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NDR-Satire-Sendung

„Extra3“-Kabarettist Christian Ehring begeistert in Buxtehude

Mit dem TAGEBLATT durch die politische Großwetterlage: Christian Ehring auf der Halepaghen-Bühne. Foto: Lepél

Mit dem TAGEBLATT durch die politische Großwetterlage: Christian Ehring auf der Halepaghen-Bühne. Foto: Lepél

Sein Name zieht. Christian Ehrings Auftritt beim Buxtehuder Kleinkunstigel auf der Halepaghen-Bühne ist ausverkauft. Der aus „Extra3“ und der „ZDF heute Show“ bekannte Kabarettist und Moderator enttäuscht nicht.

Von Sabine Lepél Sonntag, 20.03.2022, 18:00 Uhr

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Die Leute kennen Christian Ehring aus der NDR-Satire-Sendung „Extra3“, die er seit zehn Jahren moderiert und vom dritten ins erste Programm brachte. Zudem ist der Kabarettist aus der „ZDF heute Show“ an der Seite von Oliver Welke zu sehen. Seine bissigen Analysen der politischen Großwetterlage gehören für viele zum wöchentlichen TV-Pflichtprogramm. Und live ist er noch besser, wie das Buxtehuder Publikum feststellen konnte.

Und das, obwohl Ehrings aktuelles Programm „Antikörper“ heißt und es vor allem um Corona geht. Nach zwei Jahren Pandemie ist das mutig, denn das Thema dürfte den Leuten eigentlich zum Hals raushängen. Doch offenbar möchten sie Christian Ehring dazu hören, weil der gern dorthin geht, wo es am schlimmsten wehtut. Und deshalb geht es in seinem Programm eben doch nicht nur um das blöde Virus, sondern auch um Putins Überfall auf die Ukraine, den Klimawandel, um deutsche Politik und Befindlichkeiten, um Maskendeals und Gerhard Schröder und das ewige Genöle über die Deutsche Bahn. An den tagespolitischen Schlagzeilen kommt ein Kabarettist von Ehrings Format nicht vorbei – und das ist auch gut so.

Ehring über Putins eigene Definition von Völkerrecht

Gekonnt verwebt er diese mit dem eigentlichen Programm. Auch anhand der aktuellen TAGEBLATT-Ausgabe führt er seinen Zuhörern die teils absurde Skurrilität des Weltgeschehens im Großen und im Kleinen vor Augen und hält ihnen dabei zugleich einen Spiegel vor. Mit Witz, bodenständiger Intellektualität, Schwung und überraschend guten musikalischen Einlagen am Flügel lauert dahinter stets die unausgesprochene Frage: Sind wir nicht alle ein bisschen Justus?

Denn an dem „alten Kumpel Justus“ hängt der rote Faden, der Ehrings vielseitiges Programm durchzieht: Wie soll man mit einem alten Freund umgehen, wenn dieser zum Querdenker mutiert? „Antikörper“ handelt von dem fiktiven Kumpel, der in der Corona-Pandemie „abdriftet“ und von der Unfähigkeit, darüber zu reden. Es geht um die Spätausläufer dieser und anderer Krisen, um Long Covid auf Beziehungsebene: Die Freundschaften, die 2015 in der Flüchtlingskrise nicht zerbrochen sind, die werden durch Corona auf eine neue Probe gestellt. Und nun kommt auch noch Putin hinzu und seine eigene Definition von Völkerrecht: „Um sich zu vergrößern, sind ihm alle Völker recht“, so Ehring. Sein gut zweistündiges Soloprogramm ist ein hochaktueller Ritt durchs Weltgeschehen und ein sehr persönlicher Kommentar zur Lage der Nation: meinungsstark, hintergründig, gespickt mit schwarzem Humor und vor allem politisch.

An „Justus“ arbeitet Ehring sich und unsere Alltagsthemen ab: Der hat einen Schottergarten („Wer ist dein Gärtner? Fred Feuerstein?“) und Loungemöbel auf der Terrasse („Wozu hat man eine Couchgarnitur im Garten? Ich stelle mir ja auch keinen Komposthaufen ins Wohnzimmer!“). Und Justus vermeidet Steuern. Was Ehring, der bereits Chansons für Dieter Hallervorden geschrieben hat, zu einem Song über das Abrutschen in die Legalität inspirierte: „Ich zahl‘ Steuern. Ich könnt’ mir eine scheuern.“ Justus macht es sich mit seinem Querdenkertum einfach, konstatiert der Kabarettist: „Wer Corona und den Klimawandel leugnet, kann ein entspanntes Leben führen.“ Verschwörungstheorien seien im Grunde etwas für faule Säcke.

Hoffnung zum Schluss

Soll man mit Leuten, die in den Corona-Maßnahmen und dem Impfangebot persönliche Freiheitsberaubung sehen und mit Rechtsextremen auf die Straße gehen, überhaupt noch reden? Am Schluss fragt Ehring einfach das Buxtehuder Publikum. Die Mehrheit findet: Dran bleiben. Gib Justus noch eine Chance! „Okay“, sagt Ehring. „Das nehme ich mal mit. Wir reden ja schließlich auch mit den Taliban.“ Tja, offenbar hat das Virus tatsächlich einen Vorsprung: Es kann sich wenigstens weiterentwickeln.

Zum Schluss gibt es ein Lied der Hoffnung: Wenn Corona vorbei ist, dann wird alles gut, singt Ehring und entschuldigt sich anschließend: „Tut mir leid, dass ich heute Abend so viel geredet habe. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, müssen Sie auch mal was von sich erzählen.“ Buxtehude ist dabei und dankt mit langem Applaus. Das findet der Künstler, der wegen Corona auf viele Auftritte verzichten musste, super: „Ich war völlig unterklatscht.“

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