Zähl Pixel
Norddeutschland

So steht es um die Cannabis-Legalisierung in Niedersachsen

Cannabispflanzen (ca. 4 Wochen alt) in ihrer Wachstumsphase stehen in einem Aufzuchtszelt unter künstlicher Beleuchtung in einem Privatraum.

Eine finale Entscheidung zur Cannabis-Legalisierung naht offenbar. Foto: Christian Charisius/dpa

Wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, wird das Rauchen eines Joints bald legal sein. Das sollten Menschen in Niedersachsen zum Stand der Legalisierung wissen.

Von Sarah Knorr Freitag, 22.03.2024, 08:00 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Hannover . Nach einem Beschluss des Bundestags soll Cannabis demnächst in Deutschland legalisiert werden. Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf bereits im Februar beschlossen.

Am Freitag kommt es zur entscheidenden Bundesratssitzung. Zustimmungsbedürftig ist der Bundestagsbeschluss nicht. Die Länderkammer könnte aber den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und die Pläne abbremsen.

Mehr Nachrichten zur Cannabis-Legalisierung

Das ist der aktuelle Stand der Debatte über die Legalisierung in Niedersachsen:

Wann wird der Konsum von Cannabis legal?

Vom Bundestag beschlossen ist eine bundesweite Legalisierung zum 1. April. Das Gesetz sieht keine komplette, sondern eine kontrollierte Freigabe vor. Vorgesehen ist, dass die Vereinsmitglieder von sogenannten Cannabis-Clubs (Social Cliubs) ab 1. Juli die Droge gemeinschaftlich anbauen dürfen.

„Wir halten es mittlerweile auch für realistisch, dass es zu einer Verschiebung des Cannabisgesetzes kommen wird“, teile der Verband Mariana Cannabis Social Clubs Deutschland mit. Gerechnet werde mit einer Verschiebung des Vorhabens um mindestens drei Monate.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte am Mittwoch allerdings, die Regierung werde dem Bundesrat eine Protokollerklärung vorlegen, die unter anderem verstärkte Prävention und flexiblere Umsetzungsregeln zusichere. Auf diese Weise solle die umstrittene Legalisierung doch noch rechtzeitig auf den Weg gebracht werden.

Wie viel Cannabis darf man künftig besitzen?

Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum soll erlaubt sein. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum.

 Eine getrocknete Hanfknospe liegt auf der International Cannabis Business Conference ICBC am Messestand eines Ausstellers.

25 Gramm Cannabis sollen erlaubt sein. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild

Warum kommt überhaupt eine Legalisierung?

In der Drogenpolitik ist es eine Zäsur. Damit erkenne man endlich die Lebenswirklichkeit vieler Menschen an und sorge ganz praktisch für mehr Gesundheitsschutz, argumentierte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD).

Bisher steige der Konsum trotz des bestehenden Verbots von Erwerb und Besitz besonders auch unter jungen Menschen, heißt es im Gesetzentwurf. Cannabis vom Schwarzmarkt sei zudem häufig von Verunreinigungen und Beimengungen betroffen.

Mehr Nachrichten zur Cannabis-Legalisierung

Sind in Niedersachsen konkrete Verbote geplant?

Bundesweit soll es in einigen Bereichen nicht gestattet sein, einen Joint zu rauchen. Das gilt etwa an Schulen, Spielplätzen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen. Auch im Umkreis von 100 Metern um den Eingangsbereich ist der Konsum tabu. Von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr soll Cannabis zudem in Fußgängerzonen verboten sein.

In Hannover gibt es einer Sprecherin der Stadt zufolge bislang keine Regelungen, die über die Vorgaben des Bundes hinaus gehen. „Die Stadt erachtet die bisherigen Einschränkungen zunächst als ausreichend und behält sich eine weitere Diskussion darüber nach den ersten Erfahrungswerten vor“, sagte die Sprecherin.

Wenn es keine Veränderung des Gesetzes gebe, gelte demnach künftig die gleichen Vorgaben für Tabak- und Cannabisprodukte.

In Braunschweig ist bislang nicht klar, ob es Einschränkungen geben soll, wo künftig Joints geraucht werden dürfen. Nach Angaben eines Sprechers hat die Stadt noch keine Vorbereitungen dazu getroffen. Gleiches gilt einer Sprecherin zufolge auch in Oldenburg.

Wie viele Menschen konsumieren eigentlich Cannabis in Niedersachsen?

Die niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen gibt an, dass laut einer Erhebung von 2021 rund 430 000 Erwachsene in Niedersachsen in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben. Bundesweit ist von 4,5 Millionen Menschen im gleichen Zeitraum die Rede. Insgesamt leben in Niedersachsen rund 8,1 Millionen Menschen. 2022 suchten laut Suchthilfestatistik knapp 9000 Menschen aufgrund einer Cannabiskonsumproblematik eine der 75 Suchtberatungsstellen im Land auf.

Mehr Nachrichten zur Cannabis-Legalisierung

Gibt es Anbauvereine in Niedersachsen und Bremen?

Nach Angaben des Deutschen Hanfverbands gibt es derzeit noch keine konkreten Zahlen, wie viele Anbauvereine in Niedersachsen und Bremen existieren. So gebe es viele Initiativen in verschiedenen Stadien, von losen Netzwerken bis hin zu eingetragenen Vereinen.

Der Verband Mariana Cannabis Social Clubs Deutschland teilte mit, er betreue Clubs in Städten wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Wolfsburg. Nach eigenen Angaben gibt es in Niedersachsen rund 2000 Mitglieder.

Auch im kleinsten Bundesland Bremen gebe es Clubs. Vom Verband hieß es, dass es nach jetzigem Stand in einer Stadt auch mehrere Anbauvereine geben könne.

Das Cannabisgesetz diene jedoch als Grundgerüst, weswegen die Behörden der Bundesländer auch eigene Verordnungen erlassen könnten, beispielsweise mit Blick auf die Maximalmenge an Clubs, abhängig von der Einwohnerzahl.

Wie steht es um regionale Modellprojekte?

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wird zudem die Einrichtung von Modellprojekten zur Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften erwähnt. Diese zweite Säule hängt vorerst in der Warteschleife.

Nach Angaben der Sprecherin der Landeshauptstadt hat Hannover Interesse, an den regionalen Modellprojekten teilzunehmen. Allerdings gebe es zurzeit keine Informationen, wann sich Großstädte dafür bewerben könnten und in welchem Zeitraum das Modellprojekt durchgeführt werden sollten. In Braunschweig und Oldenburg hingegen ist eine Teilnahme vorerst nicht geplant.

Nach Worten von Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, sind diese Modellversuche derzeit nicht relevant, weil sie zur zweiten Säule der Cannabisreform gehörten. Es sei im Moment völlig unklar, ob es noch in dieser Legislaturperiode zu den Modellprojekten kommen werde, sagte Wurth.

Welche Kritik gibt es an dem Gesetz?

Kritik an dem Gesetz gibt es von mehreren Seiten. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, sagte, dass das Gesetz ein Fehler sei: „Die Legalisierung des Cannabiskonsums wird in Deutschland zu mehr Suchterkrankungen führen.“

Dies sei aus Studien abzulesen, die Legalisierungen in anderen Ländern begleiteten. Zudem übte sie Kritik an den geplanten Präventionsmaßnahmen, die nicht konkret genug seien.

Auch aus den Reihen der niedersächsischen Landespolitik wurde vor dem Beschluss gewarnt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte in der jüngsten Vergangenheit etwa, dass der Gesetzentwurf der Ampel „Murks“ sei und ein schlechter Kompromiss.

Die Kontrollen zu den Cannabis-Clubs für die Polizei und die Ordnungsbehörden sind aus Sicht von Behrens nicht praktikabel umsetzbar. Bedenken äußerte die Innenministerin ebenfalls bei der Sicherheit im Straßenverkehr. Zudem werde durch das Gesetz der Schwarzmarkt nicht ausgetrocknet.

Auch Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hatte zuletzt Kritik geäußert. In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forderte sie, die geplante Amnestieregelung für verurteilte Händler oder Konsumenten von Cannabis zu streichen oder zu verschieben. Sie halte den 1. April für zu kurzfristig, um die Regelung durch die Justiz umzusetzen. (dpa)

Weitere Artikel

Hamburgs Verfassungsgericht weist AfD-Klage ab

Für Hamburgs Innensenator Grote gehört die Relativierung des Holocaust zur Grunderzählung der AfD. Die hält das für unzulässig und zieht vors Verfassungsgericht. Nun gibt es ein Urteil.