Bruchbude wird Kult(ur)-Treffpunkt

Die Fischhalle im Harburger Binnenhafen schimmert im Abendlicht. Seit fünf Jahren ist sie ein beliebtes Ziel nicht nur für die Menschen im Quartier.
Von einer Vermittlungsstelle für Hafenarbeiter zu einem der beliebtesten Treffpunkte im Hamburger Süden: Wie die Fischhalle im Harburger Binnenhafen wurde, was sie ist und wer hinter dem Erfolg des Kulturzentrums am Kanalplatz steckt.
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In den vergangenen fünf Jahren ist wieder Leben in die Fischhalle im Harburger Binnenhafen eingekehrt. Das alte Gebäude ist seit 2016 zu einem beliebten Treffpunkt geworden. Genauso wie es sich sein stolzer Besitzer Werner Pfeifer einst gedacht und gewünscht hatte. Dass es aber tatsächlich eines Tages so kommen würde, war lange alles andere als selbstverständlich. Nur Pfeifers Beharrlichkeit rettete das Gebäude am Kanalplatz im Zentrum des Binnenhafens vor dem Abriss.
Nicht vielen war das Potenzial der Fischhalle vor der aufwendigen Renovierung ins Auge gefallen. Kein Wunder: Seit Jahren hatte das Gebäude ein eher unscheinbares Dasein hinter Gestrüpp und langsam bröckelnden Fassaden gefristet. Eigentlich hätte die etwa 200 Quadratmeter große Halle abgerissen werden und Platz machen sollen für ein weiteres schickes Bürogebäude, denn unter Denkmalschutz steht sie nicht. Dabei hat sie eine interessante Historie: Sie wurde 1906 unmittelbar am Hafen als Harburgs erste Fischhalle errichtet, bekam aber schon nach wenigen Jahren eine neue Funktion. Mit der Expansion des Harburger Hafens wurde dort die Einteilungs- und Vermittlungsstelle für Hafenarbeiter durch den Hafenbetriebsverein eingerichtet. Die Arbeiter bekamen dort auch ihren Lohn ausgezahlt. Allein im Jahr 1910 wurden in der Fischhalle mehr als 7000 Arbeitskräfte vermittelt.
Fast sieben Jahre lang stand die Fischhalle leer
Bis 1975 erfüllte das Gebäude an der Ecke Blohmstraße/Kanalplatz diese Funktion. Aus dieser Zeit blieben ein Schalterfenster, ein Tresor und maritime Wandmalereien in einem Nebenraum erhalten. Nach der Schließung als Vermittlungsstelle folgten gewerbliche Nutzungen, zum Beispiel als Autowerkstatt. Von 2009 bis Anfang 2016 stand die Fischhalle leer – bis Werner Pfeifer endlich Behörden und Ämter von seinem Konzept einer kulturellen Nutzung überzeugen konnte.
50.000 Euro blättert er für die marode ehemalige Hafenarbeitervermittlungsstelle hin. Insgesamt steckte er mehr als 500 000 Euro in die Verwirklichung seines Traums und baute die 110 Jahre alte Bruchbude mit viel Liebe zum Detail und der Hilfe des Architekten Jan Ostermann wieder auf. Mit Erfolg: 2018 erhielt die Fischhalle den Hamburger Denkmalpreis, obwohl sie eigentlich kein Denkmal ist.

Werner Pfeifer (links) und Architekt Jan Ostermann vor Baubeginn.
Heute ist das Gebäude genau das, was Pfeifer sich vor fünf Jahren vorstellte: „Eine Mischung aus Zeisehallen in klein mit einem bisschen Soulkitchen und dem Flair einer bretonischen Hafenkneipe“. Inzwischen ist das maritime Kulturzentrum mit Galerie und Gastronomie bei allen Generationen beliebt – Hauptsache, es geht ungezwungen zu.
Gallisches Dorf zwischen neuen Bürogebäuden
Im 150 Quadratmeter großen Hauptraum gibt es ein Bistro und eine Bühne, auf der regelmäßig Livemusik präsentiert wird. Schließlich ist Werner Pfeifer selbst ein leidenschaftlicher Liedermacher und Gitarrist. Der Hafenmeister des Museumshafen-Vereins hat ein Büro bekommen, und auch die Geschichtswerkstatt Harburg e. V. ist Mieter in Pfeifers Räumlichkeiten.
Nebenan entsteht gerade das Fraunhofer Centrum für Maritime Logistik und drängt die nur 20 Meter lange und zehn Meter breite Fischhalle ein wenig in den Hintergrund. Aber die Geschichte der Fischhalle und ihre Lage zwischen altem Gewerbe, neuen High-Tech-Unternehmen und hochwertigem Wohnen symbolisiert nach wie vor die Transformation des Binnenhafens von einer Industriebrache hin zu einer Symbiose aus altem Hafenflair und neuen Nutzungskonzepten. Sie bleibt zwischen all den neuen Bürogebäuden weiterhin das gallische Dorf.
Ein Stück altes Harburg, das nicht einfach abgerissen wurde
„Die Fischhalle ist zu einem lebendigen Treffpunkt der Menschen im Binnenhafen geworden. Es ist das Wohnzimmer im Hafen für Anwohner, Segler, Künstler und Musikfans“, sagt Werner Pfeifer. Mit einem so großen Erfolg habe er nicht gerechnet. „Die Menschen freuen sich über ein Stück altes Harburg, das nicht einfach abgerissen wurde. Sie brauchen Identität, eine wohlige Atmosphäre, ein Stück Heimat.“

Seit fünf Jahren herrscht wieder Leben in der Fischhalle. Fotos: Lepel/Pfeifer
Bei guter Musik, maritimer Deko, leckerem Essen und den selbst gebackenen Kuchen kommen diese Gefühle in der Fischhalle schnell auf. „Ich bin immer wieder überrascht über die tollen Kommentare unserer Besucher. Diese Halle hat einen besonderen Zauber“, sagt Pfeifer. Der Mann, der das schon immer wusste.
Die Serie
In loser Folge stellt das TAGEBLATT Bauwerke vor, die besondere, häufig unbekannte Geschichten erzählen. Heute: die Fischhalle im Harburger Binnenhafen.