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Formel-1-Finale

Norris-Liebeserklärung mit Tränen nach dem WM-Triumph

Am Ziel seiner Träume: Der neue Formel-1-Weltmeister Lando Norris.

Am Ziel seiner Träume: Der neue Formel-1-Weltmeister Lando Norris. Foto: David Davies/PA Wire/dpa

Der 35. Weltmeister der Formel 1 heißt Lando Norris. Dem Briten reicht beim packenden Dreikampf-Finale in Abu Dhabi Platz drei. Titelverteidiger Max Verstappen ist entthront.

Von Jens Marx und Martin Moravec, dpa Sonntag, 07.12.2025, 15:35 Uhr

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Abu Dhabi. Ganz allein auf dem Podium über der Start- und Zielgeraden am Ort des größten Erfolgs seiner Karriere reckte Lando Norris immer wieder die Faust nach oben. Mit Tränen in den Augen himmelten die Eltern, die Geschwister und die Freundin den neuen Formel-1-Weltmeister von unten an. „Das war für meine Mutter, das war für meinen Vater. Sie haben mir ermöglicht, dass ich diesem Traum hinterherjagen durfte“, sagte Norris.

Immer wieder stockte die Stimme. So wie schon im Wagen, als der Triumph beim irren Nervenkrimi von Abu Dhabi feststand. „Ich dachte, ich würde nicht weinen, aber ich musste“, meinte Norris. 

In seinem siebten Jahr in der Formel 1, alle für McLaren, gelang dem 26 Jahren alten Briten das Meisterstück. „Es ist ziemlich surreal. Ich habe so lange davon geträumt“, sagte er: „Es gab so viele Höhen und so viele Tiefen in dieser Saison.“ Als es in der zweiten Saisonhälfte darauf ankam, habe er das Beste von sich gezeigt. 

McLaren-Geschäftsführer: „Ist das die Weltmeister-Hotline?“

Zwei Punkte Vorsprung rettete Norris im Klassement letztlich ins Ziel. Mit seinem achten Saisonsieg hatte Max Verstappen im Red Bull das Maximale gemacht, um die Chancen auf den fünften Titel am Leben zu halten. Dafür hätte Norris aber höchstens Platz vier belegen dürfen, Dritter hinter Verstappen und seinem Teamkollegen Oscar Piastri wurde er. „Ist das die Weltmeister-Hotline?“, funkte McLaren-Geschäftsführer Zak Brown seinem Champion in den Wagen. 

Norris ist der 35. Weltmeister in der Geschichte der Formel 1, nach dem Titel in der Konstrukteurswertung im vergangenen Jahr setzte McLaren mit dem Double nun noch eins drauf. Piastri, der wie Norris auf sieben Saisonsiege kam und lange die WM angeführt hatte, wurde WM-Dritter, der entthronte Verstappen Zweiter. Nico Hülkenberg raste für das künftige Audi-Werksteam Kick Sauber sogar noch auf Rang neun.

Der Beinahe-Crash zwischen Tsunoda und Norris

„Ein Red Bull gegen zwei starke McLaren hat den Ausschlag gegeben, dass wir die WM verloren haben“, analysierte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko. Ein Manöver von Yuki Tsunoda, als er im Rennen Norris nach dessen Reifenwechsel aufhalten wollte, wäre fast sogar zum brutalen Entscheidungscrash geworden. Norris musste dem fast Schlangenlinien fahrenden Japaner bei dessen letztem Red-Bull-Einsatz so heftig ausweichen, so dass er fast ins Gras gerast wäre. Tsunoda bekam dafür eine Fünf-Sekundenstrafe. 

Vorn fuhr Verstappen von der Pole ein ziemlich einsames und vor allem ungefährdetes Rennen - zum letzten Mal vorerst mit der Nummer eins auf dem Wagen. Im kommenden Jahr darf sie Norris tragen statt der vier - wie dann die Kräfteverhältnisse sein werden, ist angesichts einer umfassenden Regelreform völlig offen.

An diesem 7. Dezember 2025 interessierte das Norris aber auch überhaupt nicht. Für den Briten begann nach dem Schwenken der Zielflagge durch Hollywood-Schauspielerin Ana de Armas der Party-Marathon. Im Cooldown-Raum gratulierte Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali höchstpersönlich den drei Erstplatzierten des Rennens und der WM und meinte angesichts der dort noch erstaunlich ruhigen Stimmung: „Schlaft nicht ein.“ Verstappens Antwort: „Es wird ein langer Abend.“

Verstappens Saison auch eines Weltmeisters würdig

Norris beendete zwar die Titelherrschaft des viermaligen Weltmeisters, als ein Champion der Herzen darf sich Verstappen aber sicherlich fühlen. 104 Punkte lag er nach seinem Heimrennen in Zandvoort Ende August hinter Platz eins. „Was für ein Comeback in der zweiten Saisonhälfte“, sagte er: „Wir können wirklich stolz sein. Es gibt nichts, über das wir enttäuscht sein müssten.“ 

Nicht zu vergessen, dass sein Wagen in vielen Rennen dem McLaren unterlegen war, dass er praktisch als Alleinkämpfer fürs Team wegen der zu schwachen Stallkollegen war und vor allem während der Saison der Erfolgs-Teamchef Christian Horner gehen musste. Laurent Mekies übernahm - und zusammen mit Leader Verstappen formte er das Team neu und machte es wieder zum Siegerrennstall. Keiner gewann mehr Rennen 2025 als Verstappen mit acht.  

Der große Verlierer des Dreikampfs ist sicher Piastri. Er versuchte in Abu Dhabi noch mal alles, wollte vielleicht das Wunder von 2010 wiederholen, als Sebastian Vettel im Red Bull von WM-Rang drei zum Titel gerast war. Es klappte aber nicht. Ein Einbruch nach seinem Sieg in Zandvoort und die gleichzeitige Leistungssteigerung bei Stallrivale Norris verhinderten den Titeltriumph des Australiers in dessen drittem Formel-1-Jahr. Diplomatisch sagte er nach dem Rennen auf dem Yas Marina Circuit: „Eine sehr verdiente Weltmeisterschaft von Lando. Wir kommen beide nächstes Jahr zurück und versuchen herauszufinden, wie wir einander schlagen können.“

Mit Norris wurde ein neuer Typus Rennfahrer Weltmeister. „Ich möchte einfach mein Leben genießen. Das ist eine Einstellung, die vielleicht nicht unbedingt mit Killer-Instinkt gleichzusetzen ist“, sagte er vor der Saison dem britischen „Guardian“: „Ich glaube einfach nicht, dass man diesen haben muss, um Weltmeister zu werden.“ Er bewies es. 

Großes Vettel-Lob für den neuen Champion: Bruch mit Tabus

Norris Vater Adam machte mit Rentenversicherungen ein Vermögen, mit 36 ging er erstmal in den Ruhestand und förderte die Karriere des Sohnes. „Es waren 17, 18 Jahre harter Arbeit“, sagte er nach dem Titeltriumph - dass er dabei mal wieder zwei verschiedene Schuhe trägt, gehört zum Glücksbringertum der Familie Norris. 

Sohn Lando wusste, wem er vor allem zu danken hatte und er tat es trotz ausgelassener Feierlaune immer wieder. Zwischen Lachen und Weinen liegt bei dem Briten oft nicht viel. Er hat es salonfähig gemacht, auch im Fahrerlager der Formel 1 offen über mentale Kämpfe und Herausforderungen zu sprechen. Zur eigenen Verwunderung hatte er vor dem Start in das erstmal wichtigste Rennen seiner Karriere betont, gut geschlafen zu haben.

Er kann die Tränen nicht zurückhalten: Der neue Weltmeister Lando Norris.

Er kann die Tränen nicht zurückhalten: Der neue Weltmeister Lando Norris. Foto: Darko Bandic/AP/dpa

„Es ist großartig zu sehen, welches Vorbild Lando in der Formel 1, aber auch außerhalb geworden ist“, lobte jüngst der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel den neuen Champion. Früher seien Fahrer wie Maschinen aufgetreten, um bloß nie Schwächen zu zeigen. Das sei Tabu gewesen, bemerkte Vettel.

Was Norris von den Fahrern früherer Generationen aber nicht unterscheidet: Er kann gut Feiern und gibt auch schon mal den DJ - wie lange seine WM-Party dauern wird, blieb erstmal offen. Ein bisschen Zeit hat er - Ende Januar nächsten Jahres geht es mit den ersten Testrunden für die Mission Titelverteidigung weiter.

Max Verstappen verteidigt souverän die Pole.

Max Verstappen verteidigt souverän die Pole. Foto: David Davies/PA Wire/dpa

Show gehört auch beim Finale dazu.

Show gehört auch beim Finale dazu. Foto: Fatima Shbair/AP/dpa

Die Zieldurchfahrt zum WM-Titel.

Die Zieldurchfahrt zum WM-Titel. Foto: Andrej Isakovic/AFP POOL/AP/dpa

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