Stades Vergangenheit birgt unschöne Kapitel

Bernhard Homa, Frank Auf dem Felde und Mirko Rechnitzer (von links) gehören zu den Autoren des Stader Jahrbuchs. Foto: Vasel
Stades Vergangenheit hat viele Facetten. Ein Baumeister in Stade errichtete einst viele Prachtbauten. Ein weniger prunkvolles Kapitel: Stade war offenbar Reiseziel von Alt-Nazis in der jungen Bundesrepublik. Das neue Jahrbuch bringt all das zusammen.
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Druckfrisch auf dem Markt: Auf 128 Seiten lädt das neue Jahrbuch des Stader Heimat- und Geschichtsvereins zu einer Zeitreise ein – vom Mittelalter bis in die Neuzeit. „Die Lektüre lohnt sich“, betonte die Leiterin des Staatsarchivs, Dr. Gudrun Fiedler, bei der Vorstellung.
Beleuchtet wird das Leben und Wirken zweier Männer, eines großen Baumeisters aus der Schwedenzeit und eines verbrecherischen SS-Obergruppenführers. Weitere Themen: Musikgeschichte anhand alter Handschriften und Rechtsgeschichte des Landes Kehdingen in der Schwedenzeit. Hinzu kommen Buchbesprechungen. Das Jahrbuch ist für 15 Euro im Buchhandel erhältlich.
Ein Stader Baumeister betreute den Festungsbau
Der Heimatpfleger von Osten, Frank Auf dem Felde, widmet sich in seinem Aufsatz dem Schaffen des Stader Baumeisters Anthon Dreyer. Dieser war Staatsbau- und -maurermeister im Herzogtum Bremen-Verden und in dieser Funktion nicht nur für den Festungsbau verantwortlich. Er war auch am Bau des Stader Zeughauses beteiligt. Damit nicht genug, er war auch Kirchenbaumeister. So wird die 1700 erbaute St.-Martini-Kirche in Estebrügge ihm zugerechnet, am 25. Juli 1728 starb Dreyer – auf der Baustelle der Kirche in Neuhaus Oste.

Die kolorierte Handzeichnung von Baumeister Anthon Dreyer zeigt eine Teilansicht des in den Jahren 1697 bis 1699 im Auftrag der Schweden errichteten Stader Zeughauses. Foto: NLS ST, Karten Neu Nr. 14010
Ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte beleuchtet Historiker Dr. Bernhard Homa anhand der Akten zum Entnazifizierungsverfahren des ehemaligen Leiters des SS-Hauptamtes und SS-Obergruppenführers Gottlob Berger. Der war noch in dem „Wilhelmstraßen-Prozess“ zu 25 Jahren Haft verurteilt, aber bereits 1951 entlassen worden. Berger reiste 1952 aus dem heutigen Baden-Württemberg nach Stade, um sich einen „Persilschein“ ausstellen zu lassen. Das gelang. Der Hauptentnazifizierungsausschuss Stade stufte ihn, auf Grundlage seiner eigenen Angaben, als unbelastet ein. Stade war offenbar Reiseziel von Alt-Nazis in der jungen Bundesrepublik. Hier war es, kurz vor dem Ende der Verfahren, für Kriegsverbrecher leichter, wieder an eine Pension zu kommen. Im Fall Bergers misslang das, das Land Baden-Württemberg stellte sich quer.
Weitere Forschung bei Entnazifizierung nötig
Homa mahnt weitere Forschung an, das Thema der Entnazifizierung sei noch nicht auserforscht. Das gelte insbesondere für die späte Phase, als die bürgerlichen, konservativen Kräfte in den Spruchausschüssen wieder das Sagen hatten.
Rechtsgeschichte ist oftmals eine trockene Angelegenheit, nicht jedoch bei dem Juristen Alexander Ludwig. Er widmet sich dem Landrecht von 1662, das Land Kehdingen war damals eine Landesgemeinde, eine bäuerliche Kommune, die der Fürstenherrschaft teilweise entzogen war. Wie wichtig Recycling liturgischer Bücher für die Musikgeschichte des Mittelalters ist, das zeigt das wissenschaftliche „Puzzeln“ von Mirko Rechnitzer.
Die Stader Jahrbücher sind mittlerweile digitalisiert. Weitere Reiseführer durch die Geschichte: www.stader-geschichts-und-heimatverein.de