Interview

Unternehmer Frank Otto: „Wir können humanitär helfen und Flüchtlinge aufnehmen“

So umtriebig Frank Otto ist, so freundlich und vor allem auch fokussiert bleibt der Hamburger Medienunternehmer. Anekdoten und Themen hat der 64-Jährige während des Interviews einige auf Lager – die folgenden Fragen und Antworten bilden nur einen Bruchteil ab.

Samstag, 12.03.2022, 12:00 Uhr
In seinem privaten Tonstudio entspannt sich Musikliebhaber Frank Otto. Foto: Jakob Drechsler

In seinem privaten Tonstudio entspannt sich Musikliebhaber Frank Otto. Foto: Jakob Drechsler

Von  Jakob Drechsler

Krieg, Zerstörung, Flüchtlingsströme. Wenn Sie die Bilder aus der Ukraine sehen, was löst das in Ihnen aus?

In meiner persönlichen Erfahrung sind das natürlich Erinnerungen an den Kalten Krieg. Da ist eine russische Übermacht, die ein Land überfällt, aber nicht richtig erkennbar, mit welchem Ziel. Für uns stellt sich jetzt die Frage, was können wir tun? Wir können humanitär helfen und Flüchtlinge aufnehmen. Ich selbst kenne mehrere ukrainischstämmige Leute und welche mit ukrainischer Verwandtschaft. Das sind ja alles Leute, die uns nah sind.

Weiß und christlich.

Sie gehören in unseren Kulturkreis, sagen wir es mal so.

Würden Sie als Humanist in irgendeiner Form helfen wollen?

Ja, soweit es in meiner Macht steht. Ich habe Raum zur Verfügung hier. Ich weiß, dass es behördlich ein bisschen schwierig ist, weil sich meine Ex-Frau auch schon einmal darum gekümmert hat. Aber da werden sich Möglichkeiten finden.

Möglichkeiten finden lassen müssen sich auch im Klimaschutz. Inzwischen kleben sich junge Menschen aus Protest auf Straßen fest. Finden Sie das drüber?

Ich kann die jungen Leute schon verstehen, weil das, was wir an Erkenntnissen heute vorliegen haben, für die Zukunft erschreckend ist. Dass die da zu radikaleren Protestformen finden, als auf die Straße zu gehen und „Peace“ zu rufen, finde ich schon verständlich. Die vorherrschende Bewegung war ja Fridays For Future, die durch die Pandemie ihre zahlenmäßige Stärke nicht mehr so zum Ausdruck bringen konnte. Dadurch haben sich die Protestformen auch ein bisschen gewandelt, um wieder Schlagzeilen zu machen. Da hoffe ich auf eine Normalität, wenn die nicht von dem nächsten Thema, dem Krieg, wieder überrollt wird.

Sind ihre Kinder auch an Klimaschutz interessiert und engagieren sich dafür?

Meine Kinder sind mit diesen Themen immer schon konfrontiert gewesen und fühlen sich natürlich auch betroffen. Sie haben sich auch schon zu unterschiedlichen Themen politisch engagiert, bei Anti-Rassismus zum Beispiel. Meine Kinder sind sehr international ausgebildet. Da stehen ihnen bei manch menschlichem Verhalten auch die Haare zu Berge, weil es für sie gar nicht vorstellbar ist, wie man Rassist sein kann.

Sie wurden selbst wiederholt als Familienrebell dargestellt. Gibt es mit ihren eigenen Kindern denn auch Reibereien?

Ich bin relativ undogmatisch, was die Entwicklung meiner Kinder angeht, wohin sie wollen und welchen Beruf sie ergreifen wollen. Die suchen sich ihre Wege selber. Es hat bei allem den Anschein, dass sie in die Kreativbranche gehen. Wie kann das wohl kommen (lacht)?

Sie wollten nie als „Sohn von“ bezeichnet werden. Wie sieht es da bei Ihren Kindern aus, die nun ebenfalls einen großen Namen tragen?

Natürlich reflektieren die das, was in der Öffentlichkeit von mir wahrgenommen wird. Da gibt es Dinge, die finden sie toll. Und da gibt es Dinge, die finden sie blöd. Das ist aber auch normal und okay. Ich lasse mich auch gerne von meinen Kindern kritisieren, kein Thema.

Haben Sie eigentlich ein Parteibuch?

Nein. Ich war in der Bunten Liste engagiert, einem Vorläufer der Grünen. Ich war auf dem Gründungsparteitag und hatte aber keine Lust, Mitglied zu werden. Es ist ja egal, welcher politischen Strömung man angehört: Politik ist ein taktisches Business. Da geht es nicht um die Wahrheit, sondern darum, wie legt man wen aufs Kreuz. Dieser Tage sehen wir ja, wohin das führen kann, wenn Leute zu viel Machtfantasie haben. Das war mir immer unangenehm und habe ich nie als mein Business angesehen. Ich habe mich dann stärker im Kulturbereich engagiert. Ich kann sehr gut unterscheiden, von welchen Themen ich etwas verstehe und von welchen ich keine Ahnung habe.

Sehr viel Ahnung haben Sie nachweislich von Musik, sie waren als Schlagzeuger in mehreren Bands aktiv. Wovon wird Ihr heutiger Alltagsrhythmus bestimmt – mehr von Bassdrum, Snare oder Hi-Hat?

Es gibt auf jeden Fall einen Groove. Gerade komme ich von einem Termin, bei dem es um ein Musiklabel ging. Da gibt es auch interessante Entwicklungen, in den letzten 15 Jahren hat sich das Musikgeschäftsmodell schon dreimal geändert. Das ist faszinierend, wie schnelllebig die Dinge sich verändern. Da denkt man, das ist jetzt das Neue, und dann ist das Neue ein paar Jahre später aber auch schon wieder alt. Das ist höchstspannend.

Trauern Sie Viva hinterher?

Lineares Musikfernsehen halte ich für tot. In Zeiten von YouTube, in denen ich auf alles Zugriff habe, hätte das nicht mehr so eine Stimme. Aber ich nehme wahr, dass es eine Generation Viva gibt. Es erfüllt mich, dass wir so einen Drive reinbringen konnten. Die erste Hip-Hop-Sendung gab es auf Viva. Und Leute wie Stefan Raab, das war epochales Entertainment und Fernsehgeschichte.

Apropos Hip-Hop und Playlist – hören Sie eigentlich Snoop Dogg?

Ja klar, der gehört ja zu den Künstlern, die unüberhörbar sind. Ich finde Snoop Dogg eine coole Sau, einen großartigen Entertainer. Wirkt immer ein bisschen stoned, was er wohl auch ist. Aber mir ist er sympathisch.

Snoop Dogg hat gerade 13 Millionen Euro in eine deutsche Firma investiert, die den hiesigen Medizinal-Cannabis-Markt anführt und sich bereits für eine mögliche Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken positioniert. Sie sind Hauptgesellschafter eines Unternehmens, das CBD-Produkte verkauft. Wäre eine Öffnung Richtung THC auch für Sie vorstellbar?

Ich bin seit 2019 an der CannaCare Health GmbH beteiligt, die unter dem Markennamen Canobo verschiedene CBD-Produkte produziert – vom Mundöl über Kosmetik bis zum Muskelgel. Mit dem THC-Markt, die Herstellung und der Vertrieb von THC-Produkten zu medizinischen Zwecken sind ja heute schon erlaubt, haben wir nichts zu tun. Grundsätzlich könnte man aber über THC-Produkte zu Genusszwecken nachdenken. Allerdings stellt sich die Frage derzeit nicht: Viele haben gedacht, nur weil die Ampelkoalition Cannabis generell legalisieren will, käme eine Entkriminalisierung sofort. Da sind aber noch ganz viele Hürden zu nehmen. Unter zwei Jahren sehe ich das gar nicht. Es gibt das Problem, dass die Leute diese Pflanze immer noch stigmatisieren und jeden ihrer Inhaltsstoffe für Teufelszeug halten. Das ist aber Quatsch. Es ist ein Riesenversäumnis und unverständlich, dass man über so einen langen Zeitraum eigentlich gar keine Forschung an dieser Pflanze betrieben hat. Ich bin kein Wissenschaftler, aber ich habe noch von keiner Studie gehört, die CBD eine schlechte Eigenschaft nachsagt, sondern eigentlich immer nur gute Eigenschaften. Daher finde ich es problematisch, dass uns bei der Markterschließung noch so viele Steine in den Weg gelegt werden und bei den Staatsanwaltschaften noch eine so große Skepsis vorhanden ist.

Bei Cannabidiol?

Ja, auch CBD-Produkte enthalten in verschwindend geringen Mengen THC. Im Falle von Canobo sind es etwa 0,02 Prozent. Das ist gänzlich unschädlich. Dennoch versuchen einige Staatsanwaltschaften vor diesem Hintergrund, den Verkauf von CBD-Produkten zu untersagen. Aber ich weiß, dass ich auf der richtigen Seite stehe. Ich weiß, dass ich ein gutes Produkt habe. Ich kenne persönlich Menschen, denen es hilft.

Ihnen selbst auch?

Ja, gegen Jetlag zum Beispiel ist das für mich auch eine Hilfestellung. Dann muss ich keine Schlaftabletten nehmen, was ja immer viel kritischer zu sehen ist für den Organismus.

Und auch die Legalisierung von THC würden Sie befürworten?

Das habe ich immer schon. Aber ich kenne natürlich auch die Vorbehalte. Ich kenne auch persönlich Leute, wo ich sagen würde, das ist eher ein abschreckendes Beispiel. Aber das gilt für andere Genussmittel ganz genauso. Es gibt Leute, die Kaffee nicht gut vertragen, es gibt Leute, die Alkohol nicht gut vertragen und aggressiv werden oder sonst was. Es hat immer mit der psychischen Verfassung zu tun. Alles, was sich in diesem Rauschbereich bewegt, ist immer ein emotionaler Verstärker. Man kann Alkohol gebrauchen und man kann ihn missbrauchen. Man kann auch Cannabis gebrauchen oder missbrauchen. Als psychoaktive Droge ist mir das schon bewusst, wobei ich es als ein Genussmittel sehe.

Das Sie selbst auch schon gebraucht haben?

Ja, natürlich. Die meisten gebrauchen es in ihrer Jugend. Der Joint kreist dann mal in der Clique, es ist ein Stück Geselligkeit und soziale Interaktion. Da spielen viele Dinge eine Rolle, die eigentlich auch positiv zu bewerten sind. Aber irgendwann sagen Sie sich: „Nee, ich habe lieber einen klaren Kopf.“ Dann hat man sich eine Aufgabe vorgenommen, die man jetzt lösen möchte, und dann bleibt der Joint halt liegen.

Bitte ergänzen Sie ...

Durch die Pandemie habe ich … das Fahrradfahren für mich entdeckt.

Der FC St. Pauli steigt auf, weil … die Spieler alle gut eingestellt sind. Und Trainer Timo Schultz das St.-Pauli-Gefühl kennt.

Bei Fridays for Future denke ich … an eine Bewegung, die sich für etwas einsetzt. Das ist schlauer als bei uns früher, als wir immer Anti waren.

Viva war besser als MTV, weil … deutsche Künstler gezeigt worden sind. Und die Moderatoren frisch, jung, anders, frech und originell waren. Sie hatten den richtigen Sound.

Ich entspanne am besten, indem ich … Musik höre und aufnehme. In meinem eigenen Studio habe ich die schönsten Momente.

Zur Person

Geboren wird Frank Otto 1957 in Hamburg als drittes von fünf Kindern des Unternehmers Michael Otto. Er emanzipiert sich vom Versandhandel seines Vaters und findet seine Berufung in der Kultur. Nach einem Studium an der Kunsthochschule Kiel baut er sukzessive ein eigenes Firmen-Imperium auf. Mit den Gründungen des Programms OK Radio oder der TV-Sender Hamburg1 und Viva macht er sich vor allem als Medien-Pionier einen Namen. Für den Klimaschutz engagiert sich der Träger des Bundesverdienstkreuzes unter anderem mit seiner Deutschen Meeresstiftung. Seit 2019 ist der vierfache Vater an der CannaCare Health GmbH beteiligt, die CBD-Produkte vertreibt.

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