen. Immerhin: Der Saisonstart ist trotz der Niederlage geglückt. Die Kieler stehen nach sechs Spieltagen hinter Fortuna Düsseldorf und den Hamburger SV auf Platz drei.
Nach Sturz von Tabellenspitze: HSV-Boss pestet gegen Schiedsrichter
Trainer Tim Walter mochte über den Schiedsrichter nichts sagen. Er hatte genug damit zu tun, das 1:2 seines Hamburger SV in der 2. Fußball-Bundesliga beim Aufsteiger SV Elversberg zu erklären. „Grundsätzlich liegt mir das fern, Schiedsrichter zu beurteilen. Das machen andere bei uns im Verein“, sagte der 47-Jährige am Sonnabend nach dem Spiel in der saarländischen Provinz.

HSV-Vorstand Jonas Boldt kritisiert die Schiedsrichter-Ausbildung in Deutschland. Foto: dpa
Also übernahm HSV-Sportvorstand Jonas Boldt die Rolle des Chef-Kritikers des Referees. Er redete gewohnt ruhig. Doch aus seinen Worten war deutlich zu hören, wie sehr er sich über die Leistung des erst 28 Jahre alten Patrick Schwengers ärgerte.
Zwei Tore hatte der aus Travemünde stammende Schiedsrichter in der Anfangsphase den Hamburgern jeweils nach Videobeweis verwehrt. Erst ein Treffer von Robert Glatzel (3.) wegen Abseits - zu Recht. Dann der vermeintliche Ausgleich von Jean-Luc Dompé (18.) wegen eines vorausgegangenen angeblichen Foulspiels von Ludovit Reis.
1:2 in Elversberg: Was HSV-Vorstand Jonas Boldt so aufregte
Vor allem letztere Entscheidung regte Boldt auf. „Das hat nichts mehr mit Fußball zu tun, wenn du nur etwas mit der Lupe suchst“, kritisierte er. Und dann wurde Boldt grundsätzlich. „Ich habe das Gefühl, wir bilden nur noch aus, wie wir irgendwelche Szenen im Standbild bewerten und nicht wie eine Spielleitung funktioniert“, sagte er. Er habe das schon mehrfach angesprochen. „Das ist ein junger Schiedsrichter, der sicherlich auch Unterstützung braucht bei so was“, meinte er weiter. „Ich hoffe, er bekommt sie. Er macht das ja nicht absichtlich.“
Zum Schuldigen für die unerwartete Niederlage und den Verlust der Tabellenführung wollte Boldt den Schiedsrichter aber nicht machen. Wie schon in der vergangenen Saison ließen die Hamburger bei einem Aufsteiger Punkte liegen. Nur in wenigen Phasen hatte der HSV in Elversberg an die meist starken Leistungen aus den bisherigen fünf Spielen anknüpfen können.
HSV-Leistungsträger schwach: Bénes ausgewechselt, Jatta unglücklich
Der bislang überragende Mittelfeldspieler László Bénes wurde zur Halbzeit ausgewechselt. Aus Leistungsgründen, wie Walter betonte. Der zuletzt überzeugende Stürmer Bakery Jatta agierte unglücklich. Der ebenfalls in den vergangenen Spielen sichere Innenverteidiger Dennis Hadzikadunic machte durch einen haarsträubenden Fehler das 0:1 durch Jannik Rochelt (9.) möglich. „Das darf uns nicht passieren“, sagte Walter.
Und zu allem Überfluss musste Linksverteidiger Miro Muheim in der 50. Minute verletzt vom Spielfeld. Am Ende reichte der Anschlusstreffer durch Moritz Heyer (89.) nicht mehr, um doch noch einen Punkt zu holen und sich für alle Bemühungen zu belohnen.
Kapitän Sebastian Schonlau sah eine Folgewirkung für sein Team vor allem durch die zurückgenommenen Treffer in den ersten 18 Minuten. „Wir haben nach den beiden aberkannten Toren den Faden verloren, wollten es zu sehr erzwingen“, sagte er. Er räumte aber auch ein: „Wir haben am Ende des Tages nicht so gespielt, wie wir es spielen wollten.“
Hat der HSV Aufsteiger Elversberg unterschätzt?
Dass seine Mannschaft den Gegner unterschätzt habe, wies Walter weit von sich. Das sei überhaupt nicht ihre Art und Weise. „Wir sind sehr, sehr bodenständig. Und wir wissen einfach, dass der HSV ein großer Club ist. Überall, wo der HSV hinkommt, investieren die Vereine vielleicht noch mal 20, 30 Prozent mehr“, meinte er. „Das ist einfach so, dessen sind wir uns bewusst.“
Die Chance zur Wiedergutmachung in einer ähnlichen Konstellation kommt schnell. Bereits am Freitag (18.30 Uhr/Sky) treffen die Hamburger auf den VfL Osnabrück: erneut ein Aufsteiger, erneut auswärts. Es kann nur besser werden. (dpa)