Klinikpersonal streikt – Kassenärztechef will Abbau von Krankenhäusern

Auf dem Rathausmarkt in Hamburg versammelten sich rund 1700 Beschäftigte, um für mehr Lohn zu demonstrieren. Foto: dpa
Wieder legen Beschäftigte im Tarifstreit mit Bund und Kommunen die Arbeit nieder. Betroffen von den Warnstreiks sind diesmal unter anderem Kliniken. Am Mittwoch gehen die Aktionen weiter.
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Beschäftigte von Kliniken, Pflegeeinrichtungen und dem Rettungsdienst in Hamburg sind am Dienstag in einen zweitägigen Warnstreik getreten. Etwa 1700 Menschen beteiligten sich an den Arbeitsniederlegungen in Hamburg, wie die Verdi-Landesfachbereichsleiterin Gesundheit Hilke Stein sagte. Rund 1000 Beschäftigte nahmen an einer Kundgebung vor dem Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof teil. Viele trugen Transparente und Plakate bei sich oder hatten sich dem Motto „Gesundheit ist Gold wert und wir sind es auch“ entsprechend in goldfarbene Rettungsdecken gewickelt.
Hintergrund der Warnstreiks ist der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Warnstreiks in Hamburg dauern noch bis zum Ende der Spätschicht. Auch in anderen Regionen Deutschlands legten Beschäftigte des Gesundheitswesens am Dienstag die Arbeit nieder. Am Mittwoch gehen die Warnstreiks weiter - im Norden nicht nur in Hamburg, sondern auch beispielsweise am Städtischen Krankenhaus in Kiel.
Warnstreiks in Hamburger Kliniken
Betroffen von den Warnstreiks in Hamburg waren nach Angaben der Gewerkschaft Verdi unter anderem Krankenhäuser und Servicebetriebe der Asklepios Kliniken und das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Die meisten Teilnehmenden des Warnstreiks - etwa 600 - kamen nach Gewerkschaftsangaben vom UKE.
Das UKE informierte Patientinnen und Patienten auf seinen Internetseiten über die Aktionen. Die medizinische Versorgung sei auch während des Warnstreiks gesichert, hieß es - sowohl auf den Stationen als auch für neu eintreffende Notfälle.
Die Gewerkschaft fordert für die bundesweit rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeberseite bietet bislang fünf Prozent mehr Geld in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von 2500 Euro. Die dritte Verhandlungsrunde ist vom 27. bis 29. März in Potsdam verabredet.
Kassenärztechef Gassen: „Deutlich zu viele Krankenhäuser”
Angesichts der geplanten Krankenhausreform hat der Chef der Kassenärzte, Andreas Gassen, mit Blick auf Deutschlands Kliniken den Abbau von Überkapazitäten gefordert. „Im Zuge der Krankenhausreform werden wir selbstverständlich Krankenhäuser abbauen oder umwandeln müssen. Wer etwas anderes sagt, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit”, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der „Neuen Osnabrücker Zeitung”. „Wir haben historisch deutlich zu viele Krankenhäuser mit in der Regel deutlich zu wenig Personal. Es wäre daher nur logisch, wenn wir das Personal, das wir haben, an den Kliniken bündeln, die wir ohne Frage brauchen.”

KBV-Chef Andreas Gassen: «Wir haben historisch deutlich zu viele Krankenhäuser mit in der Regel deutlich zu wenig Personal.»
Ein Bettenabbau sei möglich, wenn das Potenzial einer Stärkung ambulanter Behandlungen genutzt werde, sagte Gassen. Von rund 20 Millionen Krankenhausfällen könnten fünf Millionen unmittelbar ambulant behandelt werden, sagte der KBV-Chef. „In Deutschland werden Operationen im Krankenhaus vorgenommen, die im Rest der Welt seit Jahren ambulant gemacht werden.” Die Leistungen könnten künftig in Praxen, in Versorgungszentren oder auch in Krankenhäusern, in denen Klinikärzte und Niedergelassene zusammenarbeiten, erbracht werden.
Ruf nach gleicher Bezahlung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse im Zuge seiner Krankenhausreform dann aber auch für gleiche Standards und Vergütungen sorgen, forderte Gassen. „Wenn niedergelassene Fachärzte zum Skalpell greifen, müssen sie bei ambulanten Eingriffen genauso vergütet werden wie die Krankenhaus-Kollegen, wie es außerhalb Deutschlands gang und gäbe ist”, betonte er. Die KBV ist nach eigenen Angaben die politische Interessenvertretung von rund 185.000 in Praxen ambulant tätigen Ärzten und Psychotherapeuten.
Lauterbach zufolge sollen die Eckpunkte für das Gesetz zur Krankenhausreform bis zur Sommerpause vorliegen. Die Pläne der Ampel-Koalition zielen darauf ab, das gewachsene Kliniknetz in drei Versorgungsstufen einzuordnen und entsprechend zu finanzieren - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Unikliniken. In Deutschland gibt es aktuell rund 1900 Krankenhäuser mit mehr als 480.000 Betten.