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Stadeum

Preisgekrönte Inszenierung: Samuel Koch als Judas auf der Stader Bühne

In seinem Monolog gibt Samuel Koch dem Menschen hinter der Figur des Judas ein Gesicht . Foto: Christian Kleiner

In seinem Monolog gibt Samuel Koch dem Menschen hinter der Figur des Judas ein Gesicht . Foto: Christian Kleiner

Das Stadeum holt die ganz große Bühnenkunst samt Ausnahme-Schauspieler nach Stade. Mit „Judas“ kommt das renommierte Nationaltheater Mannheim in die Stadt und öffnet den Vorhang für Samuel Koch in einem bewegenden Monolog.

Von Fenna Weselmann Donnerstag, 10.03.2022, 11:00 Uhr

Der Theaterabend am Mittwoch, 16. März, gehört zu den Schauspiel-Höhepunkten dieser Stadeum-Spielzeit. Denn das Nationaltheater gastiert normalerweise nicht mit der Produktion. Dabei lädt dessen preisgekrönte „Judas“-Inszenierung zu einem Perspektivwechsel auf die Verräter-Figur schlechthin ein.

„Denn dieser sollte ihn verraten: einer der zwölf“, heißt es in der Bibel über Judas. Die niederländische Autorin Lot Vekemans hat mit ihrem Theatertext ein sehr klares, eigenes Bild geschaffen, das über Judas’ Rolle als Verräter hinausragt. Vekemans zählt zu den wichtigsten Stimmen der niederländischen Gegenwartsdramatik. Ihre Version seiner Geschichte kreist nicht nur um den Verrat an Jesus. Sie gesteht dem Verräter eine Kindheit, eine Familie und Freunde zu und zeigt ihn damit als Menschen.

Die Titelrolle verkörpert Schauspieler Samuel Koch. Samuel Koch – durch den tragischen Unfall bei der Sendung „Wetten, dass…“ querschnittsgelähmt – hat trotzdem nie aufgegeben, für seine Träume zu kämpfen, absolvierte ein Schauspielstudium in Hannover, um mittlerweile in vielen tragenden Rollen in Kino, TV und auf deutschen Bühnen zu wirken.

Verräter wird zum Vertrauten des Publikums

So auch in dieser von Philipp Rosendahl als Monolog inszenierten Aufführung von Lot Vekemans „Judas“. „Ganz pragmatisch war die Figur des Judas die Rolle, die ich am Nationaltheater Mannheim als Erstes erleben durfte, sozusagen mein Einstandsstück. Schon deshalb hat sie für mich eine höhere Bedeutung. Ansonsten deute ich daraus viele relevante Themen, die natürlich auch für mich Bedeutung haben – das schnelle Verurteilen von Menschen ohne Kenntnis von Hintergründen, Barmherzigkeit, Freundschaft, Suizid, Antisemitismus“, sagt Koch über die persönliche Bedeutung für ihn.

Das fokussierte Solostück besticht durch die Begegnung zweier Männer auf der Bühne: eben Samuel Koch und seiner Rolle Judas. Der Schauspieler lässt den vermeintlichen Verräter Judas zum Vertrauten des Publikums werden. Mit der Frage, ob seine Geschichte nicht doch eher die eines Freundes ist, der Jesus half, sein Lebensprojekt zu vollenden: sterben und dadurch unsterblich werden. Verhalf nicht Judas’ Handeln dem Christentum letztlich zur großen Weltreligion? Nach zweitausend Jahren hat Judas nun das Wort und schaut auf seine Geschichte.

Gespräch mit dem Künstler im Anschluss

„Zugegebenermaßen hätte ich Judas bis zu der Beschäftigung mit der Rolle vermutlich ähnlich vorgefertigte Etiketten zugeordnet wie viele andere auch: Verräter, verantwortlich am Tod Jesu und so weiter. Nun versuche ich, noch weniger als zuvor, ihm gegenüber eine Einstellung zu haben, so wie den meisten Menschen gegenüber. Denn das bedeutet für mich etwas Voreingenommenes, Festes und Unflexibles und damit etwas statisch Ungnädiges. So versuche ich, als unperfekter Mensch keinem anderen Unperfekten gegenüber voreingestellt zu sein“, erklärt Samuel Koch, wie die Rolle seinen Blick auf Judas und das Menschsein verändert hat.

Das Stadeum möchte Gelegenheit geben, über diesen Perspektivwechsel ins Gespräch zu kommen und Bezüge zu aktuellen Themen zu diskutieren. Im Anschluss an die rund 70-minütige Vorstellung gibt es deshalb ein Nachgespräch mit dem Künstler. Das steht Interessierten auch ohne Vorstellungsbesuch offen. Mit auf dem Podium sind außerdem Dr. Hans Christian Brandy als Regionalbischof für den Sprengel Stade sowie der Jesuit, geistliche Begleiter und Schriftsteller Christoph Wrembek. Dieser hat mit seiner Veröffentlichung „Judas, der Freund“ ungewöhnliche Einsichten in die christliche Figur geliefert. Moderieren wird die Chefdramaturgin und stellvertretende Schauspiel-Intendantin des Nationaltheaters, Kerstin Grübmeyer.

Tickets kosten zwischen 20 und 39 Euro, erhältlich unter www.stadeum.de sowie telefonisch unter 0 41 41/ 40 91 40. Infos zu den Hygieneregeln gibt es auf der Stadeum-Homepage.

Zur Person

Samuel Koch, Jahrgang 1987, studierte Schauspiel in Hannover. Traurige Bekanntheit erreichte er 2010 nach seinem Unglück bei „Wetten dass ..?“. Koch versuchte, mit Sprungstiefeln über fahrende Autos zu springen. Beim vierten Wagen stürzte er und verletzte sich schwer. Seit diesem Wett-Unfall sind seine Beine und große Teile seines Körpers gelähmt.

Als Ensemblemitglied am Staatstheater Darmstadt von 2014 bis 2018 wurde er von „Theater heute“ als bester deutscher Nachwuchsschauspieler nominiert. Nach Gastrollen in der Serie „Sturm der Liebe“ und dem Kinofilm „Honig im Kopf“ gab Koch mit „Draußen in meinem Kopf“ sein Debüt in einer Kinohauptrolle. Außerdem ist Samuel Koch Autor: Er schrieb die Bestseller „Zwei Leben“ und „Rolle vorwärts“.

Im Herbst geht er mit seiner eigenen Show „Schwerelos“auf Deutschland-Tournee.

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