24-Stunden-Reportage: Mit dem Discobus nach Hause
Anne-Mai, Lina, Jenna und Merle (von links) sind auf dem Weg nach Hause nach Hollenstedt. Sie fahren mit dem Discobus vom Ta-Töff in Bevern gut eineinhalb Stunden bis Buxtehude, von wo sie ein Elternteil abholt.
Nach der Disco den öffentlichen Personennahverkehr nutzen? Am Wochenende gibt es den Bus, mit dem junge Leute am Sonntagmorgen gegen vier Uhr von der Beverner Diskothek Ta-Töff zurück nach Hause fahren. Eine Stunde mit dem „Nightfighter“ durch die Morgendämmerung.
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Es ist kurz vor vier Uhr. Busfahrer Eckhard Meyer dreht den Zündschlüssel und startet den Bus, der hinter der Beverner Diskothek „Ta-Töff“ unter den Bäumen parkt. Das Fahrzeug steht an keiner typischen Bushaltestelle. Meyer ist am Tag zuvor um 21 Uhr in Buxtehude an der Wachtelburg gestartet. Die Fahrt führte ihn und die Zusteigenden über das Alte Land und die Geest in den Nachbarkreis Rotenburg. Um 22.45 Uhr parkte der KVG-Bus in Bevern, abseits der Straße. Meyer ging in die Diskothek in einen Aufenthaltsraum für Busfahrer. Jetzt, gegen 4 Uhr morgens, geht die Reise zurück.
Der 63-jährige Eckhard Meyer ist seit 13 Jahren auch als Discobus-Fahrer der KVG im Einsatz.
„Seit 13 Jahren fahre ich den Discobus“, sagt Eckhard Meyer. Der 63-Jährige hat sichtlich Spaß an der Arbeit, jeder Fahrgast wird mit einer fröhlichen Begrüßung wieder an Bord genommen. Die Karten gelten jeweils für Hin- und Rückfahrt, und sogar der Eintrittspreis ist in den acht bis zehn Euro pro Karte enthalten. Diesmal ist niemand dabei, der nicht auch schon die Hinfahrt mit dem „Nightfighter“ absolviert hätte. So heißt der Discobus, der immer sonnabends zwischen Buxtehude und „Ta-Töff“ pendelt. Im Sommer ist der Bus nach Buxtehude das einzige Angebot. Es gilt ein reduziertes Programm wegen der Sommerferien und Zeltdiscos in der Region. Ab Oktober fahren dann wieder vier Discobusse.
Merle, Jenna und ihre Freundinnen wollen jetzt nach Hause. Sie haben viel getanzt. „Es war ein bisschen leer“, erzählen die 18-Jährigen. Ein Elternteil wird sie von der Bushaltestelle in Buxtehude abholen, dann geht es weiter nach Hollenstedt. Für die jüngere Generation gibt es nicht mehr viele Diskotheken südlich von Hamburg. Unter anderem die Buxtehuder „Garage“ und das Moisburger „MicMac“ fehlten auf dem Partyplan, erzählen die jungen Frauen. Da liegt Bevern gar nicht so fern.
Alina aus Fredenbeck und Marcel aus Drochtersen freuen sich, dass es den Discobus gibt.
Der Discobus macht es leichter, ins „Ta-Töff“ zu kommen. „Die Idee kam von den Jugendvertretungen in Harsefeld und Fredenbeck“, erzählt Busfahrer Meyer. Nach ersten Gesprächen zwischen den Diskothekenbetreibern, KVG und den Kommunen startete der „Nightliner“, ein Bus, der von Stade anfangs noch über Fredenbeck, Harsefeld und Kutenholz nach Bevern fuhr. Ziel war es, dass junge Feierlustige aus der ländlichen Region möglichst sicher in die Discos und zurück kommen. So ist auch problemlos, etwas Alkoholisches zu trinken. Im Discobus nach Buxtehude hat es an diesem Morgen keiner der Mitfahrenden mit dem Trinken übertrieben.
Marcel Groth fährt mit seiner Freundin Alina heute nach Fredenbeck. Eigentlich kommt der 22-Jährige aus Drochtersen. Die Sommerpause der anderen Busse findet er nicht gut. Wer als junger Mensch aus einem der Dörfer einmal aus seiner Gegend zum Feiern heraus wolle, habe doch ohne Auto oder Elterntaxi keine andere Möglichkeit, meint der Kehdinger. Und auch wenn die Tour nicht kurz ist, immerhin sei die Fahrt bezahlbar. „Wer weiß, ob wir uns sonst kennengelernt hätten“, sagt Groth und lächelt zu seiner Freundin Alina hinüber. Per Bus waren beide nach Bevern gekommen, einer aus Kehdingen, eine von der Geest. In der Disco hatten sie sich getroffen.
An Sonnabenden nutzen nach Informationen der KVG durchschnittlich 150 Fahrgäste die Discobusse, um mit ihnen in die Diskothek und wieder nach Hause zu gelangen. Die 25 Fahrgäste an diesem Tag haben sich durch das gesamte Fahrzeug verteilt. Viele Plätze sind frei, ein paar Mitfahrer haben die Köpfe an die Scheibe gelehnt und versuchen zu schlafen. Die Müdigkeit kommt langsam auf dem Weg nach Hause – zum Ausschlafen.
Busfahrer Eckhard Meyer hat mit dem „Nightfighter“ an der Haltestelle in Fredenbeck angehalten. Noch ist es dunkel, aber es dämmert schon. Fotos Fehlbus
Der Bus schunkelt beruhigend über die Straßen, über denen anfangs wenig Licht zu sehen ist. In Fredenbeck, dem ersten Haltepunkt, liegt die Nacht wie ein Vorhang vor den großen Busfenstern. „Im Winter ist richtig Betrieb“, berichtet Marcel Groth. Dann seien die Busse auch größer und voll besetzt. An der Haltestelle werde angestanden. Der „Nightcruiser“ fährt dann über Elm, Bremervörde, Burweg, Himmelpforten, Hammah nach Stade. Der „Nightdriver“ absolviert seine Tour über Lamstedt, Dornbuschermoor und Drochtersen nach Dornbusch und Wischhafen.
Der „Nightliner“ macht unter anderem Station in Essel, Kutenholz, Brest, Bargstedt, Ahlerstedt und Harsefeld sowie in Stade. Und der „Nightfighter“ – der fährt an diesem Tag weiter über Helmste, Horneburg, Mittelnkirchen, Jork und Königreich bis nach Buxtehude. An den letzten Stationen gegen fünf Uhr morgens steigen die meisten aus. Um halb fünf ist es schlagartig hell geworden. „Schönen Sonntag noch“, wünscht Busfahrer Eckhard Meyer. Ein neuer Tag hat während seiner Schicht begonnen. Wenn er in Buxtehude gegen 5.20 Uhr zurück auf das KVG-Gelände fährt, hat er Feierabend. Nach zwei Fahrten. Aber die sind etwas ganz Besonderes.
Für die Serie „24 Stunden: Reportagen rund um die Uhr“ verbringen TAGEBLATT-Redakteure je eine Stunde an einem Ort in der Region. Start und Ende der Serie ist 0 Uhr, was 24 Stunden und damit 24 Serienteile ergibt. Und das sind die Folgen:
- Teil 1: In der Verpackungsindustrie
- Teil 2: Im Altenheim
- Teil 3: Im Musikladen Heinbockel
- Teil 4: Im Elbe Klinikum
- Teil 5: Mit dem Bevern-Bus on Tour
- Teil 6: Auf dem Wochenmarkt
- Teil 7: Im Tower bei Airbus
- Teil 8: Der Hausmeister
- Teil 9: Die Wasserschutzpolizei
- Teil 10: Bei Stackmann
- Teil 11: Auf der Baustelle
- Teil 12: Der Parkplatzwächter
- Teil 13: Am Bratwurststand
- Teil 14: Der Tierpfleger
- Teil 15: In der Demenz-WG
- Teil 16: Am Strand
- Teil 17: Bei der Orgelführung
- Teil 18: Der Streetworker
- Teil 19: Bei der Ernte
- Teil 20: Beim Party-Service
- Teil 21: Im Freibad
- Teil 22: Beim Kampfsport
- Teil 23: Im Einzelhandel
- Teil 24: In der Kneipe