„Dauereinsatz“ führt zu Überstundenberg bei Hamburger Polizei

Polizisten und ein Wasserwerfer stehen auf dem Steindamm in St Georg. Die Pro-Palästina Demonstration war verboten worden. Foto: Georg Wendt/dpa
Seit Beginn des Gaza-Kriegs ist die Hamburger Polizei noch mehr gefordert als sonst. Es gibt wöchentlich Demonstrationen, der Schutz jüdischer Einrichtungen steht im Fokus. Dazu kamen zuletzt arbeitsintensive Großeinsätze. Die Folge: ein Berg an Überstunden.
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Hamburg. Die Zahl der Überstunden ist um gut 100 000 gestiegen, Innensenator Andy Grote (SPD) spricht von einem „Dauereinsatz“ und die Gewerkschaft zieht schon Vergleiche zum Einsatz rund um den G20-Gipfel 2017 - die Hamburger Polizei arbeitet aktuell im Akkord. Wesentlicher Grund: Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober erfordert die Sicherheitslage und damit verbunden der Schutz jüdischer Einrichtungen die besondere Aufmerksamkeit der Polizei.
Dies wirkt sich nach Angaben der Innenbehörde auch auf die Zahl der zu leistenden Mehrarbeitsstunden aus. Die Gesamtzahl der Überstunden stieg demnach im vergangenen Monat im Vergleich zum dritten Quartal um gut 100 000.
Hamburger Polizisten im Dauereinsatz
Und da sind die jüngsten Großeinsätze noch gar nicht eingerechnet. Erst kam es am 4. und 5. November zu einer stundenlangen Geiselnahme am Flughafen, bei der 920 Polizistinnen und Polizisten aus mehreren Bundesländern im Einsatz waren. Vier Tage später rückten dann Hunderte Beamte aus, um nach Bedrohungen gegen Lehrkräfte zwei Schulen in den Stadtteilen Blankenese und Bahrenfeld zu durchsuchen. Eine derartige Häufung habe die Polizei Gott sei Dank selten, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün.
Dennoch schlagen die Gewerkschaften Alarm. „Diese Dauerbelastung kann man eigentlich nur mit dem G20-Gipfel vergleichen“, sagte Klemens Burzlaff, Landesvize der Deutschen Polizeigewerkschaft, mit Verweis auf die von massiven Ausschreitungen überschatteten G20-Tage im Sommer 2017 in der Hansestadt. Die Belastung insbesondere in der Landesbereitschaftspolizei und an den Kommissariaten sei grenzwertig hoch. „Um es klar zu sagen, viel darf nicht mehr passieren.“
Gewerkschaft fordert Langzeitkonten für Überstunden
Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Horst Niens, sieht einen „massiven Mehraufwand“ für die Hamburger Polizei. Und es sei davon auszugehen, dass auch die kommenden Tage sehr kräfteintensiv würden, sagte Niens der dpa. Zeitgleich drohe der Verfall von Mehrarbeit aus der Vergangenheit. Daher forderte der Hamburger GdP-Chef: „Wenn sich der Senat immer und jederzeit auf die Kolleginnen und Kollegen verlassen kann, bedeutet dies aber auch, dass keine geleistete Stunde verfallen darf. Daher muss die Möglichkeit geschaffen werden, Langzeitarbeitskonten einzuführen.“
Nach Angaben der Innenbehörde war die Zahl der Überstunden bei der Polizei in den vergangenen Jahren vor dem sprunghaften Anstieg im Oktober kontinuierlich gesunken. Die Gesamtzahl habe sich von über einer Million Stunden im ersten Quartal 2018 bis zum Ende des dritten Quartals 2023 halbiert.
Grote sieht die Hamburger Polizistinnen und Polizisten „seit fünf Wochen im Dauereinsatz - immer wachsam, hochprofessionell und mit dem notwendigen Augenmaß“. Sie sorgten in einer höchst angespannten Lage für Sicherheit und den Schutz jüdischen Lebens in Hamburg. „Mit Erfolg: Ihnen haben wir es zu verdanken, dass es in Hamburg deutlich ruhiger ist als in vielen anderen deutschen Städten.“
Demonstrationen für Palästina verboten
In der Hansestadt sind seit dem 15. Oktober laut Polizei alle nicht angemeldeten und nicht von der Versammlungsbehörde bestätigten sogenannten propalästinensischen Kundgebungen verboten. Eine entsprechende Allgemeinverfügung verlängerte die Polizei am Wochenende bis einschließlich kommenden Mittwoch. Nicht erlaubt sind demnach Versammlungen, die inhaltlich einen Bezug zur Unterstützung der Hamas oder deren Angriffe auf das Staatsgebiet Israels aufweisen.
Gegen das Verbot gingen am Sonnabend unter dem Motto „Gegen Grundrechtseinschränkungen. Für Versammlungsfreiheit“ nach Polizeiangaben in der Spitze bis zu 750 Menschen auf die Straße. Die Polizei habe darauf geachtet, dass alle Auflagen bei den Redebeiträgen und beim Zeigen von Fahnen und Transparenten eingehalten wurden, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Die Demonstration mit Ziel im Stadtteil St. Pauli sei friedlich verlaufen.
Fußballfans auf St. Pauli eskalieren
Ganz anders sah die Situation am Freitagabend rund um das Zweitliga-Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Hannover 96 (0:0) am Millerntor aus, als Polizei und Gästefans aneinandergerieten. Die Einsatzkräfte wurden von 96-Fans angegriffen, es kam zu Auseinandersetzungen. Teils waren Prügeleien, Becher- und Stangenwürfe zu sehen. Die Polizistinnen und Polizisten setzten Pfefferspray gegen Gästefans ein.
Nach der Partie seien die Einsatzkräfte aus einem Aufzug von St.-Pauli-Fans mit rund 300 Menschen heraus mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik angegriffen worden, sagte Burzlaff. Wieder kam es zum Einsatz von Pfefferspray. Die Fanhilfen beider Clubs kritisierten das Vorgehen der Einsatzkräfte. Erste Bilanz: 17 verletzte Polizisten und mindestens 15 verletzte Anhänger. „Erneut wurde der Fußball als Bühne für exzessive Gewalt gegenüber gegnerischen Fans und Einsatzkräften der Polizei missbraucht“, sagte Burzlaff.