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Hohe Gas- und Strompreise

„Für Entwarnung zu früh“: Energiekrise bedroht den Sport weiter

Symbolbild. Foto: pixabay.de

Symbolbild. Foto: pixabay.de

Der deutsche Sport ist dank Preisbremse und Härtefonds glimpflich durch die Energiekrise gekommen. Die existenzielle Bedrohung ist wegen der weiterhin hohen Gas- und Strompreise aber nicht vorbei.

Donnerstag, 06.04.2023, 06:02 Uhr

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Von Andreas Schirmer, Claas Hennig, David Langbein und Kristina Puck

Die Lichter sind auf den Spielfeldern und in den Turnhallen in der Energiekrise nicht ausgegangen, aber die Aussichten bleiben für den deutschen Sport trübe. Kurzfristig haben Preisbremsen, Härtefallfonds, ein milder Winter und Sparmaßnahmen befürchtete Insolvenzen von Sportclubs auf Einzelfälle beschränkt. 

"Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh", sagte Michaela Röhrbein, Vorstand Sportentwicklung im Deutschen Olympischen Sportbund, der Deutschen Presse-Agentur. "Die Kosten für Gas sind stark gesunken, aber immer noch deutlich höher als vor dem Russland-Ukraine-Krieg." Angesichts der aktuellen Konditionen würden die Vereine durch die Gaspreisbremse nicht zusätzlich entlastet werden und müssten bei gleichbleibendem Verbrauch von "einer Verdopplung der Abschlagszahlung" ausgehen. Bei Strom wären es 70 Prozent Mehrkosten.

Undurchsichtiger Flickenteppich von Hilfsangeboten

Der DOSB mache sich deshalb Gedanken über das Gros der Vereine, die zwar eine Insolvenz vermeiden können, aber aufgrund gestiegener Kosten die Mitgliedsbeiträge erhöhen oder ihr Angebot reduzieren müssten. "Dann konkurrieren diese gestiegenen Kosten für Bewegung, Gesundheit und Sport mit der Inflation an der Tankstelle oder im Supermarkt", meinte Röhrbein. 

Der Landessportbund Hessen fürchtet, dass dies ein Dauerproblem bleiben wird. "Die Energiekrise kann für den organisierten Sport aus unserer Sicht bedrohlicher sein als die Corona-Pandemie", lautet eine Antwort des LSB-H auf eine dpa-Umfrage unter den 16 Dachverbänden. "Die Sorgen der hessischen Vereine sind weiter groß."   

Dies gilt vorrangig für Vereine mit eigenen Sportstätten. Allerdings werden auch Clubs, die kommunale Anlagen nutzen, mit der Erhöhung der Gebühren rechnen müssen. Hinzu kommen hohe Kosten an Tankstellen, die bei Fahrten zu Wettkämpfen zum Tragen kommen, oder die galoppierenden Preise durch die Inflation.   

Der Sport wird vom Staat mit den existenziellen Problemen nicht alleine gelassen. Die Unterstützung ist aber nicht aus einem Guss und eher verwirrend vielfältig. Da der Sport nicht in die Härtefallregelung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds aufgenommen wurde, helfen die Bundesländer in der Not - mit verschiedensten Hilfsprogrammen, Antragsgestaltungen und finanziellen Umfängen. Ungeachtet dieses Flickenteppichs ist die Befürchtung, tausende der 87.000 Sportvereine in Deutschland könnten durch die explodierten Energiekosten Pleite gehen, nicht bittere Realität geworden. 

Mehr als 800 Sportvereine im Norden haben Finanzhilfe beantragt

So konnte in Nordrhein-Westfalen der Sportbetrieb im Winter "in geregelten Bahnen" stattfinden, teilte der Landessportbund mit. Kein anderes Bundesland leistete so viel Energiekostenhilfe: Die Sonderförderung ist mit 55,2 Millionen Euro ausgestattet. 

Bisher sind in NRW von rund 550 Vereinen Anträge auf Hilfe eingegangen; weit über 600 weitere werden aktuell bearbeitet. "Insolvenzen sind uns erfreulicherweise nicht bekannt, einige Härtefälle haben sich aufgrund der kurzfristig zur Verfügung stehenden Gelder relativ schnell klären lassen", berichtete der LSB. Deshalb könne der NRW-Sport zumindest "bei dieser Thematik mittlerweile sicherlich durchatmen".

In Norddeutschland haben mehr als 800 Sportvereine in ihren Bundesländern Finanzhilfe beantragt. Am Größten ist das Förderpaket in Niedersachsen, das 30 Millionen Euro bis Ende 2023 bereitstellt. Bis Mitte März hatten laut LSB bereits 767 Vereine Förderanträge mit einem Volumen von über 2,3 Millionen Euro gestellt. Vereine und Verbände können Zuschüsse bis zu 200 000 Euro beantragen. "Die Schließung von Sportstätten aufgrund der hohen Energiekosten hätte nicht nur gravierende Folgen für den Sport, sondern auch für die Gesellschaft", betonte der Vorstandsvorsitzende des LSB, Reinhard Rawe. 

 Unterschiedliche Situation in den neuen Bundesländern

Im Süden der Republik haben die bayerischen Sportvereine "einigermaßen gut" überwintern können, wie eine Sprecherin des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) sagte. Der Beitrag des Landes: 20 Millionen Euro für die Verdoppelung der Vereinspauschale für 2023 und 30 Millionen Euro zur Abfederung der Energiekrise. Ein Vereinshilfsprogramm gibt es in Baden-Württemberg nicht - und es ist nicht notwendig. Es gebe "keine Klagen zu den hohen Energiepreisen zu hören", berichtete LSVBW-Präsident Jürgen Scholz. Die Sportvereine im Land seien eben "strukturell gut aufgestellt".

Unterschiedlich ist der organisierte Sport in den neuen Bundesländern über die Runden gekommen. "Aktuell leben die Vereine von ihren Rücklagen, von Einsparungen an anderen Stellen oder von Beitragserhöhungen", teilte der Landessportbund Sachsen mit. Das helfe, temporär die Energiekosten zahlen zu können. Langfristig führe das zu Investitionsstaus und Einschränkungen. Ein Förderprogramm des Landes gibt es in Sachsen nicht - Insolvenzen zum Glück auch nicht.

In Brandburg ist zwar Hilfe avisiert, aber an der Umsetzung hapert es. Dies mache es den Sportclubs nicht leicht, "Übergangslösungen zu schaffen und zu finden", erklärte der Landessportbund. Von akuten Härtefällen sei aktuell nichts bekannt. Die steigenden Kosten in der Krise beeinflussten "die Vereinsentwicklung in Brandenburg natürlich negativ", hieß es. Trotzdem seien die Mitgliederzahlen gestiegen, was den Clubs mit Ideenreichtum und Hartnäckigkeit zu verdanken sei: Der Sport, seine Vereine und Aktiven würden jedoch "noch länger auf eine harte Probe" gestellt werden.

Worauf sich der deutsche Sport konzentrieren muss

Hilfe brauchen die Sportvereine auch in Großstädten wie Berlin und Hamburg, wo besonders viele die städtischen Einrichtungen nutzen können. Für Clubs, die Fitnessstudios, Kletterhallen oder Schwimmbäder unterhalten, wird das finanziell "zu hohen Folgemaßnahmen" führen, erklärte der Hamburger Sportbund. Das Berliner Pendant erwartet, dass die "tatsächlichen finanziellen Auswirkungen" erst sichtbar werden, wenn die Strom- und Gasrechnungen bis Jahresende ins Haus flattern.

Da die Energiekosten voraussichtlich nicht mehr auf Vor-Krieges-Niveau sinken werden, muss sich der deutsche Sport intensiver mit Nachhaltigkeit, Umwelt und Abkehr von fossilen Brennstoffen beschäftigen. "Das Thema ist für den Sport ein Dauerbrenner, der sich durch den Klimawandel beschleunigt hat und durch die Energiekrise weiter verschärft wurde", sagte DOSB-Expertin Röhrbein. (dpa)

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