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Finanzsenator

So teuer wird der Tarifkompromiss für Hamburg

Ein Gewerkschaftsvertreter klebt ein Plakat mit der Aufschrift "Warnstreik!" und einen Flyer an die Anzeigetafel im leeren Terminal 2. Foto: Jonas Walzberg/dpa

Ein Gewerkschaftsvertreter klebt ein Plakat mit der Aufschrift "Warnstreik!" und einen Flyer an die Anzeigetafel im leeren Terminal 2. Foto: Jonas Walzberg/dpa

Der Tarifkompromiss im öffentlichen Dienst wird die Stadt Hamburg nach Angaben von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) viele Hundert Millionen Euro kosten. Nach zähem Ringen hatten sich die Verhandlungspartner am Samstag auf den höchsten Abschluss seit Jahrzehnten geeinigt.

Montag, 24.04.2023, 06:00 Uhr

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"Wir kalkulieren für den Tarifabschluss mit Mehrkosten von rund 170 Millionen Euro im Bereich unserer betroffenen öffentlichen Unternehmen", sagte Dressel der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Dieses Geld müssten die städtischen Unternehmen grundsätzlich selbst erwirtschaften - das sei "angesichts der Rahmenbedingungen zweifellos eine Herausforderung". Durch den Abschluss auf 24 Monate habe die Stadt aber nun für zwei Jahre Planungssicherheit, das sei positiv zu werten. "Alles in allem ein gerade noch vertretbarer, aber eben auch schmerzhafter Kompromiss", sagte Dressel weiter.

Sonderzahlungen in Höhe von 3000 Euro vorgesehen

Bund, Kommunen und Gewerkschaften hatten sich am späten Samstagabend in Potsdam auf höhere Tarife geeinigt. Die Einigung sieht unter anderem steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro in mehreren Stufen vor. 1240 Euro davon sollen bereits in diesem Juni fließen, weitere 220 Euro dann jeweils in den Monaten von Juli bis Februar 2024.

Ab März 2024 soll es dann als Lohnplus einen Sockelbetrag von 200 Euro sowie anschließend 5,5 Prozent mehr geben, unter dem Strich aber mindestens 340 Euro. Von dem Kompromiss profitieren rund 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.

Eine Urabstimmung bei den Gewerkschaften und mögliche unbefristete Streiks sind mit der Einigung vom Tisch. Monatelang hatten die Tarifparteien miteinander verhandelt, immer wieder hatten Beschäftigten mit bundesweiten Warnstreiks Verwaltungen, Stadtreinigungen und Schwimmbäder lahmgelegt. Ende März brachte Verdi gemeinsam mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft bei einem großangelegten Warnstreik sowohl den Bahn- als auch den Luftverkehr bundesweit zum Erliegen.

Tarifeinigung: Was wurde beschlossen und wer ist betroffen?

Aufatmen bei Beschäftigten und Verbrauchern: Nach monatelangem Ringen im Tarifstreit für den öffentlichen Dienst einigten sich die Verhandlungspartner am späten Samstagabend auf den höchsten Abschluss seit Jahrzehnten. Für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen bedeutet das angesichts der hohen Inflation eine Entlastung. Bundesweite Streiks sind damit abgewendet. Trotzdem müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher schon zeitnah wieder auf Warnstreiks in anderen Bereichen einstellen.

Sind mit der Einigung auch Warnstreiks an Flughäfen und auf der Schiene vom Tisch?

Nein. Mit der Tarifeinigung für Bund und Kommunen sind lediglich unbefristete Streiks im öffentlichen Dienst abgewendet - etwa bei Müllabfuhren, Krankenhäusern oder Stadtverwaltungen. In anderen verkehrsrelevanten Branchen laufen jedoch noch Tarifverhandlungen. Schon an diesem Montag will Verdi etwa den Hauptstadtflughafen BER mit Warnstreiks lahmlegen. Hintergrund sind Verhandlungen über Zuschläge für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Regelungen zur Entlohnung von Überstunden für die Sicherheits- und Servicekräfte. Die Gespräche werden bereits seit geraumer Zeit zwischen Verdi und dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) geführt.

Im Eisenbahnsektor wiederum gehen Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn am Dienstag in Fulda weiter. Dort verhandelt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit dem Konzern über mehr Geld für rund 180 000 Bahnbeschäftigte. Auch hier sind jederzeit Warnstreiks möglich, die den Regional- und Fernverkehr im ganzen Land erneut lahmlegen könnten.

Was wurde bei der Einigung im öffentlichen Dienst beschlossen?

Die Einigung sieht unter anderem steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro in mehreren Stufen vor. 1240 Euro davon sollen bereits in diesem Juni fließen, weitere 220 Euro dann jeweils in den Monaten von Juli bis Februar 2024. Ab März 2024 soll es dann als Lohnplus einen Sockelbetrag von 200 Euro brutto sowie anschließend 5,5 Prozent mehr geben. Wird dabei keine Erhöhung um 340 Euro brutto erreicht, soll der betreffende Erhöhungsbetrag auf diese Summe gesetzt werden. Bei dieser Lösung orientierten sich die Tarifparteien in großen Teilen am Kompromissvorschlag aus dem vor einer Woche beendeten Schlichtungsverfahren. Die Laufzeit der Vereinbarung soll 24 Monate betragen.

Wer ist betroffen?

Die Steigerung der Einkommen gilt für Angehörige Tausender verschiedener Berufe - unter anderem für Frauen und Männer, die als Erzieher, Busfahrer, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Kranken- und Altenpfleger, Verwaltungsangestellte, Klärwerksmitarbeiter, Förster oder Ärzte arbeiten. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134 000 des Bundes. Für die Arbeitnehmer der Länder wie zum Beispiel Polizisten oder Lehrer gilt jedoch ein eigenständiger Tarifvertrag.

Was bedeutet die Tarifeinigung konkret für die Arbeitnehmer?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnete vor, dass mit diesem Abschluss eine Reinigungskraft im öffentlichen Dienst künftig 360 Euro beziehungsweise 13,3 Prozent mehr Geld erhalten werde. Verdi-Chef Frank Werneke sagte: «Eine Pflegekraft bekommt im Rahmen dieses Tarifabschlusses dauerhaft wirkend eine monatliche Entgeltsteigerung von 400 Euro. Oder ein Müllwerker oder eine Müllwerkerin von 357 Euro.» Das entspreche einem Plus von 13,4 Prozent. Kritik gab es von Gewerkschaftsseite vor allem an der Laufzeit von 24 Monaten. Mehr sei bei den Kommunen nicht durchzusetzen gewesen, sagte der Bundesvorsitzende des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach.

Kommt die Einigung ganz sicher?

Die Gewerkschaft Verdi startet nun eine Mitgliederbefragung zum Tarifergebnis. Theoretisch könnte diese negativ ausfallen, dann müsste neu verhandelt werden. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich. «Wir werben ja als Tarifkommission dafür, dass unsere Mitglieder das Ergebnis annehmen», sagte Werneke.

Wie teuer wird es für die Arbeitgeber?

Eine besondere finanzielle Herausforderung wird die Einigung für die klammen Kommunen und Städte. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, sprach vom «teuersten Tarifabschluss aller Zeiten», der die Städte und Gemeinden rund 17 Milliarden Euro kosten werde. «Die kommunalen Arbeitgeber sind bis an die finanzielle Belastungsgrenze gegangen mit diesem Kompromiss», sagte Welge nach der Einigung.

Für den Bund beliefen sich die Gesamtkosten des Abschlusses für die vereinbarte Laufzeit auf rund 4,95 Milliarden Euro. «Wir sind den Gewerkschaften so weit entgegengekommen, wie wir es in schwieriger Haushaltslage noch verantworten konnten», sagte Innenministerin Faeser.

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