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Literatur

„Matz ab“ enthüllt die Geheimnisse eines Sport-Reporters

Dieter Matz mit seinem Buch  „Matz ab“.

Dieter Matz mit seinem Buch „Matz ab“.

Dieter Matz ist ein Fußball-Romantiker, ein Reporter der alten Garde, einer, der vor allem die glorreichen Zeiten des HSV erlebt hat. Der alte Fahrensmann der Journalisten-Gilde wollte schon immer aufschreiben, was er in 35 Jahren als Sportreporter erlebt hat. „Matz ab“ heißt sein Buch.

Von Wolfgang Stephan Samstag, 24.11.2018, 19:00 Uhr

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Nein, Dieter Matz ist kein Filigrantechniker des Journalismus. Seine Geschichten sind Erlebnisse, die er in Ich-Form auf knapp 200 Seiten geschrieben hat. Die Tour de HSV beginnt bei Ernst Happel und ist eine typische Matz-Story, denn der Autor verhehlt nie seine eigenen Schwächen.

Damals, Anfang der Achtzigerjahre, war Dieter Matz als Reporter vom „Heimatspiegel“ in Norderstedt beauftragt worden, die Ankunft des Star-Trainers aus Österreich zu verfolgen und ein Interview zu liefern. „Für mich war Happels Einstand die Hölle“, schreibt Matz, denn im Gedränge der Reporter ging er schlicht unter. Aber Dieter Matz hatte die Idee: Er wartete auf dem Parkplatz auf Happel und fuhr dem Trainer einfach hinterher. Bis in den „Fischers Privatweg“ in Henstedt-Ulzburg. Er schilderte dem großen Happel seine großen Nöte, und Happel hatte Mitleid: „Na gut, machen’s schnell.“

Eine typische Matz-Geschichte, 70 Begegnungen dieser Art hat die Reporter-Legende geschrieben. Es sind Erlebnisse, die heute undenkbar sind, wie der Anruf des damaligen HSV-Präsidenten Jürgen Hunke bei Dieter Matz: „Sie kennen doch Gott und die Welt, ich suche einen Trainer, frei nach dem Bremer Modell.“ Und Matz wusste Rat: „Es kommt nur einer infrage: Felix Magath.“ Drei Tage später war der Vertrag unterschrieben. Dass Felix Magath dem Reporter Matz das nie vergessen hat, versteht sich auch. Oder die erste Story mit Dietmar Beiersdorfer, der als Spieler des HSV Beziehungsprobleme hatte und den Reporter Matz nach dem Training bat, doch bitteschön mal mit der Freundin zu reden.

Das sind nette Geschichten, aber nicht alles ist für alle Protagonisten nett, was Dieter Matz so erzählt. HSV-Legende Manni Kaltz beispielsweise habe zwei Jahre lang mit seinem Zimmerkumpel Tobias Homp nicht geredet, glaubt er zu wissen. Dass Kaltz heute mit Dieter Matz in diesen Tagen nicht gerne reden möchte, ist die logische Folge derlei Enthüllungen.

Das Buch ist schon ein paar Wochen auf dem Markt, eigentlich Zeit genug für alle Beteiligten, „dem Dieter“ die Meinung zu geigen. Doch da kam nicht viel, sagt Dieter Matz. Lediglich Ex-Vorstandschef Heribert Bruchhagen habe ihm zu verstehen gegeben, dass er nicht besonders amüsiert sei. Über den steht geschrieben: „Kritik jeder Art bügelte Alleskönner und Besserwisser Bruchhagen stets mit einem wohlüberlegten Mix aus Ironie, Sarkasmus, Zynismus und Arroganz ab, darin war und ist er meisterhaft.“

Also, wer mehr über die HSV-Spieler und -Trainer erfahren möchte, als er bisher wusste, wird nicht enttäuscht, vor allem, weil es auch Einblicke in die Arbeit von Sport-Journalisten gibt. Dass Dieter Matz von der überraschenden Verpflichtung des Real-Madrid-Stars Ruud van Nistelrooy wusste, es aber nicht geschrieben hatte, ist so eine Hintergrundgeschichte, die heute auch unvorstellbar wäre. Wobei das erst acht Jahre her ist. Damals war Dieter Matz der erfolgreichste Fußball-Blogger, sein „Matz ab!“ war seine Krönung von 35 Jahren im Fußball. Für drei Zeitungen hat er geschrieben, die längste Zeit beim „Abendblatt“, das auch sein Buch verlegt hat.

Dass auch im Reporter-Leben des Dieter Matz nicht alles immer geglänzt hat, ist eine Geschichte, die nicht im Buch steht. Aber dass Dieter Matz überhaupt seinen erfolgreichen Blog starten konnte, war so nicht geplant. Vielmehr wollten ihn die damaligen Macher in der „Abendblatt“-Sportredaktion loswerden. Zwei Tage hatte er im Jahre 2009 bereits die Kündigung, dann gaben sie ihm den Internet-Auftritt. Gnadenbrot für einen großen Kollegen. Der haute noch einmal alles rein: „Deutschlands erfolgreichster Fußball-Blog“ – so stand es beim endgültigen Abschied im Blatt.

Vielleicht ist auch dieser Satz wichtig, um die Matz-Memoiren einzuordnen: Im Vorwort schreibt der Comedian Olli Dittrich: „Lesen Sie dieses Buch, und der Fußball ist wieder so, wie er einmal war.“

Eine Buchkritik von Alexander Schulz

{picture1s} Die Erzählungen in „Das Teemännchen“ sind nicht immer typisch für Heinz Strunk, verlässt er doch hier und da das Konkrete und taucht ins Surreale ab. Aber zumindest in einer Sache bleibt der Autor sich treu: Er führt die Leser dahin, wo sie eigentlich nie hinwollen: zum Bodensatz der Gesellschaft. Und dieser Bodensatz lebt im strunkschen Universum von Sexualnot, Siff, Alkohol und dem Verfall vornehmlich übergewichtiger Körper. Heinz Strunk schnappt sich das Elend seiner Protagonisten, zerlegt es tiefenpsychologisch in seine Einzelteile und schreibt es (offenbar) mit großem Genuss in 50 Kurzgeschichten nieder. Schaschlikmief, prügelnde Kleinwüchsige und kartofflige Schwule – Verlierer folgt auf Versager, eine erbärmliche Existenz untertrifft die nächste. Mit Scharfsinn beobachtet Heinz Strunk die skurrilen Figuren und pfeift dabei auf Political Correctness. Todtraurige Geschichten aus jämmerlichen Verhältnissen. Geschichten wie die von „M&M“. Marion und Michael. Er groß und hager, sie klein und dick. Kein Paar, sondern „eine Need-Company. Zu alt, zu leer, zu langweilig, zu dick, zu dünn, zu arm, zu uninteressant, zu alles Mögliche“. Michael, unbelehrbarer linker Spießer, lässt „Lebensabschnittspartnerin“ Marion seit 24 Jahren unter seiner penetranten Humorlosigkeit leiden. Den Wettbewerb, wer von beiden der größere Spießer ist, hat Marion verloren. Michael ist das nicht genug, er unterjocht seine Partnerin immer weiter. Er „ist wie ein schwarzes Loch, dessen Schwerkraft nicht das kleinste bisschen Licht mehr in ihr Leben dringen lässt“. Trotzdem sind sie unterwegs in den Urlaub. Mit Tempo 80 kriecht Michael über die A7. Marion leidet auf dem Beifahrersitz. Seit sechs Stunden sind sie in Richtung Italien unterwegs – und erst auf Höhe Fulda. Michael genießt ihre Qual, fährt noch langsamer. Sie steht kurz vor der Explosion. Der Leser ahnt: Das wird nicht gut ausgehen. Er spürt die sich anbahnende Katastrophe auf der Autobahn und kann nicht anders: Er muss lachen. Das klingt böse. Das ist es auch. Aber davon leben die Kurzgeschichten. „Das Teemännchen“ ist nichts für schwache Gemüter, aber wer Strunk mag, wird dieses Sammelsurium des rabenschwarzen Humors lieben.

Heinz Strunk: „Das Teemännchen“. Rowohlt. ISBN 978-3-498-06449.5, 208 Seiten, gebunden, 20 Euro.

Eine Buchkritik von Karsten Wisser

{picture2s}Zwei Kinder, Bürojob, Vorstadtleben. Edgar Hill ist sich seines mittelmäßigen und ergebnislosen Lebens im schottischen Edinburgh voll bewusst, als ein Asteroidenschauer seine Heimatstadt und ganz Großbritannien zerstört. Adrian J. Walkers Roman „Am Ende aller Zeiten“ beginnt wie eine schon oft beschriebene und verfilmte postapokalyptische Geschichte, von denen es schon so viele gibt. Doch als durch einen Zufall seine Frau und die beiden Kinder bei der Evakuierung ohne ihn nach Cornwall gebracht werden, wandelt sich der Roman. Für Hill beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Mittdreißiger mit Bauchansatz wird zum Extremläufer – und der Leser findet sich unversehens in einem packenden Lauf-Thriller wieder: Edgar Hill durchquert einmal komplett die zerstörte britische Insel. Ungeachtet dessen, dass Edgar nie ein Vorzeige-Vater oder -Ehemann gewesen ist, begibt er sich mit Gefährten auf die beschwerliche Reise durch das postapokalyptische Land, um wieder mit seiner Familie vereint sein zu können. Dabei bietet Walker, und das ist die große Stärke des Buchs, einen faszinierenden Blick in die Seele eines Mannes, dessen Welt beinahe völlig zerstört werden muss, bevor er merkt, was im Leben wirklich wichtig ist. Das alles ist fesselnd beschrieben.

Der Roman ist auch aus einer übergeordneten Warte interessant. Der renommierte Fischer Verlag hat damit eine neue Verlagssparte für Science-Fiction und Fantasy auf den Markt gebracht: In den USA ist Tor Books plus eigenem Online-Portal erfolgreich. Der Schritt zeigt: Die ehemalige Nischenliteratur ist in den vergangenen Jahren im Mainstream angekommen – und wirtschaftlich so attraktiv, dass etablierte Verlage sich in diesem Bereich engagieren. Die Generation „Star Trek“ ist erwachsen geworden und kauft Bücher.

Adrian J Walker: „Am Ende aller Zeiten“, Fischer Tor. ISBN 978-3596037049, 432 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Eine Buchkritik von Björn Vasel

{picture3s} Anlässlich des Europäischen Kulturerbejahres 2018 zeigen das Museum für Vor- und Frühgeschichte zu Berlin und der Verband der Landesarchäologen noch bis zum 6. Januar 2019 im Martin-Gropius-Bau die große Sonderausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“. Alle 16 Bundesländer präsentieren in Berlin ihre spektakulärsten Funde und aktuelle Forschungsergebnisse der letzten 20 Jahre. Wer keine Zeit hat, nach Berlin zu reisen, sollte sich den 480 Seiten starken Ausstellungskatalog zulegen.

Fünf große Themenfelder – Europa vernetzt, Mobilität, Austausch, Konflikt und Innovation – werden anhand von hochrangigen Exponaten wie beispielsweise der 35 000 Jahre alten Venus vom Hohlefels oder der bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra von der Steinzeit bis ins 20. Jahrhundert beleuchtet.

Im Gegensatz zur Ausstellung ist der empfehlenswerte Katalog chronologisch angelegt. Den Autoren gelingt es, europäische Geschichte im Kontext überregionaler Interaktion (Transfer von Menschen, Materialien, Gesellschaftssystemen, Religionen und Wissen) anschaulich und spannend darzustellen. Grafiken, Fotos der Funde und Karten ergänzen die textliche Darstellung. Kapitel wie die „Himmelsdarstellungen in der Bronzezeit“, „Köln: Römische Hafenstadt“ oder der Einblick in ein „Alchemielabor in Wittenberg“ verleiten den Leser, es immer wieder in die Hand zu nehmen. Man kann es in einem Rutsch lesen oder in Häppchen. Wer sich für Archäologie interessiert, bekommt mit „Bewegte Zeiten“ einen kostengünstigen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung.

Für Lokalpatrioten hat das Buch allerdings ein kleines Manko: Die in der Ausstellung gezeigten Funde aus der Region, wie die 3000 Jahre alten Stader Wagenräder und der altsächsische Rüsselbecher aus Immenbeck mit der Inschrift VIVA IN VIN(I) (Lebe durch den Wein) kommen nur im Kleingedruckten vor. Schade.

Bewegte Zeiten – Archäologie in Deutschland; herausgegeben für das Museum für Vor- und Frühgeschichte und den Verband der Landesarchäologen ist im Imhof-Verlag erschienen. Das Werk kostet 49,95 Euro; 480 Seiten.

ISBN: 978-3-7319-0723-7.

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