John Ment: Wie das Radio überleben kann

Moderator John Ment wurde schon mehrfach mit dem deutschen Radiopreis ausgezeichnet. Foto: Lorenz
Jeden Morgen holt er Hunderttausende Menschen in Hamburg und Umgebung aus dem Bett. John Ment ist Hamburgs beliebtester Radiomoderator und gibt seit 33 Jahren in der „Morningshow“ den Wachmacher der Stadt. Im Interview spricht er über seine peinlichsten Momente und das Geheimnis seines Erfolgs.
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Zum Interview erscheint John Ment nach Schichtende gut gelaunt in einem Café in Poppenbüttel, plaudert gelöst über sein langes Radioleben. Dem Gesprächspartner bietet der 59-Jährige sofort das Du an.
Von Markus Lorenz
John, es ist kurz vor 11 Uhr, und Du bist für heute schon durch mit der Arbeit. Wann stehst Du auf?
Der Wecker klingelt immer um 3.30 Uhr, aber meistens wache ich spätestens um 3.29 Uhr auf. Innere Uhr.
Wie geht Dein Tag weiter?
Die Sendung geht bis 10, dann hab’ ich Feiermorgen. Nur das Feierabendbierchen gibt’s noch nicht. Wenn ich unsere Hündin „Emma“ vom Hundesitter geholt habe, lege ich mich für ein oder anderthalb Stunden noch mal schlafen. Nach dem Aufstehen gehe ich in der Regel laufen.
Warum gerade laufen?
Ich tue das seit 2015. Es macht den Kopf frei. Inzwischen habe ich mehr als 20.000 Kilometer geschafft und zwei Mal den Marathon in Lübeck.
Wie viel Kaffee brauchst Du morgens, um auf Touren zu kommen?
Zu Hause gibt’s nur Katzenwäsche und dann los. Auf dem Weg ins Studio hole ich immer gegen 4 Uhr an der Tankstelle meines Vertrauens an der Saseler Chaussee meinen Milchkaffee. Dann bin ich erst mal wach.
Wie oft hast Du in 33 Jahren verschlafen?
Nie.
Glaub ich nicht.
Doch, das wüsste ich. Ich bin einmal sehr knapp aufgestanden und dann sehr, sehr regelwidrig in die Stadt gefahren und war froh, dass ich nicht geblitzt wurde. Und war pünktlich zur Sendung da.
Denkst Du um 3.29 Uhr nicht: „Was mache ich hier eigentlich?“ und willst Dich noch mal umdrehen?
Das kommt vor. Manchmal ist 3.29 Uhr brutal, je nachdem, was am Vorabend passiert ist (lacht). Aber sonst ist es tatsächlich so: Ich freue mich auf jeden Morgen, und das ist nicht therapierbar. Ich freue mich auf die Arbeit und kann mir nicht vorstellen, das zu beenden. Ich bin der Carlo Tiedemann 2. Carlo von Tiedemann ist fast 80 und moderiert auch noch. Ein großes Vorbild.
Wie bist Du beim Radio gelandet?
Mein Vater Jo Ment ist schuld. Er war Musiker, unter anderem bei James Last und in der NDR Bigband, so dass ich mit Musik groß geworden bin und als Junge ganz früh ans Showgeschäft rangeführt wurde. Dieses Knistern hat mich ungeheuer fasziniert. In der Schule hab’ ich sehr gern Theater gespielt, und irgendwann bündelte sich diese Mischung aus Musik und Theater in Richtung Radio. Erste Erfahrungen habe ich bei Radio Bremen gesammelt und gehörte dann zu den Geburtshelfern von Radio Hamburg, als der Sender an Silvester 1986 startete.
Ganz direkt war der Weg aber nicht…
Stimmt. Ich hab’ vorher sehr erfolgreich eine Lehre im Immobilienbereich abgebrochen und danach versucht, BWL zu studieren. Das war wirklich nicht meins.
Haben Deine Eltern nicht geraten, was Vernünftiges zu lernen?
Nein. Meine Eltern haben mir immer eine sehr lange Leine gelassen und gesagt: „Hauptsache, der Junge wird glücklich.“ Dafür bin ich ihnen wahnsinnig dankbar. Genau so führe ich das bei meinem Sohn fort.
Du bist später zu NDR 2 gewechselt, aber nur für ein paar Monate. Warum?
Lutz Ackermann hatte mich geholt. Für mich war NDR 2 die Chance auf einen größeren Hörerkreis. Ich habe aber relativ schnell gemerkt, dass ich mich da nicht wohlfühle.
Warum nicht?
Mir fehlte beim NDR die Spontaneität. Ein Beispiel: Ich hatte einen Beitrag über Diebstahl, fünf Minuten lang und sehr langweilig. Ich hab’ den einfach nach zweieinhalb Minuten abgebrochen und gesagt: „Der Rest wurde leider gerade geklaut“ und Musik gespielt (lacht). Das kam beim Chef nicht gut an. Solche Sachen. Ich bin dann später auch tatsächlich gefeuert worden.
Wie kam’s?
Als mein Wechsel zurück zur „Morningshow“ von Radio Hamburg feststand, ich beim NDR aber noch eine Sendung gehabt hätte, ist eine Zeitungsanzeige erschienen. Mit einem Foto von mir und dem Spruch: „Guten Morgen, Hamburg, Gute Nacht, NDR“ (lacht). Das fanden die beim NDR nicht so gut. Es gab einen sehr lauten Termin beim Chef.
Viele Kritiker nennen Privatradio „Dudelfunk“. Stört Dich das?
Nein. Das haben Leute erfunden, die Angst vor dem „Dudelfunk“ hatten und davor, dass wir besser sein könnten. Letztlich dudeln alle Sender Musik.
Wie viele Menschen hören Dich am Morgen?
Von 5 bis 10 Uhr ist es insgesamt eine knappe Million, davon etwa die Hälfte außerhalb Hamburgs. Allein in der Stunde ab 7 sind es gut 300.000. Also sechs Mal das volle Volksparkstadion - die Vorstellung ist schon enorm.
Was war der lustigste Moment?
(überlegt länger) Als Olaf Scholz noch Hamburger Bürgermeister war, musste er nach dem G20-Gipfel bei uns eine Stunde Rede und Antwort stehen. Am Ende hat er von mir einen schwarzen Schreibblock bekommen, als Anspielung auf den Schwarzen Block der Autonomen. Er hat mich angeguckt und gesagt: „Herr Ment, das ist ja fast witzig.“ (lacht) Das fand ich geil.
Der peinlichste Moment?
Ich musste mal Lotto King Karl nach einer Sendung um eine Haarprobe bitten, weil es Gerüchte gab, dass er kokst. Das war mir unheimlich unangenehm.
33 Jahre dieselbe Sendung, und Du bist immer noch da. Ist das der Durchhaltewille des Marathonläufers?
Ich bin jedenfalls sehr ehrgeizig und will die 42 Kilometer dann auch schaffen. Und ansonsten ist es so, dass ich nichts anderes kann als Radio. Ich bin in den Job sozusagen reingescheitert (lacht).
Wie wird man Hamburgs beliebtester Radiomoderator?
Ich glaube, die Hörer mögen mich, weil ich sie immer in mein Leben reingelassen habe. Ich bin keine Kunstfigur. Ich liebe meine Hörer.
Das heißt?
Ich benutzte sie nicht, sondern gehe auf sie ein. Ich höre ihnen zu, das ist etwas ganz Besonderes im Rundfunk. Wenn ich mich mit Hörern unterhalte, merke ich manchmal, dass ich ihnen wichtig bin, dass ich eine Rolle in ihrem Leben spiele. Das ist eine große Ehre und eine große Verantwortung.
Wie lässt Du Hörer in Dein Leben?
Ich sage am Mikrofon, wie es mir geht. Wie mein Leben ist. Was ich gut finde. Was ich schlecht finde. Was ich wähle …
… was wählst Du?
SPD. Ich würde keine Werbung für die SPD machen, aber wenn mich jemand fragt, sage ich es. Es ist schwierig, im Radio Dinge zu verheimlichen. Meine Hörer wissen, dass ich zweimal geschieden bin, dass ich einen Sohn habe, auf den ich sehr stolz bin, dass ich eine Freundin habe, am liebsten Urlaub in der Schweiz mache. Ich veröffentliche auf der Website private Urlaubsfotos von mir. Tatsächlich wird bei uns nichts so oft geklickt wie diese Bilder.
Bis ins Fernsehen hat Dich der Ehrgeiz nicht getrieben?
Ich wollte früher immer ins Fernsehen und habe auch kurz die Gameshow „Chance“ bei Sat.1 moderiert. Und ich hatte mehrere Castings für TV-Sendungen und war übrigens ganz kurz davor, die ZDF-Hitparade zu moderieren. Ich gehörte zu den letzten drei Kandidaten, dann ist es doch Uwe Hübner geworden. Heute bin ich sehr froh, dass das nicht geklappt hat. Im Fernsehen ist man unfassbar schnell verbraucht.
Du willst authentisch sein. Zwingt Dich aber nicht der Quotendruck dazu, Dich ständig aktuellen Trends anzupassen?
Nein. Ich könnte mich gar nicht verändern. Mich könnte man nur ergänzen. Das ist auch der Grund, warum wir in der „Morningshow“ immer im Team moderieren. Jeder hat seine festgelegte Rolle. Und meine Rolle ist so, dass ich mich eben nicht verbiegen muss.
Morningshows klingen bemüht fröhlich. Nervt es, ständig gut gelaunt sein zu müssen?
Die Zeiten sind längst vorbei. Es wäre auch völlig unglaubwürdig, wenn Moderatoren dauernd gut gelaunt wären - und bei den vielen schlechten Nachrichten auch unangebracht. Wir haben genauso Angst vor Corona wie die Hörer oder sind genauso unsicher, wenn ein Krieg ausbricht. Natürlich darf ich über den Sender sagen, wenn ich schlecht drauf bin. Dann frag’ ich die Hörer eben: „Geht’s Euch auch so, und was tut Ihr dagegen?“
Genderst Du?
Oh nein, auf keinen Fall.
Warum nicht?
Das ist die Hölle. Man versteht ja irgendwann gar nichts mehr. Ich finde gegenderte Sprache schon beim Lesen schwierig, aber wenn man das sprechen soll… Ich würde mich auch ständig vergendern und lauter Worte sagen, die es gar nicht gibt.
Seit 36 Jahren machst Du Privatfunk. Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk Dein ewiger Lieblingsfeind?
Ach, nein. Neulich wollte ich mal in die Konkurrenz reinhören, habe aber keine gefunden (lacht).
Nervt Dich die Gebührenprasserei der Öffentlich-Rechtlichen nicht, während Ihr Euch jeden Werbespot sauer erarbeiten müsst?
Ich gönne jedem sein Gehalt, ehrlich. Aber natürlich finde ich es Schwachsinn, so wie jeder andere Normalbürger, wenn ein Posten dreimal besetzt ist. Das ist wie beim Baustellenmanagement in Hamburg: Man muss nicht überall gleichzeitig bauen. Und es müssen auch nicht drei Anstalten das gleiche senden.
Als Du 1986 anfingst, gab es weder Internet, Spotify noch Podcasts. Wie muss Radio sein, um gegen diese Konkurrenz zu bestehen?
Wir merken, dass die Leute nicht mehr nur auf die Musik achten. Denn die Musik-Vielfalt haben wir inzwischen ja alle auf dem Handy. Deshalb hat das gesprochene Wort wieder größere Bedeutung bekommen. Unsere Stärke ist eben nicht, dass wir 30 Minuten Musik am Stück spielen, sondern das, was wir drum herum machen.
Was genau ist das?
Wir versuchen, immer alle relevanten Themen der Hörer abzubilden. Die große Herausforderung ist es, eben keinen sogenannten Dudelfunk zu machen, sondern spannende Inhalte, die die Menschen bewegen. Wenn uns das gelingt, werden wir als Radio noch lange überleben.
Persönliches
Ich hätte gern die Stimme von … David Bowie.
Im Leben möchte ich unbedingt noch … in die Schweiz ziehen.
Wenn „Last Christmas“ im Radio läuft … guck‘ ich, wo ich’s leiser machen kann.
John Ment in drei Worten … liebenswert, lustig, empathisch.
Kaputt lachen kann ich mich über … Markus Krebs, Bastian Pastewka und „Nackte Kanone“.
An dieser Schwäche arbeite ich noch … ich bin zu ehrgeizig.
Wenn ich einen Sechster im Lotto hätte … würde ich ein Haus in der Schweiz kaufen.
Der beste Rat meiner Eltern war … bleib, wie Du bist.
Zur Person
John Ment ist in Hamburg geboren und Sohn des Musikers Jo Ment (NDR Big Band, James Last). Auf Umwegen kam er zum Rundfunk und gehörte zu den Pionieren von Radio Hamburg, als dieses als erstes Privatradio in der Stadt 1986 startete. Seit 1989 moderiert er dort ununterbrochen die „Morning-show“, einige Jahre an der Seite seiner damaligen Ehefrau Meike („Schatzi“).
2010 erhielt der Hobbyläufer den Deutschen Radiopreis für sein Lebenswerk, 2013 und 2017 mit seinem Team auch für die beste Morningshow. Der 59-Jährige hat einen erwachsenen Sohn und lebt mit seiner Freundin im Stadtteil Ohlstedt.