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Natur-Phänomene

Der Kartoffelkäfer trotzt Pestiziden und Vögeln

Der Kartoffelkäfer ist in Deutschland selten geworden, Vorsicht ist aber immer noch geboten. Foto: Paulin

Der Kartoffelkäfer ist in Deutschland selten geworden, Vorsicht ist aber immer noch geboten. Foto: Paulin

Ursprünglich führte der Kartoffelkäfer ein unauffälliges Dasein. Doch mit zunehmendem Anbau von Kartoffeln wurde er zu einem Problem.

Sonntag, 24.09.2023, 14:08 Uhr

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Er lebte in Mexiko und in den USA in den Rocky Mountains. Seine Larven fraßen die Blätter vom Stachel-Nachtschatten. Die Kartoffel, ebenfalls ein Nachtschattengewächs, wuchs hier nicht. Zu einer übermäßigen Entwicklung des Kartoffelkäfers kam es nicht. Denn die erwachsenen Käfer wurden gelegentlich von Vögeln gefressen. Zu den Feinden der auffälligen, ziegelroten Larven gehörten zum Beispiel Schlupfwespen.

Massenvermehrung in Nordamerika

Dann hielt die Kartoffel im 16. Jahrhundert in Europa ihren Einzug. Im 18. Jahrhundert wurde das Nahrungsmittel von Friedrich dem Großen massiv gefördert. Angeregt von den Erfolgen des Kartoffelanbaus in Europa wurden nun von den neuen Siedlern in den USA vermehrt Plantagen angelegt. Diese Situation half dem Kartoffelkäfer. Jetzt hatte er in Nordamerika in Hülle und Fülle die Blätter eines Nachtschattengewächses zu fressen, auf denen er sich vermehren konnte. Das schmeckte ihm.

Inzwischen war in Europa bekannt geworden, dass der Kartoffelkäfer in den USA eine Massenvermehrung durchmachte. Vorsicht war also angesagt. Dieser Käfer durfte keinesfalls nach Europa gelangen.

Ausbreitung auch in Europa

Trotzdem: Der Kartoffelkäfer wurde zunächst 1877 in England, dann in ganz Europa entdeckt. Bald gab es auch in Europa gewaltige Schäden durch die gefräßigen Käferlarven. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Schäden in Deutschland besonders sichtbar. Was konnte gegen den gefräßigen Käfer helfen? Das Absammeln half etwas und nach dem Zweiten Weltkrieg ein kräftiger Einsatz von Insektiziden, darunter das hochproblematische Insektengift DDT.

Der Kartoffelkäfer ist bei uns in Deutschland selten geworden. Jetzt wird zusätzlich auf gentechnischem Weg versucht, durch veränderte Kartoffel-Chloroplasten dem Käfer beizukommen. In den Chloroplasten der Kartoffel befinden sich DNA-Abschnitte, die dem Käfer schaden. Ob das nachhaltig Erfolg bringt? Das ist noch nicht sicher.

Doch warum muss auf den Käfer immer noch geachtet werden? Einige Erklärungen: Er hat massenhaft Nahrung zur Verfügung, Monokulturen helfen ihm dabei. Auch entwickelt er im Körper Stoffe, die ihn vor einigen Feinden schützen. Vögel fressen ihn nur zögerlich, möglicherweise schützt ihn die wespenartige Schwarz-Gelb-Musterung. Zudem machten ihn Pestizid-Einsätze resistent. Und schließlich fehlen in Europa Insekten, die ihn in seiner Heimat in Schach hielten.

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.

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