Hamburg nimmt 68. Windrad in Betrieb – Kerstan will Ausbauziel erreichen

Hamburg Wasser hat eine neue Windenergieanlage auf dem Gelände des Klärwerks Dradenau in Betrieb genommen. Es ist das insgesamt 68. Windrad in Hamburg. Foto: Marcus Brandt/dpa
Hamburg will die Windkraft weiter ausbauen. Keine leichte Aufgabe in einem dicht besiedelten Stadtstaat. Umweltsenator Kerstan hat vor allem Flächen im Hafen im Auge.
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Auf der Dradenau im Hamburger Hafen dreht sich die 68. Windenergieanlage der Stadt. Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan (Grüne) nahm das 180 Meter hohe Windrad am Donnerstag auf dem Gelände des Klärwerks Dradenau gemeinsam mit dem Chef von Hamburg Wasser, Ingo Hannemann, in Betrieb. Die sechs Millionen Euro teure Anlage hat eine Leistung von 3,6 Megawatt und soll bis zu 9000 Megawattstunden Windstrom im Jahr produzieren, der zum Betrieb des Klärwerks genutzt werden soll.
Die Errichtung eines Windrades in so stark industriell genutztem Gebiet - der Hamburger Hafen ist das größte zusammenhängende Industriegebiet Deutschlands - sei "ein bundesweit einzigartiger Erfolg" und mache den "unbedingten Willen" der Stadt deutlich, alle Standorte zu nutzen, sagte Kerstan. "Es zeigt, dass wir nichts ungenutzt lassen, um die Windkraft in Hamburg auszubauen."
Hamburgs Windräder sollen am Hafen stehen
Auch in Industriegebieten sei es schwierig, große Windanlagen zu errichten, da alle umliegenden Grundstückseigentümer dem zustimmen müssten, sagte Kerstan. Im Fall Dradenau sei dies kein Problem gewesen, da alle Nachbargrundstücke der städtischen HPA gehörten.
Die vom Bund vorgegebene Zielmarke, bis 2032 0,5 Prozent der Fläche Hamburgs für Windkraft auszuweisen, hält der Senator auch weiterhin ohne die von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ins Spiel gebrachte Nutzung von Landschafts- und Naturschutzflächen für erreichbar. "Wahrscheinlich sogar mehr als 0,5 Prozent", sagte Kerstan. Wenn man solche Flächen nutzen wollte, müssten diese zunächst entwidmet werden. "Das wäre ein Präzedenzfall bundesweit, der kein gutes Signal wäre." Kerstan setzt auf Flächen im Hafen.
Mit einer weiteren Verdopplung der Zahl der Windräder rechnet er in Hamburg nicht - zumal die Leistung der einzelnen Anlagen immer größer werde. "In Richtung Hundert wird es gehen, ob wir weit über Hundert landen, weiß ich nicht so genau." Ein Problem sei auch die Höhenbegrenzung für Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan. "Mittlerweile gib es eigentlich gar keine Hersteller mehr, die so kleine Anlagen errichten." Zudem müsse im Umfeld des Flugzeugbauers Airbus die Flugsicherheit beachtet werden.
Hansestadt setzt auf Windenergie und Photovoltaik
Das neue Windrad auf der Dradenau ist bereits das dritte dort, ein viertes dreht sich auf dem Klärwerksgelände Köhlbrandhöft. Ziel sei es, sich bis 2030 zu 100 Prozent mit Strom aus eigenen Anlagen zu versorgen, sagte Hannemann. Im vergangenen Jahr lag die Quote des selbst erzeugten erneuerbaren Stroms den Angaben zufolge bereits bei 77 Prozent des Gesamtverbrauchs.
Vier weitere Windanlagen will Hamburg Wasser in den nächsten Jahren an eigenen Standorten bauen, drei in Hamburg, eine in Schleswig-Holstein. "Die nächste würde ich gerne schon in zwei Jahren sehen", sagte Hannemann. Auch Photovoltaikanlagen sind geplant. Mit der Erweiterung der Klärschlammverbrennungsanlage nicht nur für die Strom-, sondern auch für die Wärmeversorgung, und der Aufbereitung von Faulgasen in Erdgasqualität für das städtische Gasnetz will man den Ausstieg aus der fossilen Energie voranbringen. Zudem leiste man mit der Errichtung einer Abwasserwärmepumpe in Kooperation mit Energie Hamburg eine wichtigen Beitrag zur Wärmewende in Hamburg. Bis 2030 will Hamburg aus der fossilen Wärmeversorgung aussteigen.
Verzögerung beim Bau der Fernwärmeleitung
Auf dem Weg dorthin gibt es jedoch Probleme: Verzögerungen beim Bau eines Fernwärmetunnels unter der Elbe sorgen dafür, dass das in die Jahre gekommene Kohleheizkraftwerk Wedel voraussichtlich erst ein Jahr später, im Herbst 2026, vom Netz gehen kann. Am Tunnelschacht seien Spundwände abgerutscht, "dadurch haben wir ein paar Monate verloren", sagte Kerstan.
Der Tunnel soll das auf der Dradenau geplante Gas- und Dampfkraftwerk, das Wedel ersetzen soll, mit dem Fernwärmenetz im Hamburger Westen verbinden. Nach den Verzögerungen werde die Leitung darin jetzt im Sommer 2025 fertig, sagte Kerstan. Das neue Kraftwerk müsse aber im Vollbetrieb getestet werden, bevor Wedel abgeschaltet werden könne. Und dieser Vollbetrieb sei im Sommer nicht möglich, da dann kaum Heizwärme gebraucht werde.
"Den Probebetrieb für das neue Kraftwerk werden wir daher erst in der Heizperiode 2025/2026 aufnehmen", sagte Kerstan. Anschließend werde das Kraftwerk Wedel dann sicherheitshalber noch bis Herbst 2026 im Reservebetrieb gehalten, bevor es endgültig abgeschaltet wird. (dpa)