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Ukraine-Konflikt

Jetzt starten die ersten Hilfskonvois aus dem Landkreis in Krisengebiete

Axel Möller, Patrik Bruhn, Leon Haselbach und Anna Möller-Bruhn verstauen Hilfsgüter bei einem der ersten Transporte Foto: Vasel

Axel Möller, Patrik Bruhn, Leon Haselbach und Anna Möller-Bruhn verstauen Hilfsgüter bei einem der ersten Transporte Foto: Vasel

„Ich bin von der Welle der Hilfsbereitschaft einfach nur überwältigt“, sagt Anna Möller-Bruhn. An diesem Donnerstag brechen die ersten Helfer nach Polen auf. Ein weiterer Konvoi geht von Buxtehude nach Moldawien.

Donnerstag, 03.03.2022, 06:00 Uhr

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Mehr als 875.000 Ukrainer sind laut UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR nach dem russischen Angriff auf die Ukraine mittlerweile ins Ausland geflüchtet, mehr als eine halbe Million Menschen allein nach Polen. Die meisten sind Frauen und Kinder.

Nach einem Aufruf im Internet und im TAGEBLATT konnte sich Anna Möller-Bruhn aus Dollern in den vergangenen Tagen vor Spenden kaum retten. Unterstützt wird sie auch von ihrer Familie, alle packen mit an. Ihr Sohn Patrik (15) trommelte am Montag an der Halepaghen-Schule in Buxtehude mit einer Rundmail an alle Lehrer und Schüler für den privaten Hilfskonvoi.

Seitdem war an Schlaf kaum zu denken. Bis Mitternacht sortieren sie täglich Hilfsgüter: Nahrungsmittel, Decken und Hygieneartikel, insbesondere für Frauen und Kinder.

Kontakt zum Bürgermeister im polnischen Gdynia

Ihr Vater hat bereits Kontakt mit dem Bürgermeister von Gdynia, Wojciech Szczurek, aufgenommen, berichtet Anna Möller-Bruhn. Eigentlich wollte sie nur einige Pakete mit dem Pkw bei einem Besuch in Polen mitnehmen, jetzt wird sie an diesem Donnerstag mit drei Kleinbussen und einem Anhänger starten.

Damit dieser pünktlich abfährt, halfen am Mittwoch auch Patriks Mitschüler Leon Haselbach und Emma Moock und viele weitere Freiwillige. In der Stadt an der Ostsee sind die ersten Flüchtlinge eingetroffen, die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Polen sei groß. In den Straßen wehen überall ukrainische Flaggen.

Hilfsbereitschaft in Nachbarschaft und von Bekannten ist groß

„Ich finde es großartig, was die Familie auf die Beine stellt“, sagt Annette Brenken aus Apensen. Immer wieder halten Pkw vor dem Haus. Oft haben Nachbarn, Belegschaften und Kollegen, wie beispielsweise der Grundschule Dollern, gemeinsam Pakete gepackt. Die TV-Bilder haben bei Eckhard Peter (82) aus Himmelpforten wieder die grauenhafte Erinnerung an die eigene Flucht aus Hinterpommern im Jahr 1945 geweckt: „Diese Bilder kann ich einfach nicht vergessen.“ Ihr Zug wurde beschossen, Kinder verloren ihr Leben oder Eltern. „Uns geht es gut, wir fühlen uns verpflichtet, zu helfen“, sagt Peter. Dass heute mitten in Europa wieder Krieg herrsche und Hunderttausende auf der Flucht seien, stimme ihn traurig.

Emma Moock (links) und Anna Nadziejko helfen am Mittwochabend beim Sortieren der Spenden.

Emma Moock (links) und Anna Nadziejko helfen am Mittwochabend beim Sortieren der Spenden.

Die Flüchtlinge dürften nicht allein gelassen werden, sagt auch Hebamme Iris Freyer aus Jork, die spontan im Alten Land sammelte. „Wir leben in einem reichen Land – in Frieden.“ Sie will Ukrainern auch eine Unterkunft anbieten. „Wir machen weiter“, sagt auch Anna Möller-Bruhn. Weitere Hilfskonvois seien geplant.

Firmen wie Viebrock unterstützen die Aktion

Wenn die ersten Flüchtlinge im Landkreis Stade eintreffen, soll auch ihnen geholfen werden. Notwendig sei, dass sich die Helfer jetzt vernetzen, so die Germanistin, die auch Dozentin für Deutsch für Anfänger an der Volkshochschule ist. Kontakt: 0172/78 5 01 40 und anna-moeller-bruhn@web.de.

Steffen Budde aus Kutenholz wird heute mit seinem Bus aufbrechen: „Ich wollte Zeit spenden und helfen, dass die Hilfe schnell ankommt.“ Die TV-Bilder hätten bei ihnen ein Gefühl der Ohnmacht ausgelöst, Unterstützern wie der Lehrerin Heike Fielbrandt war es wichtig, dass die Hilfe schnell bei den Frauen und Kindern ankommt: „Das gesamte Kollegium der Grundschule Dollern hat diese Aktion sofort unterstützt.“

Möller-Bruhn freut sich, dass Firmen wie Kreuzfahrtlounge und Viebrockhaus aus Harsefeld mit ihren Kontakten und Mitteln die Aktion unterstützen, das Bauunternehmen stellte einen Bus zur Verfügung – mit Tankkarte.

Die Bäckerei Dietz unterstützt mit Spenden. Foto: Richter

Die Bäckerei Dietz unterstützt mit Spenden. Foto: Richter

Weiterer Konvoi startet in Buxtehude

Auch die Garage der Buxtehuderin Mihaela Bauer ist inzwischen bis oben voll mit Hilfsgütern, die für ukrainische Flüchtlinge in Moldawien bestimmt sind. Sie kommt ursprünglich aus Moldawien. In das kleine Nachbarland der Ukraine mit nur zwei Millionen Einwohnern fliehen zurzeit täglich 16.000 Menschen, berichtet sie. Nach mittlerweile sieben Kriegstagen sind es inzwischen mehr als 100.000. Moldawien ist ein armes Land: „Aber sie helfen trotzdem, und viele Ukrainer sagen, wie dankbar sie dafür sind.“

Es sei aber eine große Herausforderung, sich um alle zu kümmern, wie sie von ihren Angehörigen weiß. Mihaela Bauer hat Bekannte angesprochen, die die Anfrage nach Sachspenden weitertrugen. Die Hilfsbereitschaft war sehr groß: Julia Eschke vom Modehaus Stackmann sammelte bei ihren Kollegen, Beke Winckler vom gleichnamigen Garten- und Landschaftsbau in Hollern-Twielenfleth sprach viele Bekannte an, und ihre eigenen Arbeitskollegen und ihre Familie halfen. Sie arbeitet bei Bäcker Dietz in Hedendorf, der eine Ladung Korn-an-Korn-Brot beisteuerte: „Das hält sich lange“, sagt er.

Mihaela Bauer packt für ukrainische Flüchtlinge in Moldawien.

Mihaela Bauer packt für ukrainische Flüchtlinge in Moldawien.

Ein Bekannter aus Moldawien wird mit dem Transporter die Güter abholen. Und es wird mit Sicherheit nicht die letzte Hilfslieferung sein: Mit dem Schäfer des Deichverbands in Jork, Vasile Buza, der ebenfalls aus Moldawien stammt, hat sie den Transport weiterer Spenden organisiert – wöchentlich mit einem Bus von Hamburg nach Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldau.

Eckhard und Uschi Peter mussten als Kinder selbst flüchten.

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