Freispruch für Klimaaktivistinnen – Hamburger Richterin äußert Verständnis

Im März lieferten die beiden Frauen (41, 57) einen Eklat in der Hamburger Kunsthalle. Symbolfoto: dpa
Wende im Letzte-Generation-Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg: Ein Sicherheitsmann aus der Kunsthalle verstrickt sich in Widersprüche, ein Beweisvideo kursiert im Internet.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Rund fünf Monate nach einem versuchten Angriff auf ein Caspar-David-Friedrich-Gemälde in der Hamburger Kunsthalle sind zwei Klimaaktivistinnen freigesprochen worden. Die Richterin am Amtsgericht Hamburg sprach die beiden Mitglieder der Gruppe Letzte Generation am Mittwoch vom Vorwurf der versuchten gemeinschädlichen Sachbeschädigung und der gefährlichen Körperverletzung frei. Auch die Staatsanwaltschaft und die Verteidigerinnen hatten einen Freispruch beantragt.
Am 19. März hatten die beiden Frauen im Alter von 41 und 57 Jahren versucht, das durch eine Glasscheibe geschützte Gemälde „Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich (1774-1840) mit einem Poster zu überkleben. Ein Wachmann hatte die Aktion jedoch verhindert, indem er sich schützend vor das Gemälde stellte. Anschließend hatten die beiden Aktivistinnen das mitgebrachte Plakat, das eine zerstörte, brennende Landschaft hinter dem Wanderer zeigt, stattdessen auf den Boden gelegt und mit Asche bestreut. Sie wollten damit auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen.
Angriff auf „Wanderer“-Gemälde - Freispruch für Klima-Aktivistinnen
Bei der Polizei hatte der Wachmann angegeben, die Frauen hätten ihn verletzt. Die Richterin sagte, die Angaben des Wachmannes seien widersprüchlich. Außerdem habe ein ungeschnittenes Video, das die Aktion zeigt, bewiesen, dass die Frauen niemanden angegriffen hätten. „Ich finde ihre Motivation menschlich nachvollziehbar“, sagte die Richterin. Beim nächsten Mal sollten die Aktivistinnen jedoch bedenken, dass ihre Aktionen auch Auswirkungen auf Dritte hätten. Außerdem hätte das Gemälde beschädigt werden können.
Die Frauen beteuerten, dass sie nie vorhatten, Schaden anzurichten. Das Poster hätte ohne Rückstände entfernt werden können. „Ich liebe Kunst und würde niemals ein Gemälde beschädigen“, sagte eine der beiden Angeklagten, eine vierfache Mutter. Die verstreute Asche stamme aus der Sächsischen Schweiz, wo es im vergangenen Jahr schwere Waldbrände gab. Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ zeigt als Landschaft im Hintergrund Berge der Sächsischen Schweiz. „Die Klimakrise zerstört, was wir lieben. Das dürfen wir nicht ignorieren“, sagte die 41-Jährige aus Oldenburg.
Auch die andere Angeklagte, eine zweifache Mutter aus Kassel, beteuerte, sie sei friedliebend. Da die Politik aber nicht genug gegen den Klimawandel tue, habe sie sich für den zivilen Ungehorsam entschieden. Das sei sie auch ihren Kindern schuldig. „Wir wollten den Besuchern zeigen, dass wir uns alle für mehr Klimaschutz einsetzen müssen“, sagte die 57-Jährige. (dpa)

„Wanderer über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich (1774-1840). Foto: dpa