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Wesermarsch

Bioabfall gefährlich für Deichschafe - Mehrere Tiere verendet

Hilke Strodthoff-Schneider muss derzeit Lämmchen mit der Flasche aufziehen. Die Muttertiere sind verstorben. Zum Teil liegt das an Biomüll, den Spaziergänger und auch Anwohner auf die Deiche werfen. Foto: Schubert

Hilke Strodthoff-Schneider muss derzeit Lämmchen mit der Flasche aufziehen. Die Muttertiere sind verstorben. Zum Teil liegt das an Biomüll, den Spaziergänger und auch Anwohner auf die Deiche werfen. Foto: Schubert

Lebensmittelreste und Rasenschnitt lösen bei den Schafen Koliken aus. Und die können tödlich enden. Die Deichschäferei in Rodenkirchen (Landkreis Wesermarsch) hat innerhalb von zwei Wochen bereits zwei Muttertiere bedingt durch Koliken verloren.

Donnerstag, 07.04.2022, 13:00 Uhr

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Von Sarah Schubert

„Bitte füttern Sie die Schafe nicht“, steht deutlich auf den laminierten Plakaten, die Hilke Strodthoff-Schneider von der Deichschäferei in Rodenkirchen seit Jahren entlang ihres Deichabschnitts anbringt. Nützen tun die jedoch nichts. Teilweise werden sie sogar abgerissen. Der Grund für die Schilder: Immer wieder werfen Menschen Grasschnitt und Lebensmittelreste auf die Deiche. „Sie meinen es bestimmt nur gut“, sagt Hilke Strodthoff-Schneider. „Aber leider hat es den gegenteiligen Effekt.“ Vier ihrer Tiere sind in diesem Jahr schon verendet. Und das, obwohl sie erst seit gut zwei Wochen draußenstehen.

Gärungsprozess sorgt für Koliken

Das Problem an den Bioabfällen ist, dass bei ihnen der Gärungsprozess rasant einsetzt. Vor allem Rasenschnitt gärt bereits innerhalb von einer Stunde. Die neugierigen Schafe fressen die Reste und erleiden Koliken, an denen sie mitunter verenden. „Wir müssen ständig Abfälle einsammeln und entsorgen. Neben Rasenschnitt sind meist Eisbergsalat, Kohlrabiblätter, Möhrenabfälle und Kohl darunter“, berichtet die Deichschäferin. Seit vier Jahren werden die Abfälle mehr. Hilke Strodthoff-Schneider geht davon aus, dass die Trockenheit 2018 der Auslöser gewesen ist. „Viele dachten damals, dass die Tiere Hunger leiden, aber das war gar nicht der Fall“, sagt sie. Die Grasnarben haben den Tieren vollkommen ausgereicht. „Wir haben sogar Rundballen auf die Weiden gestellt, aber die Schafe sind da nicht rangegangen“, so die Deichschäferin. Und auch an einer Versorgung mit Frischwasser mangle es den Tieren nicht.

Zwei Schafe nachweislich an Koliken verstorben

Zwei der verendeten Schafe sind mit Gewissheit an Koliken verstorben. Mit Schaum vor dem Mund und völlig aufgebläht haben Hilke Strodthoff-Schneider und ihr Mann Hans-Gerd die Tiere vorgefunden. Die Lämmchen dieser beiden Muttertiere müssen nun ohne Muttermilch großgezogen werden. „Nicht immer kann man alle Lämmchen einfangen und manchmal nehmen sie hier im Stall dann auch nicht die Flasche“, sagt die Deichschäferin. Derzeit hat sie sieben Lämmchen, die sie versucht, mit der Flasche aufzupäppeln. Die Kleinen sind noch sehr schwach. Ob sie alle durchbekommt, weiß die Deichschäferin nicht.

Auch einen Anwohner habe Hilke Strodthoff-Schneider schon ansprechen müssen, weil er seinen Rasenschnitt mehrfach auf den Deich geworfen hat. „Der hat sich sofort einsichtig gezeigt, als ich ihn über die Folgen aufgeklärt habe“, sagt sie. Nun hoffe sie darauf, auch andere Menschen dafür zu sensibilisieren. Die Deichschäferei betreiben sie und ihr Mann im Nebenerwerb. Bei insgesamt 120 Hektar gepachtetem Land, 650 Mutterschafen und etwa 600 Lämmchen ist es schwer, jeden Biomüll zu entdecken, bevor die Tiere ihn verspeist haben. „Und wir fahren schon jeden Tag die Deichstücke ab“, sagt Hilke Strodthoff-Schneider.

Übrigens sorgt nicht nur der Biomüll für Probleme. Achtlos weggeworfene Kronkorken können zu verletzten Füßen und unter Umständen zu Entzündungen bei den Schafen führen. Und davon landen reichlich auf den Deichen. Und auch Plastik- und Elektromüll, der einfach an den Zäunen abgeladen wird, ist alles andere als gut für die Tiere. „Schafe sind einfach neugierig, die gehen überall ran“, sagt die Deichschäferin. Bevor die Tiere im April auf die Deiche gelassen werden, sammeln sie und ihr Mann deshalb Müll entlang des Deichabschnitts. Das ist längst zur Normalität geworden.

Wichtig für Deichsicherheit

Auch von anderen Deichschäfereien hat das Paar Strodthoff-Schneider schon gehört, dass es ähnliche Probleme gibt. „Viele Menschen scheinen zu vergessen, wie wichtig Schafe für die Deichsicherheit sind“, sagt Hilke Strodthoff-Schneider. Dass diese Tiere die Deiche festtreten und das Gras kurzhalten, sorgt dafür, dass er bei Sturmfluten gesichert ist. Weiter nördlich scheinen die Menschen das jedoch verstanden zu haben. Die Deichschäferei in Tettens bleibt jedenfalls von der Problematik mit den Bioabfällen verschont. „Wir haben das hier gar nicht“, sagt Deichschäferin Maria Gottschalk. Generell seien die Anwohner und Spaziergänger sehr vernünftig. „Die Leute passen mit auf die Tiere auf“, sagt sie und hofft, dass es auch zukünftig weiter der Fall sein wird. (skw)

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