„Wir gehen kaputt“: Fangverbot bringt Fischer in Existenznöte
Fischer Nils Sander (M) zeigt Miriam Staudte (Bündnis 90/Die Grünen, l), Landwirtschaftsministerin von Niedersachsen, nach einem Treffen im Hafen Maschengrößen eines Netzes.
Krabbenfischer sind hart im Nehmen. Doch Pläne der EU-Kommission, das Fischen mit Grundschleppnetzen in Schutzgebieten zu verbieten, könnte selbst den stärksten Fischer umwerfen. Niedersachsens Ministerin sagt nun Unterstützung zu.
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Von Heike Leuschner
Die Nixe 2 dümpelt im Kutterhafen von Dorum-Neufeld. Sie ist einer von sechs Krabbenkuttern, die hier regelmäßig festmachen. Das blau getünchte Schiff gehört Stephan Hellberg. Vor 16 Jahren hat sich der Krabbenfischer das Arbeitsgerät gekauft, das mittlerweile 46 Jahre auf dem Buckel hat. Hellberg ist stolz darauf. „Der hält auch noch mal 30 Jahre“, sagt er. Dann verdüstert sich seine Miene.
Die EU-Kommission will die Fischerei mit Grundschleppnetzen in Schutzgebieten verbieten. Naturschützer kritisieren, dass das Fanggeschirr der Küstenfischer auf dem Meeresboden alles zerstöre, was da unten lebt. Deshalb hätten Krabbenkutter in Natura-2000-Gebieten nichts zu suchen – zumindest nicht dort, wo es Sandbänke und Riffgründe gibt.
Nach Angaben des Landesfischereiverbandes Weser-Ems hat Deutschland rund 45 Prozent seiner Meeresgebiete als Natura-2000-Gebiete gemeldet. Innerhalb des Küstenmeeres, also in der sogenannten 12-Meilen-Zone, ist demnach sogar mehr als die Hälfte Natura-2000-Gebiet - dazu zählen auch die drei Nationalparke für das Wattenmeer. Die Krabbenfischerei findet einer WWF-Analyse von 2016 zufolge zu fast 70 Prozent innerhalb der drei Nationalparke statt.
Hellberg hält das für Unsinn. „Wo wir fischen, gibt es keine Riffgründe“, sagt er. Außerdem verweist er auf ein wissenschaftliches Gutachten, das im Auftrag der Fischer erstellt worden sei. Dabei seien auch Spuren ins Watt gefahren worden, die nach drei, vier Stunden wieder verschwunden gewesen seien. „Unsere Fanggeschirre sind mit 500, 600 Kilogramm vergleichsweise leicht, wir machen da nichts kaputt“, ist Hellberg überzeugt.
Kaum noch Fanggebiete für hiesige Kutterfischer
Wird der Aktionsplan der EU-Kommission umgesetzt, bleiben kaum noch Fanggebiete übrig, betonte kürzlich auch der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, beim Fischereitag des Verbandes der Kleinen Hochsee- und Küstenfischer im ostfriesischen Neuharlingersiel. Für die verbliebenen 54 Krabbenfischer an der niedersächsischen Küste - 17 davon im Landkreis Cuxhaven - gebe es aber keine Alternative zum Grundschleppnetz. „Sonst fischen wir nur Wasser“, so Hellberg.
Die Zeit zum Handeln ist knapp. Denn was europaweit von der EU für 2030 angepeilt ist, würde die deutschen Fischer bereits in einem Jahr treffen, sagt Hellberg. Zum 1. April 2024 soll in Deutschland die FFH-Richtlinie mit den Natura-2000-Schutzgebieten umgesetzt werden, zu denen auch das niedersächsische Küstenmeer gehört. „Wenn das so kommt, dann ist hier am 31.3.2024 Schluss“, prophezeit Hellberg nicht nur für seinen Heimathafen, den Kutterhafen am Dorumer Tief. „Dann gehen wir alle kaputt.“
Kutterhäfen mit hohen Fördersummen ausgebaut
Hellberg, der seit 36 Jahren als Krabbenfischer arbeitet, und schon viele Tiefschläge für seinen Berufsstand verkraftet hat, befürchtet sogar, dass Betriebe noch Insolvenz anmelden müssen. „Wenn keiner mehr unsere Kutter kauft, müssen wir sie für viel Geld entsorgen. Wer kann sich das denn leisten?“
An der Kopfseite des Dorum-Neufelder Hafens haben Fischer ein schwarzes, mit Netz umwickeltes Kreuz aufgehängt. Es soll den befürchteten Untergang der Krabbenfischerei symbolisieren. „Für mich kommt das, was die EU plant, einem Berufsverbot gleich“, sagt Hellberg. „Das macht viele Familienbetriebe kaputt.“
Kutterfischer Jens Tants aus Spieka hat seinen Heimathafen ein paar Kilometer weiter nördlich, in Cuxhaven. Hier ist er einer von sechs hauptberuflichen Kutterfischern. Seine Frau betreibt einen kleinen Krabbenladen am Kopf des Alten Fischereihafens. „Wenn das Grundschleppnetzverbot für Schutzgebiete kommt, haben wir beide keine Existenz mehr“, sagt Tants.
Nicht nur die Fischer auch andere Gewerbebetriebe betroffen
Hellberg und Tants fürchten aber nicht nur um den eigenen Berufsstand. Netzmacher, Werften, die Gastronomie - sie alle würde die Folgen eines solchen Verbots zu spüren bekommen, sind die beiden Fischer überzeugt.
Einbußen befürchten die Fischer auch für die Tourismusbranche. Die Kutterhäfen, in denen die Fischer ihre Liegeplätze haben, sind bei Urlaubern genauso begehrt wie bei Tagesgästen. „Die wollen sehen, wo ihr Fisch, wo ihre Krabben herkommen“, sagt Hellberg. „Auf mittlere Sicht“, ist er überzeugt, „werden viele Gäste wegbleiben, wenn es die Kutterhäfen mit den bunten Schiffen nicht mehr gibt.“
Grundschleppnetzverbot: Ministerin unterstützt Küstenfischer
Niedersachsens Fischereiministerin Miriam Staudte sagte den Fischern am Donnerstag Unterstützung zu. Ein pauschales Verbot sei keine Lösung, sagte die Grünen-Politikerin nach Gesprächen mit Fischerei-Vertretern im ostfriesischen Neuharlingersiel. „Ich habe den Eindruck, das ist ein bisschen ein Schnellschuss gewesen”, sagte Staudte mit Blick auf den Plan.
Anlässlich des Treffens hatten sich vor dem Tagungsort rund 100 Fischer und teils auch ihre Familien mit schwarzen Holzkreuzen und Protestbannern versammelt. Staudte sagte, dass es angesichts des Aktionsplanes auch im Bundeslandwirtschaftsministerium eine „ganz große Skepsis” gebe und verwies auf entsprechende Gespräche mit der Staatssekretärin in Berlin, Silvia Bender. „Insofern bin ich auch guter Dinge, dass sich da noch was dran drehen wird”, sagte Staudte.
Die Politikerin betonte aber auch, dass nachhaltige Fangmethoden und die Forschung dazu weiter gefördert werden sollte. „Es ist wichtig, dass wir noch mehr machen für Nachhaltigkeit in der Fischerei.” Ihre Erkenntnisse aus dem Austausch mit den Fischern will die Ministerin auch bei der Agrarministerkonferenz kommende Woche (22. bis 24. März) in Büsum vorbringen. Viele Fischer wollen dort demonstrieren.
Die Zusagen der Fischereiministerin wurden von den ostfriesischen Fischern verhalten positiv aufgenommen. „Es war sehr wichtig, dass Frau Staudte da war”, sagte Gerold Conradi, zweiter Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Weser-Ems. Die Fischer hätten der Ministerin im direkten Gespräch die Fangmethode und ihre Existenzsorgen erklären können.
Was sagen Umweltschutzverbände?
Natur- und Meeresschützer sehen den Aktionsplan der EU-Kommission positiv. Der Plan mache klar, dass beim Meeresschutz dringend etwas passieren müsse, sagt etwa der Leiter des WWF-Wattenmeerbüros Hans-Ulrich Rösner. Bislang habe sich die Fischerei dem Thema nicht ausreichend angenommen. Intakte Meeresböden und Meeresökosysteme seien erst die Voraussetzung für Fischerei. Nun müsse es Gespräche für eine Lösung geben, sagt Rösner. „Damit meinen wir eine Lösung, die den notwendigen Schutz der Meere sicherstellt, aber auch für die Fischerei in die Zukunft führt.“ Eine regional verankerte, naturverträgliche Fischerei sei im Interesse aller. (mit dpa)