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Klimawandel

Hitze und Starkregen: Wie Niedersachsen eine Wasserkrise verhindern will

Niedersachsens rot-grüne Landesregierung plant angesichts des Klimawandels neue Regeln für einen sorgsameren Umgang mit Wasser.

Niedersachsens rot-grüne Landesregierung plant angesichts des Klimawandels neue Regeln für einen sorgsameren Umgang mit Wasser. Foto: Sina Schuldt/dpa

Mal regnet es zu stark, dann wieder lange gar nicht: Niedersachsen will sein Wassermanagement neu aufstellen. Was das für Familien, Poolbesitzer und die Landwirtschaft bedeutet.

Von Christopher Weckwerth und Kilian Genius, dpa Donnerstag, 10.07.2025, 07:00 Uhr

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Hannover. Rasen sprengen, Beete gießen, Pools befüllen: Was im Sommer lange selbstverständlich gewesen ist, wird in Niedersachsen immer öfter eingeschränkt. Die Wasserreserven im Land schrumpfen, gleichzeitig steigt der Bedarf. Jetzt will die rot-grüne Landesregierung gegensteuern und hat eine Reform des Wassergesetzes vorgestellt. Sie soll den Schutz der wertvollen Ressource Wasser verbessern, Verfahren vereinfachen – und auch finanzielle Anreize setzen. Ein Überblick.

Warum will das Land den Umgang mit Wasser neu regeln?

Die Landesregierung reagiert auf die Klimakrise: Dürre und Hitze nehmen zu, die Grundwasserreserven gehen zuneige, Starkregen und Überschwemmungen werden häufiger. Mal gebe es zu viel Wasser und mal zu wenig – „und beides macht riesige Probleme“, sagte Umweltminister Christian Meyer (Grüne). Ziel ist ein modernes Wasserrecht, das die Versorgung langfristig sichert.

Was ändert sich beim privaten Wasserverbrauch?

Verbraucher sollen künftig bewusster mit Wasser umgehen – etwa durch Regenwassernutzung, sparsame Gartenbewässerung und gestaffelte Gebührenmodelle. Darauf legt nicht nur das Land, sondern auch der Naturschutzbund (Nabu) Wert. In Trockenzeiten könnten in besonders belasteten Regionen kommunale Sparvorgaben hinzukommen.

Müssen Bürger mit höheren Wasserpreisen rechnen?

Nein, durch das Gesetz steigen die Wasserpreise nicht. Wasserversorger sollen aber gestaffelte Tarife einführen dürfen. Damit könnten zum Beispiel Familien entlastet und „soziale Anreize zum Wassersparen“ gesetzt werden, sagte Minister Meyer. Der Grundbedarf könnte dann günstiger werden – ein überdurchschnittlicher Verbrauch, zum Beispiel für den Pool, dagegen teurer.

Welche weiteren Maßnahmen sind geplant?

Ökologische Maßnahmen, etwa zur Renaturierung von Flüssen oder zur Wiedervernässung von Mooren, sollen einfacher umgesetzt werden können. Die Kommunen sollen mehr Spielraum bekommen, um Wasserentnahmen zu steuern und bei Knappheit einzuschränken. Außerdem sollen innovative Techniken wie fischfreundliche Wasserkraft, schwimmende Solaranlagen oder Wärmepumpen, die die natürliche Wärme von Seen und Flüssen nutzen, einfacher zugelassen werden.

Wie steht es um die Wasserversorgung?

Dem Umweltministerium zufolge ist die öffentliche Versorgung in Niedersachsen „grundsätzlich noch sichergestellt“. Doch Hitze und Trockenheit setzen dem System zu: Die Grundwasserstände seien vielerorts niedrig, auch Talsperren führten weniger Wasser.

Bei anhaltender Trockenheit griffen Landkreise zunehmend zu Einschränkungen, etwa bei der Garten- oder Feldbewässerung. Unter anderem Braunschweig und Salzgitter, die Region Hannover sowie die Landkreise Nienburg, Wolfenbüttel, Göttingen und Lüchow-Dannenberg haben die Bewässerung eingeschränkt. Eine komplette Übersicht hat das Land nicht.

Wie ausgetrocknet sind die Böden und Flüsse derzeit?

Der wenige Regen im Frühjahr hat dem Ministerium zufolge dazu geführt, dass die Böden austrocknen. Besonders betroffen sind das östliche und zentrale Niedersachsen, wo die Böden sandig sind. „Diese Regionen können durch die Bodenbeschaffenheit auch in Zukunft stärker von Trockenheit oder Dürre betroffen sein“, heißt es vom Ministerium.

Auch an vielen Flüssen ist der Wasserstand niedrig – und für die kommenden Tage werden gleichbleibende bis weiter sinkende Wasserstände prognostiziert. Insbesondere die Elbe und die Aller sind vom Niedrigwasser betroffen. Der Stand der Elbe von 73 Zentimetern am Pegel Neu Darchau (Landkreis Lüchow-Dannenberg) etwa stelle den fünftniedrigsten Wasserstand seit 1892 dar.

Wer verbraucht eigentlich wie viel Wasser?

Bisher entfallen fast zwei Drittel der Entnahmen aus dem Grundwasser auf die öffentliche Wasserversorgung, die übrigen Mengen – jeweils rund ein Fünftel – werden zur Beregnung von Feldern sowie für die Industrie genutzt. Bis 2050 könnte sich das Verhältnis der Regierung zufolge aber ändern: Insgesamt werde der Wasserbedarf steigen – und zwar insbesondere in der Landwirtschaft. Für die Feldberegnung könnten dann fast 600 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnommen werden, statt rund 250 Millionen Kubikmeter im Jahr 2015.

Welche Forderungen stellt die Landwirtschaft?

Um die Lebensmittelproduktion zu sichern, ist die Beregnung der Felder in Trockenphasen nach Angaben des Landvolks unerlässlich. Ein nachhaltiges Wassermanagement sei dabei ein landwirtschaftliches Grundprinzip. Heißt: Überschüssiges Wasser müsse effizient gespeichert werden, um es bei Trockenheit nutzen zu können. Außerdem brauche es Strategien für eine effiziente Versickerung von Wasser, um die Grundwasservorräte aufzustocken.

Die geplante Gründung von Beregnungsverbänden geht für den Bauernverband grundsätzlich in die richtige Richtung. Noch sei aber zu prüfen, ob die Interessen von „Einzelregnern“ dann noch ausreichend gewahrt blieben.

Wie reagieren Naturschützer auf die Pläne?

Der Nabu begrüßt die Reform grundsätzlich. Positiv bewertet der Verband, dass Wasserentnahmen besser erfasst werden sollen und Behörden bei übermäßiger Nutzung schneller eingreifen könnten. Kritisch sehen die Naturschützer die geplanten Verfahrensvereinfachungen: Sie warnen davor, den Gewässerschutz zugunsten schneller Genehmigungen zu schwächen.

Welche Kritikpunkte gibt es?

Die CDU im Landtag unterstützt die Ziele des Gesetzentwurfs, mahnt aber eine praxistaugliche Umsetzung an. Maßnahmen zum Wasserschutz dürften nicht zu mehr Bürokratie oder zusätzlichen Belastungen für Eigentümer und Landwirte führen, sagte die CDU-Umweltpolitikerin Verena Kämmerling. Zudem fordert die Opposition eine stärkere Betonung des technischen Hochwasserschutzes.

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