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Wasserkrise auf der Geest

Appell des Trinkwasserverbands: Wasser ist ein kostbares Gut

In den Becken werden aus dem Brunnenwasser nach Sauerstoffzufuhr auf natürliche Weise Eisen und Mangan ausgefiltert . Für mehr Wertschätzung für das kristallklare Wasser, das in rund 50 000 Haushalte geht, werben TWV-Geschäftsführer Fred Ca

In den Becken werden aus dem Brunnenwasser nach Sauerstoffzufuhr auf natürliche Weise Eisen und Mangan ausgefiltert . Für mehr Wertschätzung für das kristallklare Wasser, das in rund 50 000 Haushalte geht, werben TWV-Geschäftsführer Fred Ca

Der Trinkwasserverband (TWV) Stader Land versorgt im Kreis rund 50.000 Haushalte mit Wasser. In Teilen der Samtgemeinden Harsefeld, Apensen und Fredenbeck, besonders aber im Flecken Harsefeld, hatte es zuletzt Probleme mit dem Wasserdruck gegeben.

Freitag, 31.07.2020, 19:10 Uhr

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Zum Teil liefen Waschmaschinen nicht, aus dem Hahn im Obergeschoss kam kein Tropfen. Bevor der Sommer jetzt noch einmal durchzustarten scheint, luden die Verantwortlichen ins Wasserwerk Dollern ein. Ihr Appell an alle: Trinkwasser ist ein kostbares Gut, mit dem sorgsam umgegangen werden sollte.

Die Pumpen im Wasserwerk in Dollern laufen unaufhörlich, es brummt in lichtdurchfluteten Räumen. Zu sehen ist wenig von dem Wasser, das in Dollern aus 60 Metern Tiefe heraufgepumpt und zu Trinkwasser aufbereitet wird. Dabei ist der Begriff wörtlich zu nehmen. Trinkwasser werde engmaschiger als jedes Mineralwasser kontrolliert, sagt TWV-Geschäftsführer Fred Carl, „ein Mensch muss es ein Leben lang trinken können, ohne Schaden zu nehmen.“

Ein Blick ins Herzstück des Wasserwerks in Dollern.

Ein Blick ins Herzstück des Wasserwerks in Dollern.

Der neue und der alte Verbandsvorsteher, Hans-Werner Hinck und Peter Sommer, haben Medienvertreter zu einem Gespräch eingeladen. Sie wollen wegkommen von den Vorwürfen, es werde in Harsefeld zu viel und zu oft der Rasen gesprengt. Aber schnell ist der Kritikpunkt grundsätzlich für den gesamten Landkreis wieder da. Die Spitzen der Wasserentnahme fallen alle auf die Sommermonate. Auffallend ist die Zunahme ab 18 Uhr, die Zeit, in der die meisten ihren Garten bewässern. „In den Wintermonaten gibt es diese Spitzen nicht“, macht Peter Sommer deutlich. Langzeitmessungen zeigen, dass die Entnahmen zwischen Mai und September auch noch einmal steigen, wenn eine längere Trockenperiode ohne Niederschlag zu verzeichnen ist oder es sehr heiß wird.

Problem: Die Geest liegt höher

Die Klagen über zu wenig Wasserdruck kommen vor allem aus Neubaugebieten in Harsefeld. Aber nicht nur. Auch in Sauensiek, Teilen der Gemeinde Ahlerstedt und der Samtgemeinde Fredenbeck sinkt der Druck nachweislich unter die Grenze von 2,3 Bar. Aus Kehdingen und dem Alten Land ist nichts zu hören. Das liegt maßgeblich daran, dass die Geest höher liegt, erklärt Peter Sommer, der 21 Jahre die Geschicke des TWV begleitete. Das Wasser muss sich den langen Weg durch Rohrleitungen bahnen. In den Monaten September bis April kommt an jeder Stelle des Landkreises genug an. Aber wird zusätzlich zum normalen Hausverbrauch Wasser entnommen, erhöht das die Fließgeschwindigkeit. „Hohe Fließgeschwindigkeit, hohe Rohrreibung“, erklärt Wasser-Ingenieur Fred Carl. Das führt zu Druckverlust. „Die höchstgelegenen Gemeinden merken es als erste“, sagt Peter Sommer, langjähriger Samtgemeindebürgermeister von Apensen. So gibt es auch aus Sauensiek Rückmeldungen über geringen Wasserdruck.

Versäumt worden sei nichts beim Ausbau des Rohrleitungsnetzes, stellt Hans-Werner Hinck klar. Auch für die Zukunft stehen erhebliche Investitionen an. Entscheidend sei die Entnahme von mehr Wasser – und dies zu bestimmten Zeiten. Jeder im Landkreis Stade sollte auch an andere denken und davon absehen, an heißen Sommertagen ausgerechnet in den Abendstunden zwischen 18 und 21 Uhr zu wässern. Hinck appelliert: „Es liegt an jedem Einzelnen, sorgsam mit dem Trinkwasser umzugehen.“

Massiver Druckabfall schon zu Pfingsten

Für den Unmut vieler Anwohner aus Harsefeld zeigen alle drei Vertreter des kommunalen Versorgers Verständnis. Dort war es in diesem Jahr schon zu Pfingsten zu einem massiven Druckabfall gekommen, der beim Minimumwert 0,63 Bar landete. „Da kommt wirklich nichts mehr aus dem Hahn“, sagt Fred Carl.

In Harsefeld soll nun schnell ein Zwischenspeicher mit 1000 bis 1500 Kubikmetern Fassungsvermögen gebaut werden, um die Spitzen abpuffern zu können. In Planung ist ein Platz auf dem Gelände der Kläranlage im Butendiek, wo die Druckerhöhungsstation steht. Voraussichtlich am 4. Oktober soll die Entscheidung im Gemeinderat fallen. Die Investitionen sind fest eingeplant.

Anstieg des Wasserverbrauchs im Sommer : In diesem Jahr stieg der Wert ab April über 700 000 Kubikmeter. Die Linie zeigt die Vorjahreswerte.

Anstieg des Wasserverbrauchs im Sommer : In diesem Jahr stieg der Wert ab April über 700 000 Kubikmeter. Die Linie zeigt die Vorjahreswerte.

1600 Kilometer Rohrleitungen

Die Wasserwerke des Trinkwasserverbandes Stader Land stellen jährlich mehr als 7,3 Millionen Kubikmeter Trinkwasser zur Verfügung. Davon nutzt jeder Einwohner im Versorgungsbereich durchschnittlich 153 Liter täglich. Gewonnen wird das Wasser aus 37 Brunnen. In die Haushalte gelangt es über rund 1600 Kilometer Rohrleitungen. In Dollern ist ein Wasserwerk sowie die Geschäftsstelle des Trinkwasserverbandes Stader Land.

Das Wasserwerk Dollern wurde 1960 in Betrieb genommen und verfügt über eine Förder- und Aufbereitungsleistung in Höhe von 3,65 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Die Reihe von 18 Brunnen zieht sich entlang des Geesthanges zwischen Dollern und Agathenburg, sie sind 40 bis 60 Meter tief. Im Wassergewinnungsgebiet des Werks in Heinbockel, das große Teile der Geest versorgt, wird das Rohwasser aus einer Tiefe von 50 bis 220 Metern entnommen.

Der Trinkwasserverband Stader Land ist 1990 entstanden aus den ehemaligen Wasserverbänden Wasserversorgungsverband Kehdingen und Wasserleitungsverband Altes Land. Er versorgt das Gebiet des Landkreises Stade mit Ausnahme der Kernbereiche der Städte Stade und Buxtehude mit Trink- und Betriebswasser. Bereits 1928 gab es eine ländliche Wasserversorgung im Alten Land, die nach und nach ausgedehnt wurde. Die Eigenversorgung aus Zisternen und eigenen Brunnen wurde abgelöst.

Quelle: Trinkwasserverband

Noch Standard, kein Luxus

Ein Kommentar von Miriam Fehlbus

Wer einmal längere Zeit vor einem tröpfelnden Wasserhahn gesessen hat und sich Gedanken machen musste, wie Kaffeemaschine, Dusche oder Toilettenspülung bestückt werden können, der hat ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, wenn Trinkwasser nicht in scheinbar unbegrenzter Menge frei Haus zur Verfügung steht. Ersatz muss her. Nicht selten kommt dann das teuer gekaufte Wasser aus Flaschen für ungewohnte Dinge zum Einsatz.

Die andere Seite: Wetterlagen, in denen es lange nicht regnet. Irgendwann sind die Regentonnen, die unterirdischen Brauchwasserspeicher leer. Wer jetzt keine von der Gesellschaft geächtete Steinfläche á la Garten des Grauens hat, fängt an zu gießen – ohne eigenen Brunnen mit Trinkwasser.

Es stimmt: Wasser in der Qualität, in der es unsere Haushalte erreicht, ist eigentlich zu schade als Blumengießwasser. Aber dann muss es auch zu schade sein, um damit die Klospülung zu betätigen. Wer mit Bedacht gießt, darf dafür nicht von den Nachbarn verurteilt werden. Und auch nicht für das gefüllte Planschbecken für die Kinder. Im Moment droht jeder in Harsefeld und Umgebung auf den nächsten zu zeigen, der Wasser für die Bewässerung von Pflanzen nutzt – vom Landwirt mit meist eigenem Brunnen, bis zum Vorgartenbesitzer. Das ist der falsche Weg. Trinkwasser aus dem Hahn gehört in Deutschland zum Standard, wenigstens noch.

Aber es schadet nicht, sich Gedanken zu machen. Der Speicher, der kein Regenwasser mehr hat, könnte nachts befüllt werden. Glücklicherweise ist insgesamt bisher nicht zu wenig Wasser da. Es wird nur zunehmend zur gleichen Zeit entnommen.

 

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