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IMF

Streicher und Pianist spielen mit der Energie einer Rockband

Das Streichquartett der Berliner Philharmoniker interpretierte Dvorak energiegeladen und facettenreich zum Einstieg in das IMF Buxtehude. Das Publikum feierte das Zusammenspiel mit Haiou Zhang am Bechsteinflügel mit Standing Ovations. Fotos

Das Streichquartett der Berliner Philharmoniker interpretierte Dvorak energiegeladen und facettenreich zum Einstieg in das IMF Buxtehude. Das Publikum feierte das Zusammenspiel mit Haiou Zhang am Bechsteinflügel mit Standing Ovations. Fotos

Für Buxtehude war es am Sonnabend der Einstieg in das International Music Festival (IMF) - energiegeladen, kraftvoll und angefüllt mit leise-süßen spätromantischen Klängen zugleich. Und alles auf einem Niveau, wie es besser nicht hätte sein können.

Von Harald Winter Montag, 29.08.2022, 10:30 Uhr

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Das „Philharmonische Streichquartett der Berliner Philharmoniker“ und Haiou Zhang am Bechsteinflügel hießen die hochkarätigen Künstler des Abends, die - alle mehrfach ausgezeichnet - gemeinsam ausschließlich Dvorak interpretierten und sich dabei auf die für dieses Genre geradezu ideale Akustik der gastgebenden St.-Paulus-Kirche in Buxtehude stützen konnten.

Die sehr komplexe Musik des böhmischen Meisters und Metzgerssohns klang im fast voll besetzten Gotteshaus wohlig-warm und sehr direkt. Wie im Wohnzimmer, auch die leisesten Töne blieben noch überall präsent, intoniert von lauter jungen Leuten, von denen der Pianist und künstlerische Mastermind des IMF in seinen Mittdreißigern noch der Älteste war. Energie und jugendliches Feuer waren also garantiert - und kamen auch: In manchen Momenten hatte man fast den Eindruck, es mit einer Rockband zu tun zu haben - so sehr unterschieden sie sich zum Beispiel in ihren schwungvollen Bewegungen von würdevoll streichenden Damen und Herren früherer Zeiten.

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Doch alles hatte seinen musikalischen Grund, nichts war Show: Eindrucksvoll bewiesen sie, dass sie in Melodie, Klang und Rhythmus alle Facetten beherrschen und wohldosiert einsetzen. Ohne Wenn und Aber.

Vom Energieniveau her gibt es wohl kaum eine derart kompakt und konsonant klingende Interpretation von Dvoraks Streichquartett op.106, die den Grund ihrer Komposition, nämlich die Freude Dvoraks über die Rückkehr aus den Vereinigten Staaten in die Heimat überzeugender darstellt, die es in ihrem Kontrastreichtum dank entschlossener und facettenreich gestalteter Dynamik (Arbeit mit laut und leise) im ersten Satz so überzeugend strahlen ließ.

Turbulentes Zusammenspiel mit Haiou Zhang

Gleich danach im zweiten Satz der eher leisen Töne, auf das Wesentliche reduziert, konnte man die Sehnsucht des Meisters nach der Heimat in seinen berühmten Geigenmelodien des langsameren Adagios praktisch mitfühlen, dank der herausragenden Intonation und Gestaltung der melodischen Spannungsbögen sowie der Tonfärbung von warm bis glasklar.

Vollständig turbulent wurde es dann in der Interpretation des Klavierquintetts op.81: Haiou Zhang kam hinzu und ergänzte das Streichquartett um Helena Madoka Berg (Violine), Dorian Xhoxhi (Violine), Kyoungmin Park (Viola), Christoph Heesch (Cello). Aber nicht das war der Hauptgrund für die Turbulenzen - er lag vor allem im überbordenden klanglichen Reichtum dieses Werks, gegen das sich die Komposition vor der Pause eher als „altersweise“ ausnimmt.

Standing Ovations und eine unspielbare Zugabe

Dennoch: Ein wunderbares Zusammenspiel begann, reichhaltig an Höhepunkten - die nun entstehende Energie war nicht mehr zu bremsen. In rhythmisch dominierten Passagen dieser herausragenden Interpretation entstand das Gefühl, man müsse das Dach festhalten und es schien die in sich perfekt geschlossen spielenden Musikerinnen und Musiker selbst von den Stühlen zu heben.

Verständlich, dass danach nichts anderes möglich ist als „standing ovations“ . Und weil das Publikum damit nicht aufhörte, gab Haiou Zhang noch eine Zugabe aus der Schublade „Unglaubliches“: Die olympische Bearbeitung eines Themas aus der „Fledermaus“ von Alfred Grünberg, einem selbsterklärten besten Virtuosen Wiens vor dem Ersten Weltkrieg, mit allem drin, was bisher als unspielbar galt - wow!

Einhellige Begeisterung und Anerkennung des Publikums darüber, welche Qualitäten Buxtehude damit geboten werden - mit Ausstrahlung: So war zum Beispiel Mr. Baker, ein begeisterter Fan Haiou Zhangs, extra aus Philadelphia eingeflogen, um das Konzert zu besuchen. Intendant Dieter Klar hatte in seiner kurzen Eingangsrede darauf hingewiesen, dass dies nur möglich sei durch die ehrenamtliche Mitarbeit vieler Engagierter im Kulturforum und das Engagement der Sponsoren.

Haiou Zhang beglückte das Publikum mit einer Zugabe aus der Virtuosen-Kategorie „eigentlich unspielbar“.

Haiou Zhang beglückte das Publikum mit einer Zugabe aus der Virtuosen-Kategorie „eigentlich unspielbar“.

Streicher und Pianist spielen mit der Energie einer Rockband

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