Wacken: Dringender Appell der Polizei vor Rückreisewelle

Immer noch stecken Autos tief im Schlamm auf dem Festival-Gelände in Wacken. Foto: dpa
Müssen Autobahnen gesperrt werden? Kommen alle Autos durch den Schlamm? Noch bevor auf dem Festival in Wacken die letzten Konzerte enden, kommt ein Appell der Polizei.
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Bei besserem Wetter haben Zehntausende Metalfans am letzten Tag des Heavy-Metal-Festivals im schleswig-holsteinischen Wacken gefeiert. Nach Regen zu Beginn schien am Sonnabendnachmittag die Sonne. Vor den Hauptbühnen gab es aber weiter viel Matsch. Erst am Vormittag hatte es abermals einen kräftigen Schauer gegeben.
Und: Ausgerechnet zur Rückreisewelle ist für die kommende Nacht und den Sonntag wieder Regen angesagt.
Rund 61.000 Metalfans - mehr als zunächst nach dem Einlassstopp angenommen - können in der Nacht zum Sonntag zum vorerst letzten Mal vor den neun Bühnen des Festivals feiern. Gegen 2 Uhr am frühen Sonntagmorgen sollen die Boxen an den Bühnen in Wacken verstummen.
Das Open Air war in diesem Jahr nach viel Regen bei der Anreise unter chaotischen Bedingungen gestartet. Wegen der Platzverhältnisse hatten die Veranstalter am Mittwoch aus Sicherheitsgründen einen Einlassstopp verhängt. Ursprünglich waren 85.000 Fans erwartet worden, das Festival war seit einem Jahr ausverkauft.
Polizei: Appell an Wacken-Fans
Die Polizei hat vor der Abreise am Sonntag an die Fans appelliert, die Abreiseinfos der Veranstalter im Blick zu behalten. „Alle Teilnehmer sollen bis zu ihrer Abreise mit ihren Kraftfahrzeugen auf dem Campinggelände bleiben und nicht bereits ihre Fahrzeuge außerhalb des Geländes parken, um später vermeintlich schneller abreisen zu können.” So solle ein Zuparken der Rettungswege im Dorf und den umliegenden Straßen verhindert werden.

So war es bei der Anreise: Traktoren mussten jedes Fahrzeug einzeln auf das Gelände schleppen. Foto: dpa
Metalheads sollten zudem sicherstellen, dass sie sich nüchtern ans Steuer setzen und auch nicht unter Einfluss von Betäubungsmitteln stehen. „Im Rahmen des Abreisetages wird die Polizei schwerpunktmäßige Verkehrskontrollen durchführen.”
Autobahn-Meisterei auf verschmutze Fahrbahnen vorbereitet
Fahrzeuge sollten zuvor vom gröbsten Schlamm und Dreck befreit werden, um eine Verschmutzung der Fahrbahn und auch Schäden am eigenen Auto zu verhindern. „Die Verkehrsführung der Abreiseroute zur Autobahn wird so eingerichtet, dass die Fahrzeuge einen etwas längeren Weg auf der Landstraße zurücklegen, damit sich die Fahrzeuge sauber fahren können.”
Auch die Autobahn-Meisterei rechnet etwa auf der A23 mit verschmutzen Fahrzeugen aus Wacken. Man sei vorbereitet, versichert die Autobahn GmbH. Es gebe eine Rufbereitschaft und bereitstehende Reinigungsfahrzeuge. 2015 hatte es eine Autobahn-Sperrung gegeben. „Die Verkehrsführung der Abreiseroute zur Autobahn wird so eingerichtet, dass die Fahrzeuge einen etwas längeren Weg auf der Landstraße zurücklegen, damit sich die Fahrzeuge sauber fahren können“, heißt es von der Polizei.
Urlauber auf der Fahrt zur Nord- und Ostsee oder auf dem Heimweg haben am Sonnabend schon etwas Geduld auf Hamburgs Autobahnen gebraucht. Auf der Autobahn 7 beim Elbtunnel habe es in beide Richtungen seit dem Vormittag etwa acht Kilometer Stau gegeben, sagte ein Sprecher der Verkehrsleitzentrale. Auf der Autobahn 1 gab es den Angaben zufolge wegen einer Baumaßnahme in der Spitze vier Kilometer zwischen Dreieck Hamburg-Südost und Hamburg-Billstedt und in der Gegenrichtung sechs Kilometer.
Die Elbfähre zwischen Glückstadt und Wischhafen hat sich bereits auf den Wacken-Stress vorbereitet. Die Fahrplanzeiten werden in den frühen Morgenstunden ausgeweitet. Ab Glückstadt verkehrt die Fähre am Sonntag von 5.15 Uhr an im 30-Minuten-Takt, ab Wischhafen soll von 4.30 Uhr an abgelegt werden.
Autos sollen Abschlepphaken montieren
Der Veranstalter verwies die Festivalteilnehmer darauf, ihren Müll wieder mitzunehmen. Zuletzt beim Deichbrand-Festival bei Cuxhaven waren im Regen zahlreiche Zelte und Unrat liegengeblieben.

Beim Wacken-Festival wird von den Metalheads in der Regel aufgeräumt. Foto: dpa
Für die Autofahrer gelte: Sie sollten sich im Voraus darum kümmern, dass sich das geparktes Auto auch starten lässt, schreiben die Wacken-Veranstalter. "Wählt für eure Abreise, wenn möglich, einen Zeitpunkt außerhalb der Hauptverkehrszeiten. Nutzt insbesondere die verkehrsarmen frühen Morgenstunden des Sonntags", heißt es in einem Aufruf.
Möglicherweise müssen wieder Tausende Pkw Fahrzeug für Fahrzeug von Traktoren aus dem Schlamm gezogen werden. Die Strecken seien präpariert worden, damit dies nicht in großem Maße geschehe. Doch vom Traktoreneinsatz sei auszugehen. Wie bei der Anreise sei es zu empfehlen, einen Abschlepphaken bereits am Auto montiert zu haben.
Es gelte Pfützen zu umfahren - und wenn nötig, so die Veranstalter, solle jeder mitanpacken, denn dann heißt es: Schieben.
Stewards an den Campingflächen weisen den Weg. Wer abgeholt werden muss, für diejenigen gelte, nach wie vor, dass keine Auffahrt aufs Festivalgelände möglich ist.
So fällt die vorläufige Polizei-Bilanz in Wacken aus
Positive Nachrichten gab es von Polizei und Rettungsdienst. „Das war mit Abstand - auch in Relation zur etwas reduzierten Teilnehmerzahl - das sicherste Wacken Open Air, das hat irgendwie zusammengeschweißt“, sagte der Leitende Polizeidirektor Frank Matthiesen. Die Beamten hätten nur sehr wenige Straftaten registriert.
„Hier ist nichts Schweres passiert“, sagte der Leiter des Rettungsteams, Volker Böhm. Sanitäter hätten 2500 Hilfsleistungen erbracht, 120 Besucher in Krankenhäuser gebracht. Diese seien größtenteils aber bereits wieder zurück auf dem Festival.

Das ist auch Wacken: Einige Besucher bringen ihre Kinder mit zum Festival.
Auch die Bundeswehr kam in Wacken zum Einsatz. Die Hilfsaktion war für die Soldaten ein „ziemlich cooler Einsatz“. Das versicherte zumindest eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums in Berlin. Die „Bauprofis“ der Bundeswehr hatten auf dem extrem schlammigen Festivalgelände kurzfristig eine 150 Meter lange zusammenfaltbare Straße verlegt. Die Bitte um Amtshilfe sei wie üblich geprüft worden, erklärte die Sprecherin. „In diesem Fall konnten wir’s und haben es auch sehr gerne gemacht.“
Fake-Video über randalierende „Metal-Chaoten“ im Internet
Hat es rund ums Festival gewalttätige Ausschreitungen von Fans gegeben, die nicht mehr auf das verschlammte Gelände durften? Ein Video in sozialen Netzwerken, das brenneden Autos zeigt, ist einer Behauptung zufolge im Kreis Steinburg aufgenommen worden - wo „Metal-Chaoten“ randalierten.
Das Video, das brennende Autos in einen Zusammenhang mit dem Festival in Wacken bringt, ist nicht aktuell und natürlich ein Fake. Es ist rund sechs Jahre alt und stammt von den Ausschreitungen zum G20-Gipfel in Hamburg. In den sozialen Netzwerken wird dennoch von Trittbrettfahrer ein Wacken-Zusammenhang suggeriert.
Islands Präsident Jóhannesson besucht Heavy-Metal-Festival in Wacken
Bereits am Freitagabend hatte es mit dem Auftritt von Iron Maiden einen musikalischen Höhepunkt gegeben. Zehntausende Metalheads, wie die Metalfans sich nennen, feierten die britische Band. Immer wieder ließen sich Fans beim „Crowdsurfing” von der Menge über die Köpfe der Menschen hinwegtragen. Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson dankte den Veranstaltern. Eine Menge Leute hätten abgesagt, sagte er mit Blick auf die Wetterkapriolen mit viel Regen und Schlamm auf dem Gelände. „Wacken, you made it.” (Wacken, ihr habt es geschafft.”)

Festival-Mitbegründer Thomas Jensen (links) und Gudni Jóhannesson, Präsident von Island. Foto: André Klohn/dpa
Einen ungewöhnlichen Gast in Wacken begrüßten die Macher ebenfalls: Islands Präsident Gudni Jóhannesson hat am Wochenende das Festival besucht. Er habe das Konzert von Iron Maiden sehr genossen, sagte Jóhannesson. „Und natürlich die vier isländischen Metal-Bands, die hier sind. Sie machen mich als Isländer stolz.“
Wenn man Musik mit Aufrichtigkeit und Leidenschaft mache, erreiche man damit Menschen, die aufgeschlossen seien, sagte Jóhannesson. „Es war mein erstes Mal in Wacken.“ Er möge das Festival.
Veranstaltern fehlt nach Wacken-Festival ein Drittel der Einnahmen
Wegen der geringeren Besucherzahl entgehen den Veranstaltern eigenen Angaben Einnahmen in Höhe von mehreren Millionen Euro. „Es ist ein Drittel unserer Einnahmen“, sagte Festival-Mitbegründer Thomas Jensen am Sonnabend. Das sei mathematisch nicht so schwer auszurechnen, sagte Jensen auf Nachfrage. „23.500 mal 299, und dann kommst Du da irgendwo ziemlich dicht ran.“ Die Tickets haben 299 Euro gekostet. Jensens Rechnung zufolge fehlen Einnahmen in Höhe von mehr als sieben Millionen Euro.
Die sogenannte Bändchen-Ausgabe des Festivals blieb laut Veranstalter trotz Einlassstopps aber offen. In Summe seien in den vergangenen drei Tagen rund 1500 Menschen noch hineingelassen worden.
„Der Ticketpreis ist das geringste Übel“, sagte Jensen. Die Metalfans seien nach der Pandemie immer noch ausgehungert. Ähnlich äußerte sich Mitbegründer Holger Hübner. Über die wirtschaftlichen Fragen werde nach Festival-Ende ab Montag gesprochen. „Um Kohle gehts hier nicht. Dann hätte man es sowieso gar nicht mehr gemacht.“
Seinen Worten zufolge hatte das Festival sogar knapp vor einer Absage gestanden. „Aber es waren ja zum Zeitpunkt des Einlassstopps schon über 40.000 Gäste auf dem Campingground und schätzungsweise weitere ca. 20.000 im Umfeld auf den Straßen, campten privat oder standen am Straßenrand im Dauerregen, so dass eine Absage mit der Abreise dieser Gäste, in enger Abstimmung mit den Behörden, am Ende keine Option war”, sagte Jensen.

Die Wege auf dem Festival-Gelände wurden täglich präpariert. Foto: dpa
Wie es mit dem Wacken-Festival 2024 weitergeht
Sicherheit für Fans, Künstlerinnen und Künstler, Mitarbeitende und die Menschen in Wacken und der Region hätten immer höchste Priorität, sagt Jensen. „Die wahren Helden sind für uns die, die zu Hause geblieben sind und dadurch das Festival in der jetzigen Form überhaupt ermöglicht haben.“
Das nächste Wacken Open Air findet vom 31. Juli bis 3. August statt. Erste Bands wollen die Veranstalter am späten Sonnabendabend bekanntgeben. (dpa/tip)

Besucher des Wacken Open Air Festival feiern vor den Bühnen. Foto: dpa



Metal-Fans bei einem der Konzerte beim Wacken Open Air.

Sänger Bruce Dickinson (2.vl) der britischen Heavy-Metal-Band Iron Maiden performt auf der «Harder»-Stage.

Feiern mit Musik und «Pommesgabel».

Festivalbesucher feiern vor einer Bühne die auftretenden Musiker.

Metal-Fans feiern während eines Konzerts auf dem Festivalgelände.