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40. Todestag

Von HSV-Hooligans tot geprügelt – Gedenken an Adrian Maleika

Bei einem Europapokalspiel kurz nach dem Tod von Adrian Maleika im Oktober 1982 zeigten Bremer Fans ihre Anteilnahme. Foto: Schilling/dpa

Bei einem Europapokalspiel kurz nach dem Tod von Adrian Maleika im Oktober 1982 zeigten Bremer Fans ihre Anteilnahme. Foto: Schilling/dpa

Vor 40 Jahren starb der 16 Jahre alte Werder-Fan nach einem Angriff von HSV-Hooligans. Von den Tätern fehlt bis heute jede Spur.

Sonntag, 16.10.2022, 11:44 Uhr

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Von Harald Pistorius

Adrian Maleika ist nicht vergessen. Am Montag jährt sich der Tod des jungen Fans von Werder Bremen zum 40. Mal. Der 16-Jährige wurde vor einem Spiel der Bremer beim Hamburger SV von HSV-Hooligans tödlich verletzt. Er war das erste Opfer bei Fußball-Krawallen in Deutschland. Das war der Tiefpunkt einer Ära, in der einige Fans der perversen Lust an der Gewalt verfielen.

Adrian gehörte nicht zu dieser Szene. Im Bremer Fanclub „Die Treuen“ hatte der Sohn einer schlesischen Spätaussiedler-Familie eine Gemeinschaft gefunden, mit der er seine Leidenschaft für Werder teilen konnte. Er war kein Gewalttäter; Freunde beschrieben ihn als ruhig und zurückhaltend.

Tod von Adrian Maleika -Was am 16. Oktober 1982 geschah

Als „Die Treuen“ am 16. Oktober 1982 mit dem Zug nach Hamburg aufbrachen, war Adrian dabei - seine Jeans-Jacke mit der Werder-Raute und vielen Aufnähern, die für Fans damals typische Kutte, hatte er zu Hause gelassen. Er wollte nicht auffallen als Werder-Fan, weil er wusste, wie gefährlich das sein konnte. Er hatte Angst.

So wie ihm ging es vielen Stadionbesuchern. Anfang der siebziger Jahre hatte sich die Spirale der Gewalt in Bewegung gesetzt, seitdem häuften sich die Prügeleien. Wer den wilden, lauten und besoffenen Horden begegnet, wechselte die Straßenseite - oder blieb zu Hause. Angst vor Ausschreitungen war ein Hauptgrund für den Zuschauerschwund jener Jahre. Die Schläger organisierten sich in eigenen Fanclubs, deren Namen berüchtigt waren: Die „Roten Wölfe“ in Hannover, die „Gelsenszene“ auf Schalke, die Hertha-„Frösche“ oder die „Borussenfront“ aus Dortmund waren auch Anziehungspunkte für Rocker, Skinheads und Neonazis.

Wie die „Löwen“ aus Hamburg-Barmbek. 70 gewaltbereite, teilweise vorbestrafte Mitglieder, viele mit rechtsradikaler Haltung. Sie überfielen „Die Treuen“ vor dem Volksparkstadion; es flogen Steine, Leuchtmunition wurde auf die Bremer abgefeuert, Polizei war nicht in der Nähe. Adrian suchte in einem Gebüsch Schutz, wurde dort von einem Mauerstein am Hinterkopf getroffen. Als er besinnungslos am Boden lag, traten mehrere „Löwen“ auf den Jungen ein, in der Nacht des 17. Oktober 1982 verstarb Adrian Maleika im Krankenhaus.

Fan-Arbeit gab es damals in den Vereinen nicht

Fassungslos und ratlos standen Vereine, Polizei und Öffentlichkeit dem Phänomen gegenüber. Nur wenige hatte sich mit den Ursachen der Gewalt beschäftigt, niemand stellte sich rassistischen, antisemitischen, homophoben Rufen entgegen. DFB und Vereine verwiesen auf die Polizei, die mit Härte und Repression reagierte.

Vor allem aber spielten die Fans in den Vereinen keine Rolle. Fanbeauftragte? Fanbetreuer? Fan-Dialog? Nichts. Das änderte sich - so bitter das klingt - nach dem Tod von Adrian Maleika. Fangewalt wurde ein Medienthema, zu dem auch Wissenschaftler gehört wurden, die nach den Ursachen forschten. Jugendarbeitslosigkeit, Drogenkonsum, soziale Verwahrlosung, Perspektivlosigkeit.

Anschaulich wurden diese Thesen beim Prozess gegen acht Verdächtige, die sich vor dem Landgericht Hamburg verantworten mussten. Als „Gescheiterte und Chancenlose“ beschrieb ein Gerichtsreporter die vorbestraften, reuelosen „Löwen“ auf der Anklagebank. Die Beweislage war dünn, der Steinwerfer wurde nicht ermittelt. Die höchste Strafe waren zweieinhalb Jahre Haft für den Rädelsführer, zwei weitere Täter wurden geringfügig verurteilt.

Wie die HSV- und Werder-Bosse Rache-Aktionen unterbanden

Vielleicht war das Treffen von Scheeßel - auf halber Strecke zwischen Hamburg und Bremen - drei Monate nach dem Tod von Adrian ein Vorzeichen für die heranbrechende Ära der Integration von Fans. Auf Initiative der Vereine trafen sich 200 Fans beider Clubs mit den Managern Günter Netzer und Willi Lemke sowie einigen Spielern zum Austausch. Am Ende stand das Versprechen, auf Racheaktionen zu verzichten.

Im Weserstadion wurde vor zehn Jahren eine Gedenktafel für Adrian Maleika eingeweiht, an diesem Montag zieht der HSV mit einer ähnlichen Erinnerungsstätte im Volksparkstadion nach. Für Adrians Eltern und seine Familie konnte und kann das kein Trost sein. Sie hatten ihn auf sinnlose, grausame Weise verloren. Sein älterer Bruder Roland, der an jenem 16. Oktober 1982 erstmals nicht bei einer Auswärtsfahrt an Adrians Seite war, trägt noch immer schwer daran. Er hat nie wieder ein Werder-Spiel gesehen und kein Stadion mehr betreten. (lb)

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