Interview

Epidemiologe Hajo Zeeb spricht über „Omikron-Wand“

Die Ausbreitung der Omikron-Variante sorgt für hohe Corona-Inzidenzen. Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb erklärt im Interview, was das bedeutet und wie es weitergehen könnte. Der Blick auf Dänemark zeige: Es gibt eine Gemeinsamkeit mit Bremen.

Montag, 17.01.2022, 18:00 Uhr
Hajo Zeeb, Epidemiologe am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen, sitzt in seinem Büro. Foto: Sina Schuldt/dpa

Hajo Zeeb, Epidemiologe am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen, sitzt in seinem Büro. Foto: Sina Schuldt/dpa

Von Jens Gehrke

Wie gefährlich sind die aktuell sehr hohen Corona-Inzidenzen im Bundesland Bremen? Wie hoch könnten sie noch schnellen?

Die Inzidenz ist in der Tat sehr hoch, wobei andere Bundesländer vermutlich zeitnah folgen werden. Das Hauptproblem ist einerseits, dass sich viele Menschen infizieren und damit in Isolation sowie deren Kontakte in Quarantäne müssen, und andererseits, dass trotz der insgesamt milderen Verläufe eine große Belastung der Gesundheitsversorgung droht. Genau voraussagen kann man es nicht, aber Länder wie Dänemark und Großbritannien haben 7-Tage-Inzidenzen um die 1800 bis 2300 gesehen. So hoch kann es hier auch gehen.

Kann die Coronavirus-Variante Omikron das Ende der Pandemie bedeuten? Wird aus der Pandemie nun eine Endemie, also eine Art Dauerzustand ohne heftige Ausschläge?

Die Omikron-Variante beschleunigt derartige Entwicklungen sicherlich, weil mehr Menschen jetzt zum Boostern kommen und die Zahl der Genesenen zunimmt. So entsteht immer mehr Immunität, und das in verkürzter Zeit. Mit dem Frühjahr gehen die Zahlen spätestens wieder auf niedrige Niveaus, da gilt es sie dann zu halten. Und das wäre die endemische Situation. Ab und an werden wir noch ein Aufflackern sehen, zum Beispiel im Winter. Dänemark fährt einen Kurs mit deutlich weniger staatlichen Maßnahmen, angeblich sollen die Krankenhäuser dort nicht überlastet sein.

Kann Dänemark ein Vorbild sein für Deutschland?

Dänemark hat hohe Inzidenzen und kommt so gerade mit den Krankenhauskapazitäten klar, aber auch dort wurden neue Beschränkungen nötig. Insofern kann man sehen, dass die jetzige Situation mit sehr hohen Omikron-Inzidenzen wirklich etwas anderes ist als bei der Delta-Variante, weil es eben noch Handlungsspielraum bei sehr hohen Infektionszahlen gibt. Es werden nunmehr deutlich weniger Menschen schwer krank.

Sind die Voraussetzungen in Dänemark und in Deutschland überhaupt zu vergleichen?

Es gibt einige Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede. Die sehr schnelle Omikron-Ausbreitung in Dänemark hat sicher auch etwas mit deren gutem Impftempo im Jahr 2021 zu tun, so dass jetzt der Impfschutz schon weitgehend weg war–ähnlich wie im Land Bremen. Was die Maßnahmen angeht, so gibt es sicher Verhaltensunterschiede in Bezug auf Eigenverantwortung. Und die Bevölkerungsgröße und Bevölkerungsdichte ist noch mal anders.

Was könnte das größte Risiko in den kommenden Wochen in Deutschland sein? Die Überlastung der Labore, Ausfälle in der kritischen Infrastruktur oder die Überlastung des Gesundheitssystems?

Das sind die wichtigsten Punkte. Mit etwas Glück und guter Vorbereitung kommen wir ohne schwerwiegende Ausfälle in der kritischen Infrastruktur aus. Solche Ausfälle wären ein sehr großes Risiko. Die Krankenhäuser würden durch die Kombination aus vielen Fällen sowie dem Mangel an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern grundsätzlich und wegen Corona sehr stark belastet. Das wird knapp. Die Intensivstationen werden hoffentlich nicht komplett überbelastet.

Was empfehlen Sie der Politik nun angesichts der Omikron-„Wand“. Was kann man tun?

Schnelles Booster-Impftempo und umfassende Vorsicht bei Kontakten, möglichst weitgehende Kontaktreduktion, um aus dieser Wand schnell wieder aussteigen zu können. Kritisches Augenmerk auf die Schulen, da sind viele Umgeimpfte, und da muss gegebenenfalls schnell gegengesteuert werden, wenn sich eine hohe Ausbreitungsdynamik zeigen sollte.

Wie gefährlich wäre ein „Laufenlassen“, eine „Durchseuchung“?

Laufenlassen bedeutet auch, dass man viele Menschen dem Risiko von Long Covid aussetzt und zudem dem zum Glück jetzt etwas kleineren Risiko von Krankheit und Tod. Wir haben eine Situation, in der es nur schwer gelingt, einen hohen Kontrollgrad zu erreichen, ohne wie China mit großer Drastik vorzugehen. Und daher empfiehlt sich für uns weiter die Vorgehensweise mit Impfungen, Boostern und der umfassenden Arbeit mit AHA-Regeln: Abstand halten, Hygiene und Maske.

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