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20-jähriges Bestehen

Wie das Stader Café Lädchen psychisch Erkrankten hilft

Das Team des Lädchens genießt Kaffee und Kuchen zum 20-jährigen Bestehen. Den Kakao gibt es immer noch für einen Euro. Foto: Hußendörfer

Das Team des Lädchens genießt Kaffee und Kuchen zum 20-jährigen Bestehen. Den Kakao gibt es immer noch für einen Euro. Foto: Hußendörfer

Das kleine Café in der Stader Altstadt gibt es bereits seit 20 Jahren. Kuchen, Kaffee und ein Second-Hand Shop sind fester Bestandteil des Konzepts. Das Lädchen ist jedoch viel mehr als nur ein Café.

Freitag, 28.10.2022, 08:00 Uhr

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Von Andreas Hussendörfer

Das historische Fachwerkhaus mit den grünen Fensterläden wirkt auf den ersten Blick wie etwas für Stammkunden. Keine große Leuchtreklame preist hier Produkte an. Doch hinter der Fassade steckt ein durchdachtes und liebevolles Konzept, das mehr bietet als Kaffee und Kuchen.

Die Idee hinter dem Lädchen ist einfach. Ein geschützter Arbeitsplatz für Menschen, die Erfahrung mit einer psychischen Erkrankung gemacht haben. Für manche Besucher mag das befremdlich klingen. Immer noch gibt es ein starkes Stigma für Betroffene.

Erkrankungen der Psyche kommen häufiger vor als viele denken - jeder Vierte ist betroffen

Dabei ist eine Erkrankung der Psyche sehr häufig. Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist jeder vierte Mensch in Deutschland von einer psychischen Erkrankung betroffen - und das jedes Jahr.

„Uns geht es darum, für alle Menschen eine normale Teilhabe am Leben zu ermöglichen“, sagt Annete Bisping. Seit 18 Jahren begleitet sie das Lädchen. Und dazu gehöre auch eine Tätigkeit, bei der man Verantwortung übernehmen kann. „Wir hören oft, das hier wäre so etwas Soziales. Und genau das ist es auch.“ Für einige scheint das Thema psychische Gesundheit ganz weit weg zu sein, ist ihre Erfahrung. Dabei kenne fast jeder einen Betroffenen.

Almut Nolte und Annette Bisping vom Café Das Lädchen. Foto: Hußendörfer

Almut Nolte und Annette Bisping vom Café Das Lädchen. Foto: Hußendörfer

Konditorin Melanie backt die Kuchen im Café

„So ein Arbeitsplatz ist etwas Besonderes und das macht ihn so schön“, sagt Melanie. Die gelernte Bäckerin und Konditorin ist für die Kuchen im Café zuständig. Früher arbeitete sie in einer großen Bäckerei. Der Krankheitsbeginn machte das unmöglich. „Hier kann ich auch mal abschalten und mich erholen“, sagt sie.

„Es ist einfach ein schöner Ort und ein noch schönerer Arbeitsplatz“, sagt Almut, die hier schon seit mehreren Jahren tätig ist. „Wir kommen immer wieder mit unseren Gästen ins Gespräch. Das finde ich besonders toll. Viele haben mehr zu erzählen, als man denkt.“

Gesellschaftlich akzeptiert ist bisher nur der Burn-Out

„Leider sind psychische Erkrankungen trotz ihrer Häufigkeit noch immer stark stigmatisiert“, sagt Simone Schulte vom Verein die Brücke, der das Café betreibt. Deswegen möchten einige, die hier im Artikel zu Wort kommen, auch nicht ihren vollen Namen in der Zeitung lesen. Gesellschaftlich akzeptiert sei bloß der Burn-out. Den hat man sich immerhin „erarbeitet“.

Viele Betroffene suchen sich keine Hilfe

Der Verein hilft Betroffenen und Angehörigen mit Gesprächs- und Beratungsangeboten und bietet darüber hinaus ein Tagesprogramm. „Das Gehirn ist letztlich auch nur ein Organ, das wie jedes andere krank werden kann“, sagt Simone Schulte. Durch das große gesellschaftliche Tabu werde zu wenig über psychische Erkrankungen gesprochen. Nach Angaben der DGPPN sucht sich etwa jeder Zehnte keine Hilfe.

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Wie schnell sich das eigene Leben verändern kann, weiß Marina Bergnauer. Nachdem ihr Mann sie unvermittelt verlassen hatte, stand sie finanziell vor dem Nichts. Mitten in der Corona-Pandemie fehlten ihr Ansprechpartner bei den Behörden. „Alle Türen waren verschlossen“, sagt sie. „Nur hier im Verein habe ich Unterstützung gefunden.“

Verkäufe unterstützen die Arbeit des Vereins "Die Brücke"

„Etwas besonders zu sein, gehört zum Leben dazu“, sagt Sylvia Gritzan, die Stammkundin ist. „Ich habe nur positive Erfahrungen gemacht. Mal ist es ruhiger, an anderen Tagen ist es schön, ins Gespräch zu kommen“, sagt sie.

Neben dem Bio-Kaffee und dem Kuchen gibt es eine Flohmarkt-Ecke. Kleidung, Bücher und Kunsthandwerk werden verkauft - nicht nur für Stammkunden. Etwas Besonderes sind die Grußkarten. Durch die Verkäufe wird die Arbeit des Vereins unterstützt.

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