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Deponie im Wattenmeer

Nach viel Kritik: Hamburg verteidigt Schlickpläne vor Scharhörn

Das Spezialschiff „Bartolomeu Dias“ baggert Schlick im Hafen aus der Elbe in seinen Laderaum und verklappt diesen anschließend in der Nordsee. Foto: Reinhardt/dpa

Das Spezialschiff „Bartolomeu Dias“ baggert Schlick im Hafen aus der Elbe in seinen Laderaum und verklappt diesen anschließend in der Nordsee. Foto: Reinhardt/dpa

Hamburg muss immer wieder Schlick aus der Elbe baggern. Sonst bliebe Deutschlands größter Hafen nicht für große Containerschiffe erreichbar. Mit einer neuen Lösung des Problems handelt sich die Hansestadt Kritik ein.

Donnerstag, 17.02.2022, 16:14 Uhr

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Von Thomas Kaufner

Hamburg hat die Pläne verteidigt, Elbschlick künftig auch vor der zur Hansestadt gehörenden Insel Scharhörn abzuladen. Die derzeit praktizierte Kreislaufbaggerei bei Neßsand sei ökonomisch und ökologisch nachteilig und müsse auf ein Minimum reduziert werden, sagte Staatsrat Andreas Rieckhof am Donnerstag. Der weitaus größte Teil des Elbschlicks landet bisher gleich hinter der Hamburger Landesgrenze bei Neßsand in der Elbe, um von dort binnen weniger Wochen zurückgespült zu werden - weshalb diese Kreislaufbaggerei weitgehend beendet werden soll.

Claudia Flecken, Leiterin für Infrastruktur Wasser bei der Hafenbehörde HPA, verwies auf ein mehr als 600 Seiten starkes Gutachten, demzufolge es ökologisch unbedenklich sei, den Elbschlick dorthin zu bringen. „Bislang haben sich meist Leute zu Wort gemeldet, die sich noch nicht fürchterlich intensiv mit dem Gutachten auseinandergesetzt haben“, hielt sie Kritikern entgegen. „Deshalb möchte in an dieser Stelle für Fachlichkeit und etwas Sachlichkeit werben.“

Wirtschaftsbehörde informiert über geplante Elbschlickdeponie

Wann damit begonnen wird, Schlick aus der Elbe vor Scharhörn zu verklappen, steht nach Rieckhofs Worten noch nicht fest. Derzeit warte die Wirtschaftsbehörde auf Reaktionen von Verbänden und den Umweltministerien der Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die über die Pläne informiert worden seien. Der Staatsrat will auch nach Cuxhaven reisen und dort Oberbürgermeister Uwe Santjer die Pläne präsentieren. Dieser sei „natürlich weniger begeistert, aber nicht völlig überrascht“.

Außerdem werde noch auf eine Bewertung durch die Umweltbehörde gewartet, erst dann werde der Senat eine Entscheidung treffen. „Wir wollen volle Transparenz herstellen“, sagte Rieckhof. Er bekräftigte allerdings auch die Einschätzung der Hansestadt, dass nach dem Bundeswasserstraßengesetz keine Genehmigung für das Vorhaben nötig sei.

Schlick-Probleme treffen alle Nordsee-Anrainer

Die den Gezeiten ausgesetzte Elbe muss in und um den Hamburger Hafen mit hohem Kostenaufwand regelmäßig ausgebaggert werden, damit Anläufe der riesigen Containerfrachter im nach Rotterdam und Antwerpen drittgrößte Seehafen Europas klappen. Bei den Baggerarbeiten fallen Millionen Tonnen Schlick an.

Rieckhof wies darauf hin, dass alle Nordseeanrainer mit Schlick zu kämpfen haben. In den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland fielen jährlich insgesamt mehr als 100 Millionen Tonnen Sediment bei Ausbaggerungen an. „Baggern gehört zum Geschäft, das ist nicht ein Spezifikum der Elbe.“

Elbschlick-Verklappung im Nationalpark

Scharhörn gehört zum Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer und mit den Nationalparks der Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen zum Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer. Die neue Stelle, wo der Schlick versenkt werden soll, liegt laut Wirtschaftsbehörde nördlich von Scharhörn am Rande des Fahrwassers und außerhalb des hamburgischen Nationalparks.

Scharhörn (links) und Nigehörn in der Elbmündung grenzen an das sensible Weltnaturerbe Wattenmeer. Foto: Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer

Scharhörn (links) und Nigehörn in der Elbmündung grenzen an das sensible Weltnaturerbe Wattenmeer. Foto: Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer

Der größte Teil des Elbschlicks wird bisher nach Neßsand gebracht und von dort schnell wieder zurückgespült. Einen anderen Teil des Schlicks darf Hamburg seit 2005 an die Tonne E3 südlich der zu Schleswig-Holstein gehörenden Insel Helgoland bringen. Das soll auch über das Jahr 2022 hinaus geschehen; entsprechende Gespräche mit der Regierung in Kiel laufen dazu.

Hafenbehörde: „Der Handlungsdruck besteht jetzt“

Eine weitere Alternative, die im Raume steht, ist eine Verbringung in die von Deutschland genutzte so genannte Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) in der Nordsee. Ein entsprechender Antrag soll noch in diesem Jahr gestellt werden. Mit einer Entscheidung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) wird aber frühestens in zwei bis drei Jahren gerechnet. Das Fazit bei der Hafenbehörde HPA lautet daher: „Der Handlungsdruck besteht jetzt.“

Die Wirtschaftsbehörde hatte die Pläne vor gut einer Woche konkretisiert und damit vor allem in Hannover für Ärger gesorgt. „Bisher war die Zusammenarbeit geprägt von einem engen Austausch und vernünftigem Miteinander“, hatte Umweltminister Olaf Lies (SPD) gesagt. „Da ist es jetzt irritierend, dass Hamburg hier über den nun bekannt gewordenen Zeitplan an der Grenze unseres Nationalparks Wattenmeer innerhalb weniger Wochen Fakten schaffen will - und das gegen die berechtigten Bedenken und Interessen Niedersachsens.“ Hamburgs Staatsrat Rieckhof sagte dazu nur: „Es steht mir nicht zu, die Kommentierung von Nachbarländern zu bewerten.“

Hamburgs CDU-Opposition verlangt nationalen Schlickgipfel

Aus Sicht der Hamburger CDU-Opposition legt der rot-grüne Senat mit seinem Vorgehen „eine Überheblichkeit an den Tag, die im jetzigen Umfeld Marktteilnehmer verschreckt und Partner abstößt“. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese, verlangte einen „nationalen Schlickgipfel“ mit den Elbanrainern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie dem Bund. Auch aus Sicht des FDP-Landesvorsitzenden Michael Kruse wäre der Senat „klug beraten, eine langfristige Sedimentstrategie mit der Bundesregierung und den Nachbarländern zu erarbeiten“. (dpa)

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